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Gerhard Schröder in Bonn
Agenda-Lehren für Europa

Gerhard Schröders Name ist fest mit der Agenda 2010, auch bekannt als die Hartz-Reformen, verbunden. Gestern Abend sprach der ehemalige Bundeskanzler über seine Erfahrungen. "Agenda 2010 - Bilanz einer Reform und Perspektiven für die Zukunft" hieß die Veranstaltung. Dabei richtete Schröder den Blick schnell auf Europa - und plädierte für Geduld mit Griechenland.

Von Moritz Küpper | 17.03.2015
    Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in Bonn
    Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in Bonn (deutschlandradio.de / Moritz Küpper)
    Es dauerte rund eine halbe Stunde, bis Gerhard Schröder, den Blick nach vorne richtete – und dem Reiz der aktuellen Situation erlag:
    "Meine Damen und Herren, es gibt einige Lehren aus der den deutschen Reformen. Zwei will ich benennen, weil sie für die europäischen Politik von heute von Bedeutung sind."
    Obwohl leicht erkältet war Schröder, immerhin der letzte Bundeskanzler der Bonner Republik, in die einstige Hauptstadt gekommen, um auf Einladung der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik, die sein ehemaliger Kanzleramtsminister Bodo Hombach aufgebaut hatte, auf seine Agenda-Politik zurückzuschauen. Doch Schröder, obwohl im politischen Ruhestand, weiß noch immer, was die Leute interessiert – und wie er, sozusagen als Deuter seiner Geschichte, den Blick in die Zukunft richten kann:
    "Die Agenda 2010 ist keineswegs einfach auf andere europäische Staaten zu übertragen."
    Mit Blick auf Europa
    Die Unterschiede, egal ob Strukturen der Volkswirtschaft, Demografie oder auch in der politischen Willensbildungen seien zu groß, aber "gleichwohl können wir es uns nicht leisten, dass die Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch größer werden, als sie ohnehin schon sind."
    Das Wort Griechenland war bis dahin noch nicht gefallen, doch es war klar, welchen Kurs der Altkanzler genommen hatte – und wie der Vergleich enden würde. Denn obwohl er sich es nicht anmerken ließ: Dass es vor allem die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel ist, die von seinen Reformen profitierte und profitiert, bleibt eine offene Wunde. Auch deshalb gilt es die Errungenschaften klar zuzuordnen:
    "Die Agenda, ich habe darauf hingewiesen, hat eben nicht sofort gegriffen, sondern es hat zwei, drei, vier Jahre gedauert. Und es hat auch einige Jahre für die wirtschaftliche Belebung gebraucht, bis sie ihre ganze Wirkung entfalten konnte."
    Zwei Jahre lang, so erinnernde Schröder mahnend, habe Deutschland einst unter ihm die Kriterien des Europäischen Stabilitätspaktes verletzt, aber "wenn wir sie hätten einhalten müssen, hätten wir neben der Agenda noch einmal 20 Milliarden einsparen müssen. Völlig unmöglich, das politisch durchzusetzen."
    "Aus den deutschen Erfahrungen lernen"
    Was also bleibe, so Schröder, was ist die Agenda-Lehre für Europa? Für den Altkanzler die Möglichkeit, seine politische Errungenschaften auf das internationale Parkett zu hieven:
    "Wir sollten aus der deutschen Erfahrung lernen und unseren Partnern in Europa, sind sie nun in Italien, Frankreich oder auch in Griechenland, eine Flexibilisierung der Austeritätspolitik etwas mehr Zeit einräumen, als sie es gegenwärtig bekommen. Meine These wäre: Zeit gegen Reformen."
    Eine Position, die – so der ehemaliger Kanzler – auch die Europäische Zentralbank verfolgen würde. Die EZB sei aber letztlich zu schwach, dies durchzusetzen. Das müsse die Politik tun – und sei auch in Frankreich bereits erkannt worden:
    "Es gibt Zeit, wir bestehen nicht auf der unbedingten Einhaltung, aber die Gegenleistung ist mehr Wettbewerbsfähigkeit durch strukturelle Reformen im Inneren."
    Es wird sich zeigen, inwieweit Schröders Agenda-Lehre Anklang in die aktuelle Politik finden wird. Der Abend gestern jedenfalls zeigte: Statt einer Bilanz ist für den Altkanzler hat sein Reformwerk eher eine Perspektive.