Mittwoch, 17. April 2024

Archiv

Germanwings-Absturz
"Transparent aufklären"

Die Ursache für den Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich muss schnellstmöglich aufgeklärt werden, sagte der SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol im DLF. Auch der Verkehrsausschuss des Bundestages werde sich damit beschäftigen und über Konsequenzen daraus beraten.

Sören Bartol im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 25.03.2015
    Sören Bartol, Verkehrsexperte der SPD im Bundestag.
    Die Sicherheitsstandards bei der Lufthansa seien sehr hoch, sagte Sören Bartol. (picture alliance / dpa / Tim Brakemeier)
    Tobias Armbrüster: In Frankreich haben Bergungsmannschaften und Luftfahrtexperten derzeit eine Menge zu tun. Die Untersuchung des Absturzes gestern Mittag in den französischen Alpen, sie läuft auf Hochtouren. Nach wie vor wird natürlich viel spekuliert. Am Telefon ist jetzt Sören Bartol, Fraktionsvize der SPD im Deutschen Bundestag und der Verkehrsexperte im Fraktionsvorstand seiner Partei. Schönen guten Morgen, Herr Bartol.
    Sören Bartol: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Bartol, was ist Ihnen gestern durch den Kopf gegangen, als die Meldung am Mittag kam, Germanwings-Flugzeug in Südfrankreich abgestürzt, 150 Menschen an Bord?
    Bartol: Ich glaube, uns ist nichts anderes durch den Kopf gegangen als jedem in Deutschland. Es waren furchtbare Nachrichten, furchtbare Bilder und wir haben mehr oder weniger im ganzen politischen Betrieb innegehalten und einfach überlegt, wie geht es den Angehörigen, was bedeutet das. Das sind alles furchtbare Bilder und es ist eigentlich immer noch nicht fassbar, dass so ein furchtbares Unglück passieren konnte, und ich glaube, wir müssen jetzt alles erst mal dafür tun, dass denjenigen, die in Trauer sind, die Menschen verloren haben, auch geholfen wird, vor allen Dingen auch unbürokratisch geholfen wird, und dass wir dann vor allen Dingen uns daran machen, die wirkliche Absturzursache herauszufinden.
    "Ein ganz einschneidender Tag für die deutsche Luftfahrt"
    Armbrüster: Das Auswärtige Amt hat einen Krisenstab eingerichtet. Was kann der jetzt tun?
    Bartol: Der Krisenstab ist ja vor allen Dingen dafür da, Informationen zu koordinieren. In Frankreich sind sehr viele Rettungskräfte dabei, Stück für Stück sich einen Überblick zu verschaffen, zu gucken, auch mit den Experten, die von uns ja auch geschickt wurden, mit französischen und spanischen Experten zusammen, ist das Flugzeug zum Beispiel in der Luft auseinandergebrochen oder in einem Stück sozusagen in den Bergen zerschellt. Das sind alles Dinge, das ist wie ein großes Puzzle, was zusammengesetzt werden muss, um nach und nach wirklich auch die Ursache herauszubekommen, und diese Informationen laufen dort zusammen. Es gibt natürlich auch die Krisentelefone für Angehörige, für Freunde, und das sind alles ganz wichtige Aufgaben, glaube ich, damit auch den Menschen geholfen werden kann.
    Armbrüster: Was sind denn für Sie die großen Fragen bei diesem Unglück?
    Bartol: Ich glaube, die große Frage ist, wie konnte so ein Unglück passieren. Wir alle wissen, dass Fliegen eigentlich eine sehr sichere Fortbewegungsart ist, und wir alle wissen auch, dass natürlich bei Lufthansa, auch Germanwings, überhaupt in Europa ein sehr hohes Sicherheitsniveau herrscht. Es wird regelmäßig gewartet. Und trotzdem haben wir gestern diese Bilder gesehen und trotzdem ist es zu diesem Unglück gekommen, und ich glaube, deswegen müssen wir das jetzt rausfinden, falls irgendetwas zum Beispiel technisch nicht in Ordnung war, oder irgendwelche anderen Dinge nicht in Ordnung waren, dass man die Wiederholung eines solchen Vorfalls vermeiden kann.
    Armbrüster: Wie bedeutend ist denn dieser Absturz für die deutsche Luftfahrt?
    Bartol: Das ist ein ganz einschneidender Tag für die deutsche Luftfahrt. Sie wissen, dass nicht viele deutsche Flugzeuge bis jetzt abgestürzt sind, und deswegen ist das natürlich für die Lufthansa und für die Germanwings auch ein furchtbarer Tag, ein Flugzeug zu verlieren mit so vielen Menschen an Bord. Wir müssen auch an die Crew denken, da sind Kolleginnen und Kollegen, die plötzlich nicht mehr da sind. Das sind die Fragen, wenn man dann in das Flugzeug einsteigt. Es fliegen ja jede Stunde, jede Minute weitere Flugzeuge. Da sind natürlich auch Fragen, kann mir das auch passieren, und deswegen ist es wichtig, diese Fragen schnell zu beantworten.
    "Die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern klappt hervorragend"
    Armbrüster: Könnte die deutsche Luftfahrt, auch die deutsche Luftfahrtindustrie, ein Konzern wie die Lufthansa langfristig unter einem solchen Unglück leiden, Schaden nehmen?
    Bartol: Ich hoffe nicht. Wichtig ist, dass die Lufthansa, die Germanwings, die Behörden, alle, die jetzt damit was zu tun haben, umfassend aufklären, transparent aufklären. Das geschieht doch im Moment auch. Alle Informationen, die da sind, werden gesammelt, werden bewertet, werden auch weitergegeben. Da muss alles auf den Tisch am Ende. Wir werden uns im Deutschen Bundestag auch mit diesem Unglück beschäftigen. Auch der Verkehrsausschuss bekommt heute von Verkehrsminister Dobrindt einen ersten Überblick. Und wir werden sicherlich noch die eine oder andere Sitzung darüber reden müssen, weil es natürlich auch darum geht, welche Konsequenzen müssen wir ziehen.
    Armbrüster: Gibt es Konsequenzen, die Ihnen bereits durch den Kopf gehen?
    Bartol: Nein. Es ist jetzt viel zu früh für irgendwelche Spekulationen. Ich finde, das verbietet sich auch im Moment, weil im Moment geht es darum, diese Informationen, die da sind, einzuordnen und auch auszuwerten. Sie haben den Sprachrecorder gefunden. Ich glaube, die Black Box, die ist noch nicht gefunden, wird gesucht. Wir wissen, dass es einen Sinkflug gegeben hat, und das sind ja alles Indizien. Da muss man gucken, wie hängen die zusammen und was ist am Ende wirklich passiert. Man kann im Moment auch nichts ausschließen, aber man kann im Moment auch nicht so tun, als ob man schon wüsste, was passiert ist.
    Armbrüster: Herr Bartol, schon gestern, Sie haben es gesagt, ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt an die Unglücksstelle gereist. Wir haben ihn schon am Anfang dieser Stunde in einem kleinen Auszug gehört. Gestern war er dort zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Heute macht sich auch Angela Merkel auf den Weg dorthin, gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Was können Politiker an so einer Unglücksstelle, an so einem Unglücksort bewirken?
    Bartol: Sie bewirken gar nichts an einem Unglücksort, aber sie können dort hinfahren, unsere gemeinsame Anteilnahme ausdrücken. Sie können vor allen Dingen dort gucken, ob alles getan wird, was getan werden muss. Wir haben ja selber Experten dort hingeschickt und Minister Dobrindt hat sich auch mit diesen Experten vor Ort getroffen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern klappt hervorragend. Sie können sich vor allen Dingen auch bedanken bei den vielen Rettungskräften von französischer Seite, die im extrem schwierigen Terrain unterwegs sind, teilweise bei fünf Grad und Regen dort übernachten, kampieren, die die Unfallstelle abschirmen. Und ich glaube, es ist gut, dass unsere Bundeskanzlerin, aber auch der Außenminister und der Bundesverkehrsminister und auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin dort hinreisen, um auch ein Zeichen der Anteilnahme zu setzen, dass wir dort niemanden alleine lassen. Sie wissen, es sind auch Angehörige vor Ort. Ich denke, da ist es gut, auch Gespräche zu führen. Das ist das, was Politiker dort auch bewirken können.
    "Ich finde diese Spekulationen im Moment unverantwortlich"
    Armbrüster: Nun sind, Sie haben es erwähnt, deutsche Techniker und Ingenieure gleich gestern auch an die Unglücksstelle geflogen. Ist so etwas eigentlich völlig normal, dass sich da Deutsche gleich mit einbringen, auch in einem Nachbarland, oder liegt das an den guten deutsch-französischen Beziehungen?
    Bartol: Nein, das ist völlig normal, dass das Land auch Experten schickt, wo die Maschine registriert ist. Auch Spanien hat ja Ermittler geschickt. Auch Airbus, also der Flugzeughersteller, ist mit eigenen Leuten dort. Auch die Lufthansa hat Experten geschickt. Das ist ganz, ganz wichtig, dass diese verschiedenen Experten so zusammenarbeiten, dass am Ende auch wirklich jedes kleinste Detail erkannt wird, und das ist ja eine ganz, ganz schwierige Aufgabe, weil es in so schwierigem Gebiet liegt, weil die Trümmerteile so weit verstreut liegen. Und die Bilder, die wir alle gesehen haben, man sieht ja kein einziges großes Stück, das ist schon wirklich furchtbar und da ist dann sehr viel Arbeit nötig, um wirklich am Ende rauszufinden, was passiert ist.
    Armbrüster: Dieser Airbus A320 war ein Flugzeug der Germanwings, einer Tochter der Deutschen Lufthansa. Germanwings, eine Billigflug-Gesellschaft, eine Billigflug-Linie. Müssen wir uns in Europa nach diesem Unglück langsam Gedanken machen über die weitere Ausbreitung dieser Billiglinien im Luftverkehr?
    Bartol: Ich finde diese Spekulationen im Moment unverantwortlich. Es ist im Moment so: Die Germanwings-Maschinen werden genauso gewartet wie Lufthansa-Maschinen. Sie werden auch von Lufthansa-Technikern in Zentren gewartet. Die Maschine hatte, glaube ich, den letzten großen Check gehabt in 2013. Ich glaube, solche Spekulationen, jetzt zu sagen, alle Billigflieger sind unsicher, wenn man sich die Unglücke anschaut, dann kann man das auch nicht nachvollziehen. Das ist einfach so auch nicht richtig. Die vielen Menschen, die gezwungenermaßen oder freiwillig, weil sie jetzt in Urlaub fliegen, in Maschinen einsteigen, haben sicherlich schon genug mulmiges Gefühl im Moment, und ich finde, wir sollten durch wilde Spekulationen und durch Fakten, die im Moment nicht vorhanden sind, das nicht noch zusätzlich anheizen.
    "In Europa extrem strenge Sicherheitsstandards"
    Armbrüster: Das heißt, wir können volles Vertrauen haben auch in solche Gesellschaften?
    Bartol: Sie wissen, dass immer etwas passieren kann. Das ist ja genau das, was uns der gestrige Tag gezeigt hat. Es gibt leider, egal ob Sie in das Auto steigen, in Züge steigen, in ein Flugzeug oder mit einem Schiff fahren, es gibt leider nie die absolute Sicherheit, die wir uns alle wünschen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man versucht, alles Menschenmögliche zu tun, um Sicherheit zu gewährleisten. Ich glaube, in Europa haben wir da extrem strenge Sicherheitsstandards und auch die Lufthansa, auch Germanwings haben strenge Standards, und deswegen ist es jetzt wichtig, zu gucken, war es ein technischer Defekt, gab es andere Probleme, um das in Zukunft an dieser Stelle, wenn es ein spezielles Problem gab, dann auch auszuschließen. Das ist das, was wir jetzt tun können. Alles andere ist Spekulation.
    Armbrüster: Live hier bei uns in den "Informationen am Morgen" war das Sören Bartol, der SPD-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag und Verkehrsexperte seiner Partei. Haben Sie vielen Dank, Herr Bartol, für Ihre Zeit und für das Gespräch heute Morgen.
    Bartol: Auf Wiedersehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Twitter:
    Jetzt im #DLF: @spdbt-Verkehrsexperte @soerenbartol zur Pkw-Maut und den Absturz von Flug #4U9525: http://srv.deutschlandradio.de/themes/dradio/script/aod/index.html?audioMode=2&audioID=4
    Keine Kachel