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Geräuschlose Entscheidung

Jubel und Erleichterung auf der einen, Enttäuschung auf der anderen Seite. In den beiden schwedischen Gemeinden Oskarshamn und Östhammar herrschte im Sommer letzten Jahres eine Spannung wie vor der Vergabe von Olympischen Spielen oder einer Fußball-Weltmeisterschaft. Beide wollten den Zuschlag, beide wollten ans große Geld, an den Lottogewinn von rund drei Milliarden Euro, wie es hieß.

Von Albrecht Breitschuh | 03.11.2010
    Entschieden wurde über den Standort eines atomaren Endlagers. "Svensk Kärnbränslehantering", kurz SKB, ein Unternehmen, das in Schweden für die Beseitigung des Atommülls zuständig ist, sprach sich für Östhammar aus:

    "Das ist wunderbar, fantastisch. Wir haben nun mal die Pflicht, unseren Abfall zu beseitigen, und das tun wir nun an der sichersten Stelle. Das ist gut für alle."

    Sagte Anna Lena Söderbloom von den bürgerlichen Moderaten, und auch ihre Kollegin im Gemeinderat, die Sozialdemokratin Maria Berggren, stimmte in den parteiübergreifenden Jubel ein:

    "Das ist eine Bekräftigung dafür, dass der Berg, den wir hier haben, sehr geeignet ist. Und es gibt uns Sicherheit, dass die Qualität des Berges in dieser Frage entscheidend war und keine anderen Faktoren."

    Voraussichtlich sollen hier ab 2020 12.000 Tonnen Atommüll endgelagert werden. Schwedischer Atommüll, Importe sind ausgeschlossen. Die Brennstäbe werden in Kupfer eingekapselt und von Betonit-Lehm eingeschlossen und müssen dann mindestens 100.000 Jahre lagern, bis die Strahlung abgeklungen ist. Kritiker sagen, dass das Kupfer sehr viel früher rosten könne als berechnet, und die Kapseln möglicherweise schon nach einigen hundert Jahren undicht werden könnten. Doch kaum jemand hat an der Entscheidung etwas auszusetzen, schon gar nicht die Bewohner Östhammars und Umgebung. Die leben seit Jahrzehnten mit dem AKW Forsmark in unmittelbarer Nachbarschaft.

    "Ein guter Beschluss, daraus ergeben sich fantastische Möglichkeiten für unsere Gemeinde. Ich glaube auch nicht, dass sich viele Sorgen machen."

    "Das ist positiv, es kommen mehr Leute her. Es kommen mehr Arbeitsplätze her, mehr Wohnungen, alles entwickelt sich."

    Eindrücke, die den Umfragen entsprechen, die SKB bei Meinungsforschungsinstituten in Auftrag gegeben hatte. Nach denen waren über 80 Prozent der Bevölkerung für den Bau eines atomaren Endlagers quasi vor der eigenen Haustür, im unterlegenen Oskarshamn waren die Mehrheitsverhältnisse ähnlich.

    Dass die Entscheidung so geräuschlos über die Bühne ging, solle man, so Saida Bergström von SKB, aber nicht als Leichtgläubigkeit oder gar mangelndem Interesse der Schweden fehlinterpretieren. Verglichen mit Deutschland könne man mehr von einem großen Verantwortungsbewusstsein sprechen:

    "In Deutschland kann man über diese Fragen ja nicht mal reden, weil sie politisiert worden sind. Natürlich kann und soll man darüber diskutieren, ob Kernkraft die Energieform der Zukunft ist. Aber den Atommüll den gibt es bereits jetzt. Und wenn ich mit deutschen Kernkraftgegner darüber diskutiere, wo der denn hin soll, höre ich auf nur: Das wissen wir nicht."