Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Geschenk für den Präsidenten

Am 2. August 1951 wurde die Schonerbrigg "Wilhelm Pieck" in Dienst gestellt. Seitdem wurden auf dem Schiff mehr als 7000 Matrosen ausgebildet - bis zum Ende der DDR. Mehr als 120.000 Seemeilen legte die "Wilhelm Pieck" zurück, die meisten davon auf der Ostsee.

Von Thomas Klug | 02.08.2006
    "Mit der Verleihung der Artur-Becker-Medaille in Gold würdigte der FDJ-Zentralrat am Sonnabend die hervorragenden Verdienste des Bordkollektivs des Segelschulschiffs "Wilhelm Pieck" bei der maritimen Ausbildung künftiger Seeoffiziere der Volksmarine, Handelsschifffahrt und Hochseefischerei der DDR."

    So meldete es die DDR-Nachrichtenagentur ADN im gewohnten Jubel-Tonfall. Die DDR und ihr Segelschulschiff: 41 Meter lang und 7,70 Meter breit, fast 600 Quadratmeter Segel. 14 Knoten Maximalgeschwindigkeit mit Segeln, also etwa 25 Kilometer pro Stunde. Eine Radioreportage gab Einblick in das harmonische Leben an Bord:

    "Ich muss auch sagen, dass es für mich etwas völlig Neues war, hier unter Bordbedingungen, die Ausbildung ganz normal, also ganz normal kann man eigentlich nicht sagen, aber doch im Rahmen des Programms unserer Ausbildung fortzusetzen."

    Da war das Schiff schon 30 Jahre alt. Entworfen wurde es quasi über Nacht. Im Großen ist es wie im Kleinen. Die Feier steht an. Doch das Geschenk für den Jubilar fehlt. Alle anderen haben natürlich die Geschenke schon besorgt. Der Jubilar ist Wilhelm Pieck, erster und einziger Präsident der DDR. Zu seinem 75. Geburtstag soll er aus allen Teilen des Landes Geschenke erhalten: Die Sachsen wollen einen Röntgenzug schenken, der dem Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt werden soll. Und die Mecklenburger haben noch nicht einmal eine Idee.

    Aber der zweite SED-Landesvorsitzende Karl Mewis ist ehrgeizig: Eine Staatsyacht für den Präsidenten - eine verwegene Idee, besonders wenn das Kriegsende erst fünf Jahre zurückliegt und es im Lande so ziemlich an allem fehlt: an Geld, an Material und auch an Fachkräften. Der Beschluss zum Bau der Yacht wird am 29. Dezember 1950 veröffentlicht, fünf Tage vor Piecks Geburtstag.

    Statt der fertigen Yacht erhält der Präsident aber immerhin die Konstruktionszeichnungen der Schonerbrigg. Nur: Der Jubilar selbst will das Geschenk nicht. Er brauche keine Yacht, um als 75-Jähriger auf der Ostsee herumzugondeln, soll Wilhelm Pieck gesagt haben.

    Ein Schulschiff aber könne die neu gegründete DDR sehr wohl gebrauchen, war doch eine eigene Handelsflotte im Aufbau: die Fischfangflotte und natürlich die Seepolizei. Das Geschenk des Landes Mecklenburg-Vorpommern an den DDR-Präsidenten war willkommen - für die Ausbildung von Volksmarineoffizieren:

    "Ich als zukünftiger Offizier der Volksmarine sehe gerade ein Ziel meiner Tätigkeit darin, der Welt zu zeigen, dass es auch ein anderes Deutschland gibt. Dass es ein Deutschland gibt, wo eben solche Sachen nicht passieren können. Und nicht passieren dürfen, weil es Menschen gibt, die aus der Vergangenheit Lehren gezogen haben und auch zu diesen Lehren stehen. Und sich mit ihrer ganzen Kraft dafür einsetzen, dass der Frieden als das, man kann schon sagen, das höchste Gut, das die Menschheit wirklich besitzt, erhalten bleibt. Und dazu möchte auch ich meinen Beitrag leisten."

    Der Bau des Schiffes ging nach anfänglichen Schwierigkeiten schnell voran. Immerhin, es war der erste Schiffsneubau auf der Warnow-Werft nach dem Krieg, und die einzige deutsche Schonerbrigg. Am 2. August 1951 nahm die "Wilhelm Pieck" ihren Dienst auf. Drei Jahre später wurde sie an die "Gesellschaft für Sport und Technik", der vormilitärischen Jugendorganisation der DDR, übergeben.

    Der neue Heimathafen der Schonerbrigg wurde Greifswald. Über 120.000 Seemeilen legte die "Wilhelm Pieck" zurück, die meisten davon auf der Ostsee. Die längste Reise führte sie schon 1957 durch den Nord-Ostseekanal und den Ärmelkanal bis nach Odessa, Varna und Gibraltar.

    "Die "Wilhelm Pieck" war zu Gast im polnischen Gydina und im sowjetischen Tallin. Es gab Stadtbesichtigungen, Einkaufsbummel und Freundschaftstreffen mit polnischen und sowjetischen Marineoffiziersschülern."

    Nach der Wende wollte die Treuhandanstalt die "Wilhelm Pieck" an private Interessenten verkaufen. Das löste Unmut in Mecklenburg-Vorpommern aus, war doch das Schiff einmal ein Geschenk des Landes an den DDR-Präsidenten. Schließlich kaufte die Hansestadt Greifswald die Schonerbrigg. Die "Wilhelm Pieck" wurde in "Greif" umbenannt und umgebaut. Jeder kann sie zum Segeln mieten, oder auf dem Schiff eine Ausbildung zum Sportbootführer absolvieren.