Freitag, 19. April 2024

Archiv


"Gesamtkunstwerk Guttenberg ist in besonderen Schwierigkeiten"

"Er muss wirklich sich den Vorwürfen stellen", kritisiert Gerhart Rudolf Baum (FDP), ehemaliger Bundesinnenminister, den wegen Plagiatsvorwürfen in die Kritik geratenen Verteidigungsminister. Und er hält einen Rücktritt für den konsequenten Schritt.

Gerhart Rudolf Baum im Gespräch mit Gerd Breker | 18.02.2011
    Gerd Breker: Die Meinung des Medienwissenschaftlers Stefan Weber. Und die hat mitgehört der ehemalige Innenminister Gerhart Rudolf Baum. Guten Tag, Herr Baum.

    Gerhart Rudolf Baum: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Zu Guttenberg will seinen Doktortitel nicht führen, solange wie die Vorwürfe nicht geklärt sind. Kann das ausreichen, politisch?

    Baum: Nein, das kann nicht ausreichen. Er zieht jetzt die Notleine. Er muss in der Sache Stellung nehmen. Er muss wirklich sich den Vorwürfen stellen. Es ist doch vollkommen richtig eben gesagt worden, es geht nicht um die Quantität, sondern es geht hier auch um die Substanz dessen, was er in seiner Doktorarbeit zum Ausdruck bringt. Und jeder Bürger, der in einer solchen Lage wäre, hätte Schwierigkeiten mit seiner Universität und seinem öffentlichen Ansehen.

    Und ein Mann, der der beliebteste, der populärste deutsche Politiker ist, sozusagen das Gesamtkunstwerk Guttenberg, wie Nonnenmacher das nennt, ist in besonderen Schwierigkeiten. Er hat Vorbildcharakter, er hat Glaubwürdigkeitsprobleme. Politik lebt von der Glaubwürdigkeit. Also ich gehöre, Herr Breker, nicht zu denen, die jetzt mit Schadenfreude über Herrn zu Guttenberg herfallen, aber das kann nicht kleingeredet werden. Da macht die "Bildzeitung", wenn Herr Wagner dort schreibt, "macht keinen guten Mann kaputt, scheiß auf den Doktor" - Der gute Mann macht sich selbst kaputt, das ist das Problem.

    Breker: Wäre es denn eine Möglichkeit, wenn er auf seinen Doktortitel ganz verzichten würde? Könnte er dann überhaupt noch in der Politik eine Karriere machen?

    Baum: Der Verzicht ist doch ein gewisses Eingeständnis und er sollte sich jetzt mal zu den Vorwürfen im Einzelnen stellen. Da gibt es aus der CDU Stimmen – das möchte ich auch jetzt genauer beantwortet wissen -, dass er die Arbeit gar nicht selber geschrieben haben soll, dass es einen Ghostwriter gegeben hat. Das wäre natürlich noch eine ganz andere Dimension. Also, ich meine, dass jetzt eine Klärung erfolgen muss und dass er sehen muss, dass das, was ihn ausmacht in den Augen der Bevölkerung, also Ehrlichkeit, Leistung, dass das infrage steht.

    Er hat sich mit fremden Leistungen, mit fremden Federn geschmückt. Das ist wirklich für einen Politiker ein Problem. Und Frau Merkel hat ihn einbestellt, wir alle haben das erlebt, vor aller Augen öffentlich, und hat nichts dazu gesagt. Aus gutem Grund hat sie keinen Kommentar abgegeben. Also, hier ist die Glaubwürdigkeit eines Politikers, eines herausragenden Politikers infrage gestellt, der ja mit seinen Untergebenen in ähnlichen Fällen sehr unnachsichtig umgegangen ist, denken Sie nur an die Behandlung des Kapitäns von Gorch Fock.

    Breker: Ja. Den Kommandant der Gorch Fock hat er abgesetzt zu dessen Schutz. Fehlt jetzt jemand, der zu Guttenberg absetzt zu dessen Schutz?

    Baum: Das ist natürlich die Frage, wie er sich jetzt in seinem Ansehen letztlich retten kann. Indem er nur auf den Doktortitel verzichtet und alles jetzt der Untersuchung der Universität überlässt, dabei kann es wirklich nicht bleiben. Er sollte sich jetzt offensiv zu diesen Vorwürfen stellen, und wenn es so ist – und vieles spricht ja dafür -, dass auch in der Bewertung, also in den Bewertungsteilen der Arbeit, dass die mit fremden Federn sozusagen geschrieben sind, dann muss er sich fragen, ob er das noch verantworten kann vor der Öffentlichkeit, ein so verantwortungsvolles Amt zu führen.

    Breker: Sprich ein Rücktritt, um seine eigene Würde zu bewahren?

    Baum: Das kann durchaus in Betracht kommen. Und wenn der Mann wirklich diese Tugenden hat, die ihm ja zugesprochen werden, wäre das eigentlich konsequent.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der ehemalige Innenminister, Gerhart Rudolf Baum. Herr Baum, ich danke Ihnen sehr für diese Einschätzungen.