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Geruchssinn der Blutsauger
Bettwanzen stehen auf Schmutzwäsche

Der Körpergeruch in getragenen Kleidungsstücken sei für Bettwanzen unwiderstehlich, erläutert William Hentley von der Universität Sheffield im Dlf. Davon angezogen verließen sie sogar am Tag ihre Verstecke im Bettgestell.

William Hentley im Gespräch mit Arndt Reuning | 28.09.2017
    Eine Bettwanze beim Blutsaugen auf menschlicher Haut, veröffentlicht von der Harvard Universität (Foto undatiert).
    Eine Bettwanze beim Blutsaugen auf menschlicher Haut, veröffentlicht von der Harvard Universität (Foto undatiert) (Piotr Naskrecki/CDC/Harvard University)
    Arndt Reuning: Bettwanzen sind nur wenige Millimeter groß, sie haben sechs winzige Beinchen und verbringen sie meiste Zeit damit, sich in den Ritzen und Spalten des Bettgestells zu verstecken. Und doch ist es ihnen gelungen, sich von Stadt zu Stadt und von Land zu Land zu verbreiten – und zwar als blinde Passagiere im Gepäck von Reisenden. Warum das auf sie so anziehend wirkt, das wollten Forscher der Universität von Sheffield ganz genau wissen, und heute berichten sie davon im Fachmagazin "Scientific Reports". Mit dem Hauptautor habe ich vor der Sendung telefoniert, mit Dr. William Hentley. Er hat mir erklärt,, worum es bei seiner Studie geht.
    William Hentley: Bettwanzen sind schon seit langer Zeit unsere Bettgenossen. Sie waren es wahrscheinlich schon, als wir noch in Höhlen lebten. Was uns interessiert: Wie schaffen es diese Insekten, von einem befallenen Gebäude zum nächsten zu kommen? In den meisten Forschungsarbeiten geht es darum, wie Bettwanzen zu ihren menschlichen Wirten finden. Wir dachten uns aber: Vielleicht liegt das nur am Körpergeruch? Das heißt: Selbst wenn kein Mensch im Zimmer ist, dürften die Wanzen immer noch von einer Tasche mit Schmutzwäsche angezogen werden. Und das haben wir dann tatsächlich ausprobiert in einem großen Zimmer an der Universität von Sheffield.
    Reuning: Und was ist dabei heraus gekommen?
    Hentley: Selbst wenn niemand im Raum war, nur Taschen voller schmutziger Wäsche, dann haben die Bettwanzen ihre Verstecke verlassen. Zum Vergleich haben wir auch eine Tasche mit ungetragener Kleidung hingestellt. Dort waren deutlich weniger Wanzen drin. Aber auf der Schmutzwäsche, auch wenn die auf dem Boden lag, dort haben sie sich angesammelt.
    "Die Bettwanzen reagieren auf Reize"
    Reuning: Das liegt ja aber erst einmal nicht auf der Hand. Eigentlich sollte man doch denken, dass sie auf der Suche nach einem Wirtsorganismus sind, auf der Suche nach einem Menschen, von dem sie Blut saugen können. Da würden sie doch nicht nach einem unbelebten Objekt Ausschau halten, zum Beispiel nach einem Paar Hosen.
    Hentley: Ja, aber Insekten denken nun mal nicht wie wir Menschen. So nach dem Motto: Ich bin hungrig. Ich gehe mal los und schaue, ob ich was zu essen finde. Die Bettwanzen reagieren auf Reize. Das kann erst einmal ein Hungergefühl sein, aber dann kommt noch mehr hinzu: Sie nehmen Kohlendioxid aus dem menschlichen Atem wahr oder den Geruch von Menschen. Dann bewegen sie sich durchs Zimmer und suchen einen Wirt. Und wenn sie keinen Menschen finden, geben sie sich mit dem Zweitbesten zufrieden, also mit den flüchtigen Duftstoffen auf der Schmutzwäsche.
    Reuning: Wissen Sie denn schon ganz genau, welche chemische Substanz aus dem Körpergeruch, aus den Kleidungsstücken, die Wanzen anzieht?
    Hentley: Danach suchen im Moment viele Forschungsgruppen. Das ist schon so etwas wie der Heilige Gral der Bettwanzen-Forschung. Denn wenn man den Auslöser genau kennt, kann man wirksame Fallen bauen. Der menschliche Körpergeruch ist sehr komplex. Er setzt sich aus vielen Einzelverbindungen zusammen. Das ist nicht so leicht, die richtige zu isolieren.
    "Gepäck im Hotelzimmer so hinstellen, dass die Bettwanzen nicht rankommen"
    Reuning: Sie haben bereits das Kohlendioxid erwähnt. Von Stechmücken weiß man, dass sie sich vor allem am CO2 orientieren, und nicht am Körpergeruch, wenn sie jemanden suchen, den sie stechen können. Wie sieht das bei den Bettwanzen aus?
    Hentley: Man glaubt, Kohlendioxid wirkt für Bettwanzen wie ein Lockstoff. Das leuchtet ja auch irgendwie ein. Denn CO2 ist ein Gas. Das gelangt ohne Probleme in die Ritzen und Ecken des Bettgestells, wo sich die Bettwanzen gerne verstecken. In einem unserer Versuche haben wir die CO2-Konzentration im Raum erhöht, um die Anwesenheit eines Menschen zu simulieren. Das hat dann allerdings nicht dazu geführt, dass sich die Wanzen verstärkt auf der Schmutzwäsche angesammelt hätten. Das Gas hat sie nicht dorthin gelockt. Aber die Wanzen sind häufiger aus ihrem Versteck hervorgekommen, um einen Wirt zu suchen.
    Reuning: Welchen praktischen Tipp leiten Sie nun aus ihren Studien ab?
    Hentley: Wenn ich auf Reisen ginge, würde ich mein Gepäck im Hotelzimmer so hinstellen, dass die Bettwanzen nicht rankommen. Zum Beispiel auf solch ein Metallgestell für die Koffer. Da können die Bettwanzen nicht hochkommen, das ist denen zu glatt. Naja, oder ich würde meinen Koffer in einen großen verschließbaren Beutel stecken.