Dienstag, 19. März 2024

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Germanwatch zu UN-Klimakonferenz
"Wir hätten uns was ganz anderes gewünscht"

"Man kann nicht mit denen, die nur blockieren, vernünftig Verhandlungen führen", sagte Christoph Bals von Germanwatch im Dlf. Alle Textentwürfe in Madrid seien zu ambitionslos. Die Bundesregierung dürfe das so nicht akzeptieren - und suche besser den Schulterschluss mit konstruktiven Ländern.

Christoph Bals im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 14.12.2019
Junge Klimaaktivisten, zum Teil mit hochgestreckten Händen, auf der UN-Klimakonferenz in Madrid. Im Hintergrund ist der Hashtag "TimeForAction, IS NOW" zu sehen.
Klimaaktivisten protestieren am 11. Dezember 2019 auf der UN-Klimakonferenz COP25 in Madrid (AFP / Christina Quicler)
Jörg Münchenberg: Bei der Klimakonferenz in Madrid hakt es. Immer neue Textentwürfe werden geschrieben und abgestimmt. Über Nacht saßen die Verhandler noch einmal zusammen, um doch noch einen Kompromiss für diese UN-Klimakonferenz zu finden und damit auch ein Scheitern des Gipfels zu verhindern. Noch aber, muss man sagen, ist kein weißer Rauch aufgestiegen. Mit dabei ist Christoph Bals von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Herr Bals, erst mal herzlich willkommen!
Christoph Bals: Ich grüße Sie!
Ambitionslos und mit zu vielen Schlupflöchern
Münchenberg: Wie ist denn Ihr Eindruck von den Verhandlungen jetzt in Madrid?
Bals: Ja, wir sind wirklich in einer ziemlich dramatischen Situation jetzt. Es sind drei große Ziele ja verkündet worden, die man mit dem Gipfel erreichen will: Erstens, Druck auf die Ambitionen vor allem der G20-Länder zu machen, dass die im nächsten Jahr größere, verschärfte Klimaziele vorlegen. Zweitens, dass man seriöse Handelsmechanismen, die zu mehr Klimaschutz und nicht zu weniger Klimaschutz führen, verabschieden will. Und drittens, dass man einen Mechanismus für die besonders betroffenen Menschen, die jetzt schon vom Klimawandel betroffen sind, auf den Weg bringen will. Und bei allen drei Zielen steht man im Prinzip vor dem Scheitern bei dem Text, was jetzt vorgelegt worden ist. Es wird nicht deutlich zu mehr Ambition aufgerufen für die großen G20-Länder und auch gar nicht mit der Zeitfrist, die jetzt gesetzt wird dazu. Bei den Handelsmechanismen sind noch so viele Schlupflöcher eingebaut, dass es die Integrität des Pariser Abkommens gefährden würde und nicht zu mehr Klimaschutz führen würde. Und bei dem sogenannten Loss-and-Damage-Mechanismus, dem Mechanismus für die besonders betroffenen Länder und Menschen, sind die Verhandlungen so verhakt, dass kaum zu sehen ist, dass es diesmal hier einen Abschluss dazu geben könnte.
Münchenberg: Also wenn man es noch mal auf den Punkt bringen wollte, aus Ihrer Sicht, das, was derzeit auf dem Tisch liegt, ist völlig unzureichend.
Klimaschützer Christoph Bals, der politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch ist. 
Bals: Also wir würden der deutschen Regierung im Moment raten, sowohl den Text, der zu Ambitionen dort liegt, als auch der Text, der zu den Marktmechanismen da liegt, in dieser Form nicht zu akzeptieren, sondern dann zu sagen, dann verhandeln wir lieber nächstes Jahr darüber weiter. Wir hätten uns was ganz anderes gewünscht, weil wir auch endlich rauskommen müssen davon – das wäre ja der Abschluss des Regelbuchs von Paris, was wir hier verhandeln –, und dass wir jetzt über die Umsetzung, die zu organisieren und verhandeln in diesem Prozess, kommen müssen und nicht noch eine weitere dieser Hängepartien nächstes Jahr in Glasgow.
"Wir kommen im Konsens nicht weiter"
Münchenberg: Aber, Herr Bals, wenn Sie sagen, Sie würden dann sogar empfehlen zu vertagen – der Punkt ist ja oder die Frage, die ja auch von Fridays for Future immer drängender aufgeworfen wird, dass eben die Zeit davonläuft. Also was hilft dann Vertagen, wenn dann vielleicht im nächsten Jahr genau das gleiche Problem ist?
Bals: Ja, die Frage ist vollkommen richtig gestellt. Wir brauchen parallel auf jeden Fall zusätzliche Prozesse. Wir sehen, in diesem konsensorientierten Prozess kommen wir mit Regierungen, die maßgeblich von der Kohle-, Öl- und Gasindustrie finanziert sind – wie in den USA, in Brasilien oder in Australien –, im Konsens nicht weiter. Das heißt, die großen Fragen können wir hier nicht angehen, wir müssen jetzt ausgehen von dem European Green Deal, der angekündigt ist, den Partnerschaften mit anderen Staaten, die dort drin angekündigt ist, einen zusätzlichen Prozess mit starten, der diese Ambition wirklich zeigt, wie sie umgesetzt wird dabei und dann wieder schauen, was man hier zurückführen kann in diesen Prozess, wenn wieder mehr Konsenslösungen möglich sind.
Münchenberg: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, würden Sie sagen, dass eben gerade die großen Verschmutzer, wie zum Beispiel eben auch China oder die USA – gut, jetzt dann eh beim Klimaabkommen nicht mehr dabei sind –, aber dass die ausgeschlossen werden oder dass man mit denen nicht mehr verhandelt.
Bals: Nein, ganz im Gegenteil. China gehört zu den Ländern, die relativ konstruktiv auch in diesen Verhandlungen gewesen sind. Es wird nächstes Jahr große bilaterale Gespräche auf Regierungschefebene und der gesamten Regierung von China und von den europäischen Regierung in Leipzig im September geben. Dort muss man dann gemeinsam die Ziele erhöhen und gemeinsam vorangehen. Das ist überhaupt nicht, dass man die rauslässt – man muss mit Indien solche Partnerschaften eingehen, mit Südafrika. Nur diese wenigen Länder wie USA oder Australien, dort muss man auf der Staatenebene jetzt verhandeln und nicht mit der Regierung auf der Federal-Ebene, um diese Dynamik voranzutreiben. Man kann nicht mit denen, die nur blockieren wollen, vernünftig Verhandlung führen.
EU darf Glaubwürdigkeit nicht verlieren
Münchenberg: Auf der anderen Seite, Sie haben ja Europa schon angesprochen, bis 2050 Klimaneutralität. Kritiker stellen ja schon die Frage, was nutzt es, wenn die Europäer jetzt besonders klimafortschrittlich sind, besonders viel tun für den Klimaschutz, und eben die großen Emittenten außen vor bleiben.
Bals: China ist der größte Emittent. Wenn man diese Partnerschaften mit China, Indien und Europa machen würde, hätte man deutlich mehr als 50 Prozent der Emissionen weltweit schon dabei, und das kann alles im nächsten Jahr gelingen. Und es sind noch viele kleinere Staaten, die darauf drängen, die Klimaschutz gemeinsam mit voranzubringen, also man kann durchaus 70, 80 Prozent der Emissionen in solchen Partnerschaften in den nächsten ein, zwei Jahren vereinen. Es geht natürlich nicht alleine, aber glaubwürdig ist die EU nur, wenn sie selber massiv umsetzt, und da ist der European Green Deal das geeignete Instrument dafür, um das jetzt voranzubringen.
Das Foto zeigt den ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer.
Klaus Töpfer: ​Green Deal ist ein "extrem ambitioniertes Programm"
Die Verlängerung der Klimakonferenz in Madrid sei per se kein schlechtes Zeichen, sagte Klaus Töpfer, früher Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, im Dlf. Man wolle keine faulen Kompromisse eingehen, deshalb werde weiter gerungen.
Münchenberg: Ja, aber gleichzeitig muss man ja sagen jetzt, weil die Situation in Madrid zu verfahren ist, keinen Impuls gesetzt hat für die Klimaverhandlungen in Madrid.
Bals: Das kam sehr spät, das war ja ganz, ganz am Schluss. Wenn das vorher gewesen wäre oder wenn das, wie es eigentlich vom Zeitlichen her notwendig gewesen wäre, vor dem UN-Sondergipfel von Herrn Guterres im September gewesen wäre, dann hätte es diesen Impuls setzen können. Man kann nicht erwarten von anderen Ländern, dass sie innerhalb von zwei Tagen ihre Verhandlungsstrategie vollkommen umstellen, weil sie denken, aha, jetzt hat die EU ein Signal gesetzt und jetzt können wir unsere Prozesse in ganz kurzer Zeit auf ein neues Verhandlungsergebnis hin ausrichten.
Verhandler sprechen über zu enges eigenes Mandat
Münchenberg: Herr Bals, nun ist ja auch Greta Thunberg in Madrid aufgetreten, die Fridays-for-Future-Bewegung hat ja einen enormen Zulauf, und zwar global. Spielt es also auch bei den Verhandlungen, wo ja jetzt die Entscheider sozusagen sitzen, faktisch überhaupt keine Rolle?
Bals: Das spielt eine Rolle, und es ist spannend zu sehen, wie viele der Verhandler sagen, wir verstehen nicht unsere Regierungen, welches Mandat die uns geben, welches enge Mandat die uns geben, und die gerne viel weiter gehen würden. Selbst in der US-amerikanischen Regierung habe ich solche Gespräche geführt, die sich schon jetzt darauf vorbereiten, wir würden brennend gerne in dieses Abkommen zurückkommen und eine konstruktive Rolle spielen, aber leider werden wir durch unser Mandat ausgebremst, und das wird hier auch öffentlich oder halböffentlich von denen gesagt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.