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Germanwings-Absturz
Suche nach dem zweiten Flugschreiber

In den französischen Alpen wird die Suche nach dem zweiten Flugschreiber des abgestürzten Germanwings-Airbus fortgesetzt. Knapp 50 Spezialisten wurden mit Helikoptern am Morgen zur Absturzstelle gebracht, andere versuchen, sich einen Weg am Boden durch die Bergwelt zu bahnen.

Von Ursula Welter | 27.03.2015
    Einsatzkräfte an der Unglücksstelle nahe der Stadt Seyne.
    Einsatzkräfte an der Unglücksstelle nahe der Stadt Seyne. (AFP / Denis Bois / Gripmedia)
    Im Fernsehsender iTele wurde der französische Premierminister heute früh gefragt, ob ein terroristischer Akt als Ursache nun also ausgeschlossen werden könne.
    "Prinzipiell kann keine Spur ausgeschlossen werden", antwortete Manuel Valls , "wir schulden, die Justiz schuldet den Familien und Angehörigen die Wahrheit und deshalb muss das Ende der Ermittlungen abgewartet werden. Wenn auch der Staatsanwalt gestern eine Vielzahl von Elementen genannt hat, die uns vermuten lassen, dass eine verrückte, schreckliche, unvorstellbare Geste die Ursache des Absturzes ist."
    Es sei jetzt in erster Linie Sache der deutschen Ermittler und der Lufthansa, alle Elemente über den Weg und das Profil des Piloten vorzulegen. Die Behörde BEA, die den Stimmrekorder zur Analyse vom Staatsanwalt erhalten hatte, war am Mittwochabend mit dem Hinweis an die Öffentlichkeit gegangen, es könne noch nichts über den Inhalt der Tonbänder gesagt werden. Der zuständige Staatsanwalt von Marseille hatte dann erst in der Nacht und im Laufe des frühen Morgens Details der Auswertung erhalten – "nach seinem Geschmack ein wenig verspätet", hatte Brice Robin gestern gesagt. Als der Staatsanwalt die Details erfuhr, hatte es erste präzise Spekulationen bereits in der amerikanischen und der französischen Presse gegeben.
    Die Gewerkschaft der französischen Linienfluggesellschaften reichte heute Klage wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses ein. Im Fernsehsender BfmTV sagte der Präsident der Gewerkschaft, Eric Derivry, man sei schockiert gewesen, als in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Details aus den laufenden Untersuchungen und Ermittlungen an die Öffentlichkeit gedrungen seien. Es habe undichte Stellen gegeben, obwohl Vertraulichkeit herrsche. Die französische Luftuntersuchungsbehörde BEA müsse einer Reform unterzogen werden, mit Blick auf die politische Unabhängigkeit, die die Gewerkschaft nicht hinreichend gewährleistet sieht, mit Blick auf die Finanzierung und mit Blick auf die Tatsache, dass Piloten nicht angemessen in die Aufklärungsarbeit eingebunden seien.
    Suche nach zweitem Flugschreiber
    In den Südalpen wird unterdessen weiter nach dem zweiten Flugschreiber gesucht, der mit technischen Hinweisen die Auswertung des Stimmrekorders und die Interpretationen der Ermittler ergänzen könnte. Knapp 50 Spezialisten wurden mit Helikoptern am Morgen zur Absturzstelle gebracht, andere versuchen, einen Weg am Boden durch die Bergwelt zu bahnen, die Arbeiten gestalten sich jeweils schwierig und werden Zeit in Anspruch nehmen.
    Die Bergung der sterblichen Überreste hatte am Mittwochnachmittag begonnen, ebenso die DNA-Auswertung zu Identifizierung der Opfer. "Es wird Wochen dauern, bis wir alle Opfer in ihre Heimat zurückbringen können, alle Elemente zusammengetragen haben, die es für die Ermittlungen braucht, es braucht Zeit, das wird lange dauern."
    Sagte Pierre-Henry Brandet, der Sprecher des französischen Innenministeriums. Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Seyne-les-Alpes, Francis Hermitte, schilderte heute Vormittag die Abläufe der vergangenen Stunden in den Dörfern rund um die Absturzstelle:
    "Mehr als 250 Angehörige haben sich auf den schmerzhaften Weg gemacht, der sie zunächst nach Vernet, und dann hierher nach Seyne-les-Alpes geführt hat."
    An einer eigens errichteten Stehle legten die Familien Blumen, Fotos ihrer Angehörigen ab,
    stellten Kerzen auf . Etwa 20 Angehörige verbrachten auch die Nacht im Tal, sie fanden Unterkunft
    in einem Ferienheim, das hergerichtet wurde oder bei Privatpersonen, die Übernachtungsmöglichkeiten angeboten hatten. Die Familien hatten gestern Mittag als erste von den Auswertungen des Stimmrekorders erfahren, der Staatsanwalt von Marseille hatte die aus Düsseldorf und Barcelona angereisten Angehörigen noch am Flughafen informiert über die Indizien, aus denen die Ermittler den Schluss ziehen, dass der Copilot den Absturz willentlich provoziert haben könnte.
    "Diese Mitteilungen waren ein zusätzlicher Schock, sie haben hier in einem intimen Bereich, zurückgezogen, mit Psychologen darüber sprechen können, die sie in dieser neuerlichen Prüfung unterstützt haben",
    schilderte Severine Porgis im französischen Fernsehen. Sie gehört für das Rote Kreuz zu den zahlreichen Helfern, die den Angehörigen der Opfer in den Südalpen zur Seite stehen.