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Geschichte aktuell:

Die SS Brasil fährt regelmäßig auf der Überseelinie Cannes - New York. Mit an Bord am 10. Mai 1950: 350 deutsche Studenten, Professoren, Schüler und Lehrer. Sie können ein ganzes Jahr lang an Colleges und Universitäten in den USA verbringen, finanziert durch Dollar des amerikanischen Staatshaushalts, der Kirchen und von amerikanischen Privatleuten.

Henning Hübert | 21.08.2001
    Die eigene Anschauung, der direkte Kontakt mit den Gastgebern wird ihr eigenes Amerika- und Menschenbild entscheidend geprägt haben, wenn sie im Verlauf des Jahres 1951 nach Deutschland zurückkehren. Statt der im deutschen Geistesleben bis dahin tief verankerten grundsätzlichen Distanz zum atlantischen Westen und der Vorstellung eines geschichtlichen Sonderwegs nun eine völlig neue Erfahrung: Die jungen Leute erleben in ihrem Austauschjahr freundliche und unkomplizierte Gastgeber. Der vormalige Kriegsgegner und Besatzer lädt an seine Hochschulen ein.

    Mit auf der SS Brazil fährt Konrad Kadzik, Jahrgang 24, Student an der Freien Universität Berlin und aktiv in der dortigen Katholischen Studentengemeinde. Er nutzt die Chance, die Neue Welt zu entdecken:

    Das habe ich natürlich gerne getan, denn nach der Berliner Blockade und der Nachkriegszeit war es ja für uns nach der Vorstellung ein Land, wo Milch und Honig fließt. Und mit diesen Wunsch- oder Idealvorstellungen sind wir auch nach Amerika voller Erwartungen auf das Schiff gestiegen.

    Für die fast zweieinhalb Tausend deutschen Austausch-Studenten des Studienjahres 1950/51 stellt der US-Kongress knapp 7 Millionen Dollar bereit. Über 10.000 kommen so, ausgestattet mit Stipendien aus dem US-Haushalt, bis 1955 nach Amerika.

    Nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus ist der Studentenaustausch Teil eines einzigartigen, mit hohem moralischen Anspruch gestarteten Erziehungsexperiments der Amerikaner mit den Westdeutschen: Der Re-Education, was Umerziehung oder auch Wiedererziehung zur Demokratie bedeutet:

    Bei der Durchführung eines so umfangreichen Programms besteht die Gefahr, dass unsere Motive missverstanden werden.

    John McCloy, der US-Hochkommissar in Deutschland, am 9. August 1950 bei der Verabschiedung der großen Gruppe von 350 Austauschstudenten in Frankfurt am Main, die an Bord der SS Brazil gehen wird.

    Im Flüsterton werden Gerüchte verbreitet, dass unsere Bestrebungen ein groß angelegtes Propagandasystem seien, ein Versuch, die deutschen Besucher zu 'amerikanisieren' und ein Versuch, amerikanische Gewohnheiten und Einrichtungen nach Deutschland zu verpflanzen. Das ist natürlich Unsinn. Es ist natürlich richtig, dass wir hoffen, durch diesen Austausch von Menschen eine bessere Verständigung zwischen unseren Ländern herbeizuführen.

    Die Rechnung geht auf. Nach zwei Wochen auf dem Schiff endlich in New York, kommen die deutschen Schüler und Studenten - auf 48 verschiedene Bundesstaaten verteilt - sofort in Kontakt mit Amerikanern. Es beginnt für die Deutschen die direkteste und wohl auch nachhaltigste Variante des für die westdeutsche Nachkriegsphase so charakteristischen Kulturtransfers, der mit dem Begriff Amerikanisierung benannt wird. Wie für Konrad Kadzik, der an der Universität in Milliwauke / Wisconsin seine American studies aufnimmt:

    Ja ich glaube es war der American way of life, der uns fasziniert hat. Eine ganz andere Sicht der Dinge und eine Freizügigkeit, was alles bei uns - aus der Not geboren - nicht vorhanden war: Dass man dort bei jedem eingeladen wurde, übernachten konnte, ein Zimmer hatte. Das gab's bei uns nach dem Krieg gar nicht, wir hatten ja nicht mal die Möglichkeit, einen Gast unterzubringen. Und das wurde drüben so freizügig gehandhabt, dass wir also völlig erschlagen waren von der Gastfreundschaft der Amerikaner, von diesem American way of life.

    Das Ansehen Deutschlands gilt es zu heben, und da sind die jungen Wissbegierigen ein ideales Aushängeschild. Der US-Hochkommissar McCloy wirbt vor der Austauschgruppe für das Bild Amerikas, das auch mit dem "melting pot of nations" beschrieben worden ist: für die Überzeugung, durch Lernen von anderen Nationen und der Verschmelzung ihrer Neuerungen mit den eigenen Errungenschaften voranzukommen.

    Internationale Verständigung ist immer ein wesentlicher Faktor für den Weltfrieden. Ich hoffe, dass sie alle diese Reise in dem Bewusstsein antreten, dass unsere Absichten so sind, wie wir sie zum Ausdruck gebracht haben. Wenn Sie sich dessen nicht bewusst sind, befürchte ich, dass Sie und Ihr Land keinerlei Nutzen aus diesem Besuch ziehen werden. Durch das kulturelle Austauschprogramm hoffen wir, Deutschlands Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der freien Nationen zu beschleunigen.

    Damit greift der Hochkommissar eine Forderung der US-amerikanischen Deutschlandpolitik auf, die schon im September 1946 formuliert wurde. Eineinhalb Jahre nach der Kapitulation spricht der damalige US-Außenminister James Francis Byrnes in Stuttgart vor den Spitzenpolitikern der Länder und kündigt die Neuausrichtung der Deutschland-Politik der USA an:

    Die Amerikaner möchten den Deutschen die Regierung Deutschlands zurückgeben. Die Amerikaner möchten den Deutschen helfen, ihren Weg auf einen ehrenvollen Platz unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt zurückzufinden.

    Erstmals nach Kriegsende sprach damit im September 1946 ein westlicher Politiker das Ziel aus, die Deutschen wieder als Mitglied in die demokratische Staatengemeinschaft aufzunehmen. Dazu erscheint es den Besatzungsmächten nötig, eine umfassende Demokratisierung der Bevölkerung durchzuführen. Dieser Begriff taucht schon im Potsdamer Abkommen vom August 1945 auf, doch sind in dem Abkommen die Bestimmungen so allgemein gehalten, dass jede der Siegermächte weiten Spielraum für eine eigene Demokratisierungspolitik in ihrer Besatzungszone hat.

    In den westlichen Zonen setzen die Alliierten auf die Re-Education - ein Begriff aus der amerikanischen Erziehungswissenschaft. Sie sehen dabei sehr wohl die Gefahr, dass die Re-Education, die Umerziehung zur Demokratie, als Zwangsmaßnahme empfunden werden kann. Man befindet sich kurz nach Kriegsende in dem Dilemma, dass zur Erziehung zu Freiheit und Demokratie zunächst Zwang und Zensur notwendig scheinen. So stellt die britische Militärregierung 1946 fest:

    Wir stimmen alle überein, dass 'Re-Education' einer der Hauptzwecke unserer Besatzung ist. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass es kein Wort gibt, dass die Deutschen so sehr verabscheuen wie dieses.

    Deshalb wird Ende der 40er Jahren der Begriff Re-Education ersetzt - durch das unverfänglichere Reorientation. Auch bei den dann anlaufenden Studien-Austauschprogrammen wird das Wort Re-Education möglichst vermieden.

    Neben dem weiten Bereich des kulturellen Lebens, in Theatern, Verlagen, Rundfunk und Presse findet die Umerziehung zur Demokratie natürlich vor allem im Bildungswesen statt. Dort sind neue Schulbücher, neue Lehrer und neue Unterrichtsmodelle gefragt. So fordern die Amerikaner unter dem Motto "gleiche Bildungschancen für alle" unter anderem die Einführung der Gesamtschule. Dieses Ansinnen trifft besonders in konservativen Kreisen der Bevölkerung auf heftigen Widerstand, und wird daraufhin von den Amerikanern wieder fallen gelassen. Ein Beispiel für die Flexibilität der Besatzer bei ihrem Erziehungsexperiment mit einem ganzen Volk. Für Norbert Frei, Geschichts-Professor an der Ruhr-Uni Bochum zeigt es, wie schnell sich die Alliierten auf die Gefühlslage der Deutschen einstellten:

    Es ist schon sehr früh erkennbar, dass dieses Re-Education-Projekt nicht etwa im Sinne einer ideologischen Formierung gedacht ist. Sondern als ein Angebot, dass man an die Gruppen heranzutragen hofft, die man eben nicht durch und durch nazifiziert glaubt.

    Besonders vielversprechend erscheint die Bildung und Erziehung der Jugend, wenn sie nur nicht belehrend, sondern spielerisch, wie selbstverständlich, vermittelt wird. Konrad Kadzik trifft sich als junger katholischer Diözesangruppenleiter schon bald nach 1945 regelmäßig mit den Amerikanern, in einer Westberliner Begegnungsstätte:

    Die Jugendleiterschule nannte sich Wannseeheim und war von den Amerikanern mit deutschen Stellen zusammen gegründet worden. Um Jugendleiter zu bilden und zu formen nach demokratischen Vorbildern. Wir hatten dort Referenten aus allen möglichen Fachgebieten, wir hatten amerikanische Gäste, die uns Volkstanz, amerikanische Sitten und Gebräuche näher brachten, wir feierten Thanksgiving - alles neue Erfahrungen, die wir vorher nicht kannten.

    Der Aufwand der Besatzer ist enorm. Die Kosten explodieren, als neben den Begegnungen in Amerikahäusern und Bibliotheken ab dem Studienjahr 1950/51 auch junge Deutsche in großer Zahl nach Amerika entsandt werden. Für lange Zeit verläuft der personal exchange, der Studienaustausch, - was die Bewerber angeht - eingleisig von Deutschland nach den USA. Deutsche Unis waren schon froh, wenn sie in den Nachkriegsjahren für die deutschen Studenten einen einigermaßen regelmäßigen Lehrbetrieb anbieten konnten. Die Idee des personal exchange liegt für Norbert Frei auf der Linie der ursprünglichen Re-Education-Konzeption, die sich auf absolutes Neuland vorwagte:

    Es gibt so etwas wie ein gewisses Gefühl dafür, dass man mit der aktiven NS-Generation, also mit der eigentlichen Funktionselite und den Generationen, die diese Funktionselite stellen, vermutlich nicht so schrecklich viel wird anfangen können. Da mag es schon genügen, wenn man so weit kommt, dass die sich nicht weiterhin aktiv antidemokratisch betätigen. Aber bei den jungen Leuten hofft man auf mehr. Und das ist das Ziel der Re-Education: die zu begeistern und anzusprechen.

    Als weitaus schwieriger entpuppt sich die Aufgabe, sich an die Älteren anzunähern. Da offensichtliche Belehrung von außen bei den Deutschen überhaupt nicht gefragt ist, machen sich die Alliierten bereits unmittelbar nach Kriegsende auf die Suche nach erfahrenen und angesehenen Deutschen, die als Träger der Re-Education geeignet sind. Ganz oben auf der Wunschliste der Amerikaner steht der Redakteur und frühere Reichstagsabgeordnete Theodor Heuss. Schon in der Weimarer Republik hatte er mit seinem Buch "Hitlers Weg" auf die Gefahren des Nationalsozialismus aufmerksam gemacht. Das erste Nachkriegsamt, das der Bundespräsident von 1949 einnehmen sollte, ist das des Kultusministers im neu gebildeten Land Württemberg-Baden. Aber Heuss bezeichnet sich dort selbst nicht als Kultusminister, sondern immer als Kultminister, weil, Zitat, er "Kultus ohne U.S. betreiben" wolle. Heuss' Lehrstunde zu einer neuen Gesellschaftsform.

    Der Neuaufbau der Demokratie geht unter viel härteren äußeren Bedingungen vor sich. Er hat im kleinen Raum, in der Gemeinde, im Kreis begonnen. Er soll im Land oder in der Provinz erweitert und gefestigt werden. Aber er hat dabei viel fremde Herkünfte in den Einzellandschaften innerlich zu verarbeiten. Die Lösung dieser Aufgabe wird nie erfolgen ohne eine Gesundung Deutschlands. Diese Gesundung aber setzt voraus, dass die Demokratie in Deutschland, das heißt die Herrschaft des Volkes über sein eigenes Schicksal, groß und nicht partikular gedacht wird. Wer darf es heute wagen, der Welt das Bild zu zeigen, dass die Deutschen sich um ihrer Herkunft und Heimat willen befehden und gar beschimpfen!

    Heuss 1946 im Rundfunksender Radio Stuttgart. Solche Aufrufe zur Einigkeit, das ist die Aufgabe der deutschen Nachkriegspolitiker wie Heuss. Kritik an den Alliierten ist in den ersten Jahren selbstverständlich tabu. Bis Mitte 1948 achten westliche Kontrolloffiziere in den Medien auch peinlich genau darauf, dass keinerlei Kritik an der Sowjetunion geübt wird.

    Zwei Jahre später ist jedoch Propaganda normal, erlaubt und erwünscht. Grund für die Neuausrichtung der Geisteshaltung innerhalb der westdeutschen Elite: der durch Währungsreform und Berlinblockade eskalierende Kalte Krieg. Der Appell des West-Berliner Stadtrats Ernst Reuter auf dem Höhepunkt der Blockade September 1948 geht unter die Haut. Spätestens mit den Rosinenbombern werden die Amerikaner im Bewusstsein der Westdeutschen zu Freunden. Reuter, der spätere Berliner Bürgermeister:

    Ihr Völker der Welt, Ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien, schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft, nicht preisgeben könnt! Völker der Welt, schaut auf Berlin, und Volk von Berlin, sei Dir dessen gewiss: Diesen Kampf, den wollen, diesen Kampf, den werden wir gewinnen!

    Erst ab hier, ab 1948 gelingt die Identifikation mit der westlich geprägten Demokratie. Die Fronten zwischen Freund und Feind sind klar abgesteckt, besonders, seit aus dem Kalten Krieg zwischen Ost und West ein heißer geworden war - durch den seit Mai 1950 tobenden Koreakrieg.

    Amerika ist attraktiv für die noch vom Krieg gebeutelten Deutschen, nicht nur für die Dauer eines Studienjahres. In den Jahren 1950 bis 1960 wandern 600.000 Deutsche in die USA aus. Und auch die, die zurückkommen, sind danach durch Amerika geprägt. Konrad Kadzik kehrt im Spätsommer 1951 nach Berlin zurück - und das sogar im Flugzeug:

    Ich muss damals schon und auch heute rückblickend sagen, dass das eine Jahr Studienaufenthalt in Amerika und die Begegnung mit den Amerikanern für mein Leben ein ganz entscheidender Wendepunkt war. Diese Weltoffenheit, diese Großzügigkeit - das dort kennen zu lernen, dass habe ich in mein Leben mit einbezogen, in die Zukunft. Ich habe mich bemüht, das, was ich dort gesehen und gelernt hatte, hier anzuwenden, und das habe ich ja auch durch Gründung einer deutsch-amerikanischen Gesellschaft und viele Aktivitäten vollzogen.

    Zurück in Deutschland, studiert der spätere Banker Konrad Kadzik Geschichte und Amerikanistik, promoviert und gründet in Berlin die Columbus-Gesellschaft, einen Freundeskreis des deutsch-amerikanischen Austausches, in den auch der regierende Bürgermeister Berlins Ernst Reuter eintritt.

    Die nachwachsende Politikergeneration in der jungen Bundesrepublik ist eine besonders interessante Zielgruppe für den personal exchange, für die Austauschprogramme mit Amerika. Als die Austauschstudenten für das Studienjahr 1950/51 durch Hochkommissar McCloy im August 1950 in Frankfurt am Main verabschiedet werden, tritt dabei auch ein gerade 20 Jahre alter Jurastudent auf, um über seine Zeit in Amerika zu berichten - Kurt Biedenkopf - heute Sachsens Ministerpräsident. Als einer der aller ersten kam er nach dem Krieg zum Studieren in die USA, schon 1949.

    Ich bin aus einem zerstörten Land in ein heiles Land gekommen, aus einem in eine tiefe moralische und ethische Katastrophe gestürzten Land in eine heile Welt. Das hat mich ungeheuer beeinflusst. Es war ein presbyterianisches College mit einem wundervollen Präsidenten, der mir sehr geholfen hat. Man war als Deutscher in Amerika 1949 sehr befangen, vor allem in den Regionen der Ostküste, in der eine große Zahl von Emigranten vor den Nazis Schutz gefunden hatte, und eine Region, die genauso unbegreifbar vor den Katastrophen des Nationalsozialismus und des Holocaust stand, wie wir auch. Und dieses Land hat mich in einer Weise aufgenommen, die mich sehr geprägt hat, eigentlich bis heute.

    Biedenkopf ist ein typischer Vertreter für die westdeutsche Politikerelite. Allein im Kabinett von Ex-Kanzler Helmut Schmidt waren 7 der 16 Minister als Austauschstudenten in Amerika. Bis heute, so scheint es, ist Biedenkopf die deutsch-amerikanische Freundschaft eng ans Herz gewachsen:

    Wichtig ist, dass man an solchen Banden arbeitet. Das ist keine statische Sache. Sie kommen nicht zustande, indem man Programme macht. Sondern sie kommen zustande, wenn man Geduld miteinander hat, sich Zeit füreinander nimmt, sich begegnet. Und wenn das nicht geht, sich schreibt, was ja heute viel einfacher ist als früher. In den 50er Jahren war ein Luftpostbrief nach Amerika noch eine Besonderheit. Heute macht man das mit Internet. Das heißt, man hat viel mehr Möglichkeiten des Kontakts. Ob man sie deshalb mehr nutzt, das ist die wichtige Frage. Man wird sich nie genug kennen lernen. Aber man wird sich in Europa immer klar sein müssen, dass Europa ohne die Vereinigten Staaten ein amputiertes Europa ist.

    Jedoch: Zu einem Austausch gehören immer zwei Seiten. Das Erziehungsexperiment der Re-Education geht auch am Bewusstsein der Erzieher nicht spurlos vorüber. Professor Norbert Frei betont die Resultate der eigenen Erziehungsarbeit innerhalb der amerikanischen Führungselite:

    Dass diese Demokratie in Westdeutschland gewissermaßen unser Baby ist, das wir hier geschaffen haben, und das auch ein Modell ist, das man in anderen Zusammenhängen, nach anderen Erfahrungen von Krieg und Besatzungspolitik gleichsam als Erfolgsvorgabe, als Zielvorgabe sich vorstellen kann. Also insofern ist das auch etwas, was dann zurückwirkt auf die amerikanische Gesellschaft. Und insofern: Kulturtransfer ist keine Einbahnstraße, wenn sie funktioniert.

    Der personal exchange erweist sich als erfolgreich. So erfolgreich, dass in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche Nachfolgeprogramme aufgelegt werden, durch unterschiedlichste Institutionen, von Firmen über Universitäten bis zu Konsulaten. Zuletzt in den 90ern, nach dem Fall der Berliner Mauer. Reinhard Höppner, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und Jahrgang 1948, spricht auf einer Festveranstaltung zum 175. Jubiläum des US-Konsulats in Leipzig im Mai dieses Jahres über seine Prägung durch den deutsch-amerikanischen Austausch:

    Da hat gerade nach dieser Zeit der Wende Amerika einen wichtigen Dienst getan. Ich hab eine Einladung bekommen - wie viele andere auch - so genannte Nachwuchspolitiker oder 'neue Politiker aus dem Osten', einfach ein paar Wochen in die USA zu kommen, um dieses Land kennen zu lernen und ich kann es ganz aus eigener Erfahrung sagen: Gerade für diejenigen, die ja in ihrer ganzen Erziehung ein bestimmtes Amerikabild eingetrichtert bekommen hatten, war es außerordentlich wichtig, dieses Land, diesen Kontinent mit völlig neuen und mit eigenen Augen zu sehen.