Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Gerda Hasselfeldt
"Pkw-Maut ist Frage der Gerechtigkeit"

Die CSU habe bei den Koalitionsverhandlungen ihre christlich-soziale Seele gezeigt, sagt die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, im Deutschlandfunk. Die Entscheidung für Mütterrente und Maut sowie gegen Steuererhöhungen trage die Handschrift ihrer Partei.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 17.12.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Die dritte Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik ist besiegelt. In den kommenden vier Jahren werden Union und SPD zumindest den Eindruck zu vermitteln suchen, dass man es mit einer hervorragenden Arbeitsbeziehung zu tun hat, bevor in drei, vier Jahren die nächste Bundestagswahl ihre Schatten vorauswirft und die Koalitionspartner zunehmend gegeneinander Wahlkampf machen werden. Jetzt heißt es aber erst einmal zusammenarbeiten. An entscheidender Stelle dabei Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe und damit qua Amt stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Frau Hasselfeldt.
    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Die CSU präsentierte sich nach gewonnener Landtags- und Bundestagswahl als strahlende Siegerin. Jetzt geht sie gerupft aus den Koalitionsverhandlungen hervor. Hat sich Horst Seehofer von Angela Merkel über den Tisch ziehen lassen?
    Hasselfeldt: Ich bin für die CSU mit der Ressortaufteilung für die CSU sehr zufrieden. Es gibt keine wichtigen und unwichtigen Ministerien, sondern jedes Ministerium und jeder Minister ist wichtig und ist auch gleich wichtig.
    Heckmann: Aber die CSU hat kein klassisches Ressort mehr, verzichtet auf das Innenministerium, das doch ein sehr zentrales Ministerium ist. Hans-Peter Friedrich wird degradiert zum Landwirtschaftsminister, die CSU verliert den Verbraucherschutz, auch die Zuständigkeit für das Bauressort. Weshalb hat sich Horst Seehofer darauf eingelassen?
    Hasselfeldt: Wir haben für die CSU in der Führung drei zukunftsgerichtete Ministerien, drei Ministerien, die auch für ein Flächenland wie Bayern und ein Land, das stark wirtschaftspolitisch ausgerichtet ist, auch außenpolitisch ausgerichtet ist, von eminent großer Bedeutung sind. Das Verkehrsressort mit der Zuständigkeit nicht nur für die Verkehrsinfrastruktur, sondern auch für die Breitbandversorgung, ein Ressort, in dem gerade in dieser Legislaturperiode wichtige Weichen gestellt werden und auch viele Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Wir haben als zweites das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und knüpfen damit an eine lange Tradition auch der CSU an, ein Ministerium, das für die Wirtschaft in Deutschland wichtig ist, aber auch für Organisationen wie die Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen und damit ein Fuß auch in der Außenpolitik. Mancher Außenminister wäre dankbar dafür, dass er das Geld, was der Entwicklungshilfeminister hat, auch für eigene Zwecke verwenden könnte. Und wir haben mit dem Landwirtschaftsressort ein Ressort, das für ein Flächenland wie Bayern von großer Bedeutung ist. Wir sind die einzige Partei, die sich um diese wirtschaftlich starke Gruppe und wirtschaftlich auch bedeutende Gruppe im Ausland, also die Landwirtschaft, kümmert. Deshalb sind diese drei Ressorts für uns, für die CSU, von großer Bedeutung. Und wenn ich dann noch dazurechne, dass der Staatssekretär auch im Forschungsministerium von der CSU kommt, dann ist auch dieses Ministerium ein Haus, das in der kommenden Legislaturperiode von großer Bedeutung sein wird.
    Heckmann: Auch die anderen beteiligten Parteien haben natürlich zahlreiche Staatssekretäre, die in die Ministerien entsendet werden. Die Frage bleibt dennoch, weshalb die CSU jetzt schließlich und endlich, auch wenn Sie die Bedeutung der anderen Ministerien betonen, auf das Innenministerium verzichtet hat.
    Hasselfeldt: Wer sagt denn, dass man immer das gleiche Ministerium haben muss? Wir haben dieses Mal eben einen Schwerpunkt auch mit dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gelegt.
    Heckmann: Das heißt, Sie wollten das Ministerium gar nicht mehr?
    Hasselfeldt: Das ist durchaus natürlich in Gesprächen so entschieden worden und im Ergebnis finde ich und finden wir in der CSU diese Aufteilung auch gut, für uns in der CSU und für Bayern und für die weitere wirtschaftliche Entwicklung.
    Heckmann: Das heißt, Sie wollten das Innenministerium gar nicht mehr?
    Hasselfeldt: Es geht nicht darum, ob man das wollte oder nicht. Ich war bei den Gesprächen nicht dabei. Die Ressortaufteilung machen die Parteivorsitzenden.
    Heckmann: Sie sind aber ganz nahe dran!
    Hasselfeldt: Ich kann das Ergebnis bewerten und das Ergebnis finde ich gut, und nicht nur ich persönlich, sondern das ist auch Meinung im gesamten Parteivorstand der CSU.
    Heckmann: Die CSU stellt weiterhin drei Minister in der neuen Regierung. Allerdings es fehlen die klassischen Ressorts, ich habe es gerade schon gesagt. Was heißt das für das Agieren der CSU innerhalb der Koalition? Werden die Christsozialen umso bestimmter auftreten?
    Hasselfeldt: Ach wissen Sie, mit dem bestimmt auftreten, hart auftreten oder sachte auftreten, das wird immer natürlich kommentiert. Ausschlaggebend ist das Ergebnis, was herauskommt. Wir haben jetzt bei den Koalitionsverhandlungen gezeigt, dass deutlich die christlich-soziale Seele, wenn ich das mal so sagen darf, erkennbar ist. Ohne uns hätte es mit Sicherheit so manches an Entscheidungen nicht gegeben, beispielsweise die Mütterrente oder auch die Maut und das harte Eintreten gegen Steuererhöhungen. Das alles ist unter anderem auch Handschrift der CSU und Sie können davon ausgehen, dass wir diese Handschrift der CSU auch bei der Konkretisierung der Vereinbarung dann, nämlich bei der Gesetzgebungsarbeit und der weiteren Arbeit in der Legislaturperiode, zum Ausdruck bringen werden.
    Heckmann: Horst Seehofer hat ja gestern davon gesprochen, dass die CSU ein zuverlässiger Partner sein wird, aber auch ein unabhängiger. Das kann man schon als kleine Drohung eigentlich auffassen. - Kommen wir mal zu dem Lieblingsprojekt des Ministerpräsidenten, nämlich die Pkw-Maut für Ausländer. Sind Sie, Frau Hasselfeldt, da eigentlich auch so ein Fan, oder machen Sie nur mit, weil der Chef es so will?
    Hasselfeldt: Wir haben hier lange Diskussionen hinter uns und auch ich bin überzeugt davon, dass die Maut für Ausländer notwendig ist, einmal aus Gerechtigkeitsgründen, weil es nicht einzusehen ist, dass wir in Österreich und in Italien und in anderen Ländern Autobahngebühr bezahlen und andere, die unsere Autobahnen benutzen, nicht. Das heißt, es ist einmal eine Frage der Gerechtigkeit, und zum zweiten …
    Heckmann: Aber da zahlen alle!
    Hasselfeldt: Ja. Wir haben aber auch gesagt, wir wollen sehr wohl eine Beteiligung nur der Ausländer, weil unsere deutschen Autofahrer über die Kfz-Steuer ja ohnehin schon zusätzlich belastet sind. Wir wollen eine Gerechtigkeit für diejenigen aus anderen Ländern, die bei uns keine Kfz-Steuer bezahlen, dass die dann auch eine Gebühr für die Autobahnbenutzung bezahlen. Und das Zweite ist: Wir brauchen mehr Mittel für die Verkehrsinfrastruktur. Eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur ist notwendig für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land, und das ist mittlerweile ja doch Allgemeingut geworden, und deshalb bin ich eine Verfechterin der Maut für die Ausländer.
    Heckmann: Der bisherige Verkehrsminister Ramsauer hat sich ja weniger begeistert gezeigt, was die Pkw-Maut für Ausländer angeht, zumindest zu Anfang. Ist das der Grund, weshalb er gehen muss?
    Hasselfeldt: Nein. Diese Personalentscheidungen sind immer in der Politik ganz selbstverständlich. Politik lebt auch vom Wechsel in verschiedene Ämter und man darf auch nicht einen politischen Einfluss alleine von einem Ministeramt abhängig machen. Wir haben viele Einflussmöglichkeiten auch im parlamentarischen Bereich. Ich habe das auch schon erlebt, Horst Seehofer hat das erlebt, das gehört zum politischen Alltag.
    Heckmann: Jetzt wurde ja vereinbart, dass die Pkw-Maut unter zwei Bedingungen eingeführt werden soll, nämlich erstens: Deutsche Autofahrer dürfen nicht belastet werden, mehr belastet werden, und die Regelung muss europapolitisch und europarechtlich auch in Ordnung sein. Aus Brüssel kam ja das Signal, eine Pkw-Maut ist ja alles gut und schön, aber nicht nach dem Motto, linke Tasche, rechte Tasche für die Deutschen. Das heißt: automatisch dann die Deutschen zu entlasten über die Kfz-Steuer, so geht das nicht, sagt Brüssel. Ist das Ganze nur ein Symbolthema gewesen, um die Wahl zu gewinnen, und was danach ist ist nicht so wichtig?
    Hasselfeldt: Die Stimmen aus Brüssel waren auch eindeutig in der Richtung, dass eine EU-rechtskonforme Umsetzung der Pkw-Maut durchaus möglich ist. Es kommt auf die konkrete Umsetzung an. Und da bin ich sehr zuversichtlich, dass der Verkehrsminister nicht nur einen Gesetzentwurf vorlegen wird, sondern dass der Gesetzentwurf auch im Jahr 2014 - und zwar unter den Bedingungen, dass die deutschen Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden und EU-rechtskonform die Maut umgesetzt wird - zur Verabschiedung kommen wird.
    Heckmann: Und da haben Sie schon eine Idee, wie das gehen soll?
    Hasselfeldt: Da bin ich sehr zuversichtlich, dass dieses erreicht wird.
    Heckmann: Soweit Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Frau Hasselfeldt, danke Ihnen für das Interview.
    Hasselfeldt: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.