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Geschichte aktuell

Wie sehr den verantwortlichen Stellen es am Herzen lag, ein solches Gesetz nun endlich für die deutsche Frau und für die deutschen Kinder zu bekommen, das wissen Sie genau so gut wie ich. Sie wissen, dass Hunderttausende von Frauen auf diese Stunde seit zwei Jahren warten und uns allen dankbar sein werden, dass es nun endlich soweit ist, dass sie nicht den willkürlichen Maßnahmen von Behörden, Krankenkassen und Arbeitgebern ausgesetzt sind.

Ilka Münchenberg | 23.01.2002
    12. Dezember 1951. Noch einmal beschwört die SPD-Parlamentarierin Liesel Kipp-Kaule die Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Schließlich wird das erste "Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter" in der Bundesrepublik Deutschland einstimmig angenommen. Am 24. Januar 1952, morgen vor nunmehr 50 Jahren, trat es in Kraft.

    Vorausgegangen waren hitzige Debatten: Immer wieder hatten die Sozialdemokraten das Kabinett Adenauer zu einer schnellstmöglichen Neuregelung gedrängt. Doch die Regierung ließ sich Zeit - erwerbstätige Mütter gehörten nicht zu ihrem politischen Programm. Dabei war eine Lösung der Mutterschutz-Frage dringend notwendig, so Liesel Kipp-Kaule:

    Die Erwerbsarbeit gefährdet nicht nur die Schwangerschaft der Frau, sondern auch die Mutter und den Säugling. Und aus dieser Erkenntnis heraus, meine Damen und Herren, ist man in allen Ländern Europas dazu übergegangen, einen Arbeitnehmerinnenschutz einzuführen.

    Zwar war nach Kriegsende das Nazi-Gesetz zum Kündigungsschutz und Beschäftigungsverbot für berufstätige Mütter aus dem Jahr 1942 übernommen worden. Der Alliierte Kontrollrat hatte jedoch die Behörde aufgelöst, die die Rechte der Arbeitnehmerinnen überwachte - der Kontrollrat überließ die Neuordnung der Bundesregierung.

    In 18 Ausschusssitzungen wurde das Paragraphenwerk festgezurrt. Am Ende einigten sich die 410 Abgeordneten, darunter rund 30 Frauen, auf das neue Mutterschutzgesetz, das in seinen Grundzügen auch heute noch Gültigkeit besitzt.

    So durften werdende Mütter jeweils sechs Wochen vor und nach der Geburt zu Hause bleiben, Mütter nach Frühgeburten 12 Wochen. Haushaltshilfen wurden ausgenommen: Die Union hatte darauf bestanden, verheiratete und unverheiratete Frauen in ihren Rechten nicht gleichzustellen. Kündigungen bis zu vier Monaten nach der Geburt waren verboten. Darüber hinaus schwere körperliche Anstrengung sowie Nacht- und Akkordarbeit während der gesamten Schwangerschaft. Der Bund erklärte sich bereit, sich an den Kosten der Krankenkassen zu beteiligen.

    Wie schwer sich die Politik mit Rechten für berufstätige Mütter tat, zeigt ein Blick auf die Geschichte: Erstmalig war ein solcher Schutz in Deutschland im Jahr 1878 festgeschrieben worden. In der entsprechenden Novelle zur Gewerbeordnung hieß es, dass Frauen drei Wochen nach der Niederkunft nicht beschäftigt werden durften. Erst 1893 gestand der Reichstag Frauen weitere Rechte zu. Ihr Arbeitstag in den Fabriken wurde auf elf Stunden begrenzt, Frauenarbeit unter Tage verboten. Nach der Entbindung galt eine vierwöchige Ruhepause - und das bezahlt.

    Erst Anfang des 20. Jahrhunderts durften Frauen auch zwei Wochen vor der Entbindung zu Hause bleiben. Für die Arbeiterinnen änderte dies bei der ständig wachsenden Kinderschar jedoch nur wenig an den bedrückenden Lebensverhältnissen, schilderte Liesel Kipp-Kaule den Abgeordneten:

    Vom Jahr 1871 bis zum Jahr 1912 in einem Zeitraum, meine Damen und Herren, von 41 Jahren, sind in Deutschland 17 Millionen Kinder vor Ablauf des 1. Lebensjahres wieder ins Grab gesunken. 17 Millionen, von denen man die Hälfte, ja, ich möchte sogar behaupten, zwei Drittel hätte am Leben erhalten werden können, wenn man beizeiten einen ausgedehnten Säuglings- und Mutterschutz geschaffen hätte.

    Doch daran war zunächst kaum zu denken. Im 1. Weltkrieg übernahmen Frauen die Berufe der Männer, solange diese an der Front kämpften. Jede Arbeitskraft wurde gebraucht. Erst in den 20er Jahren durften die Wöchnerinnen sechs Wochen vor der Geburt ihre Arbeit verweigern. Anke Fuchs, langjährige Frauen-Politikerin der SPD und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, über das Frauen-Bild in jener Zeit:

    Sie darf zwar berufstätig sein, bis sie heiratet oder das erste Kind kommt, aber dann hat sie zu Hause zu bleiben. Und dass trotzdem viele Arbeiterinnen einfach aus Not, aus wirtschaftlichem Bedrängnis heraus, arbeiten mussten. Das war natürlich für die gesellschaftliche Schicht, die damals die Politik entschied, nicht wichtig: Die sollten halt sehen, wie sie zurechtkamen. Und deswegen hat es lange gedauert, bis das Bewusstsein kam, dass man für die erwerbstätigen Mütter etwas tun musste.

    Eine besondere Bedeutung erhielt der Mutterschutz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Denn rasch etablierte sich ein Kult, der Mutterschaft und Kinderreichtum propagandistisch überhöhte. Für die NS-Führung ging es vor allem um Nachwuchs für ihre Expansions- und Großmachtpläne. Gleichzeitig wurden Frauen als Arbeitskräfte plötzlich nicht nur gesucht, sondern zur Arbeit verpflichtet - auch in Munitionsfabriken oder Bergwerken. Ziel war es, ...

    ... die im Erwerbsleben stehende Frau vor Gefahren für ihre Mutterschaftsleistung zu schützen, einen ungestörten Schwangerschafts- und Geburtsverlauf sicherzustellen, sowie Pflege und Stillen des Kindes zu gewährleisten.

    Ein Grundsatz, dem sich auch die christdemokratische Abgeordnete Luise Rehling in der Debatte des Deutschen Bundestages 1952 verpflichtet sah:

    Namens der Fraktion der CDU/CSU möchte ich erklären, dass wir uns selbstverständlich hinter gesetzgeberische Maßnahmen stellen, die den Schutz der erwerbstätigen Mutter zum Ziele haben. Die Ausführungen der Frau Antragsstellerin konnten vorhin den Eindruck erwecken, als wenn es sich hier um einen absoluten neuen Gesetzentwurf handele. Dabei müssen wir aber doch feststellen, dass der vorliegende Entwurf einer Reihe Paragraphen aus dem Mutterschutzgesetz von 1942 übernimmt, dem ja nicht abzusprechen ist, dass es sozial fortschrittlich und kein ausgesprochen nazistisches Gesetz war.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging es zunächst darum, das gesellschaftliche Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen. Die Regierung griff auf bewährte Traditionen zurück. Für rund 20 Jahre wurde das bürgerliche Familienmodell zum maßgeblichen Leitbild. Die Frau war vorrangig auf Mutterschaft und Fürsorge festgelegt. Das unterstützte auch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer:

    Eine ausgeglichene und innerlich fröhliche Mutter verleiht auch den Männern und den Kindern, auch wenn es im Beruf oft Ärger und Schwierigkeiten gibt, die innere Sicherheit, mit den Dingen fertig zu werden.

    Dieses Mutter-Bild galt es zu schützen. 1949 wurde das Müttergenesungswerk ins Leben gerufen. Gründerin war Elly Heuss, Frau des damaligen Bundespräsidenten. Immer wieder machte sie auf die schwierige Situation gerade der Mütter im Nachkriegsdeutschland aufmerksam:

    In den Städten leben Hunderttausende von Frauen, darunter viele Kriegerwitwen, die für sich und ihre Kinder den Lebensunterhalt verdienen müssen. Und nicht nur den Unterhalt, sondern auch die Ausbildung der Kinder. Diese Frauen leben häufig allein oder mit ihren sehr alten Eltern zusammen, für die sie oft noch zu sorgen haben. Die Kräfte dieser Mütter, die schon im Krieg weit überspannt waren, sind heute fast verbraucht.

    Die besondere Doppelbelastung von Müttern wurde anerkannt. Auswirkungen für die werdende Mutter und das Mutterschaftsgesetz hatte dies allerdings noch lange nicht. Franz Wuermeling, der erste Bundesfamilienminister, warb beharrlich für die kinderreiche Familie und wendete sich gegen jegliche Erwerbstätigkeit von Müttern.

    Doch immer mehr Frauen arbeiteten - als Schreibkräfte in Büros oder als Kranken- und Altenpflegerinnen. Die Politiker mussten sich auf eine neue Wirklichkeit einstellen, betont die Soziologie-Professorin Hildegard Maria Nickel von der Humboldt-Universität Berlin:

    In den späten 60er Jahren ist doch deutlich sichtbar geworden, dass Frauen beides wollen, und in der Regel auch beides tun müssen, um die eigene Existenz irgendwie abzusichern. Und den Frauen entgegengekommen ist, dass der Dienstleistungssektor in der Bundesrepublik ausgebaut worden ist, so dass ein Berufsfeld entstand, was Teilzeitarbeitsplätze möglich gemacht hat. So dass für viele Frauen es ab dem Zeitpunkt möglich war, Familie und Beruf zu vereinbaren.

    Im Mai 1961 wurde die Öffentlichkeit jedoch durch Meldungen beunruhigt, dass die Mütter- und Säuglingssterblichkeit in Deutschland besonders hoch sei. Das war Ergebnis eines internationalen Vergleichs. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlug Alarm.

    Der DGB forderte eine verlängerte Frist von zehn Wochen vor der Geburt, außerdem einen unbezahlten Sonderurlaub bis zu sechs Monaten - ohne Erfolg. Allerdings waren sich auch die Gewerkschafter durchaus darüber im klaren, dass solche Sozialleistungen, wenn überhaupt, nur in Großbetrieben möglich waren.

    Den Arbeitgebern war die Ausweitung des Mutterschutzes ohnehin ein Dorn im Auge: Die Rede war von einem "Baby auf Betriebskosten", wenn Mütter nach Ablauf der bezahlten Schutzfristen nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten.

    Auch wenn die Gewerkschafts-Forderungen unerfüllt blieben: Der Gesetzgeber sah sich veranlasst, zu reagieren. Er erließ 1965 zusätzliche Schutzbestimmungen für Schwangere. Von nun an galt das Beschäftigungsverbot von sechs Wochen vor der Geburt für alle Schwangeren - auch für Haushaltshilfen. Pro Kalendertag erhielten werdende Mütter während der Schutzfristen von den Krankenkassen 25 Mark - ein Betrag, an dem sich bis heute nichts verändert hat. Die zulässige Höchstarbeitszeit wurde verkürzt. Und erstmals konnten Schwangere kostenfrei Vorsorgeuntersuchungen und Hebammendienste in Anspruch nehmen. Bundestags-Vizepräsidentin Anke Fuchs erinnert sich:

    Dass Mütter überhaupt mal Ansprüche stellten, dass man im Rahmen eines Sozialstaates auch an diese Personengruppe denkt und ihnen Rechte einräumt, in Zeiten, in denen sie schwach sind, das war schon ein gesellschaftlicher Fortschritt.

    Und der war nicht mehr aufzuhalten. Frauen ließen sich nicht mehr in die zweite Reihe der Gesellschaft verweisen. "Macht das Private politisch" lautete die Parole der Frauenbewegungen in den 70er Jahren. Das bis dahin unangetastete Leitbild der "Hausfrauen-Ehe" wurde mit dem Ehegesetz von 1977 aufgelöst. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch waren jetzt beide Ehegatten berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bis dahin durfte die Hausfrau laut Ehegesetz von 1957 nur arbeiten, "soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar" war. Die Folge, so die damalige SPD-Familienministerin Antje Huber:

    Nach unseren Umfragen möchten zwei Drittel aller Frauen heute, wenn sie wirklich die Wahl haben, so sagen sie, Beruf und Familienleben miteinander verbinden. Es gibt eben kein doppeltes Leitbild, hie Heimchen am Herd und dort die Arbeitsbiene.

    Auch im Mutterschutzgesetz spiegelten sich die radikalen Veränderungen der Gesellschaft wieder. Die Frau als Mutter sollte frei entscheiden können, ob sie nach der Geburt ihres Kindes noch länger zu Hause bleiben mochte, bevor sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte: 1979 einigte sich die sozialliberale Koalition deshalb auf einen viermonatigen Mutterschaftsurlaub, der den Arbeitnehmerinnen zusätzlich nach den Schutzfristen zustand. In dieser Zeit zahlte der Staat einen Lohnersatz bis zu 750 Mark pro Monat. Rund 95 Prozent der berechtigten Frauen machten damals davon Gebrauch. Allerdings gab etwa die Hälfte von ihnen anschließend den Beruf auf - zumindest vorläufig.

    Reformbedarf gab es auch bei der Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung. Die Berufsbiographien der Mütter hatten meist große Lücken. Oft reichte ihr Rentenanspruch kaum zur Existenzsicherung. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Die drängendsten Fragen in diesen Jahren, so Anke Fuchs:

    Habe ich einen Anspruch darauf, in den Beruf zurückzukehren, die Arbeitsplatzsicherheit, und gibt es eine Chance, diese Kindererziehungszeit in der Rentenversicherung anzuerkennen? Das hat ja auch Milliarden gekostet, das haben wir gemacht. Dass die Mutter, die erwerbstätig war und deswegen Schutzfristen nimmt, trotzdem in der Rentenversicherung und in der Krankenversicherung bleibt, und neuerdings auch in der Arbeitslosenversicherung, diese Systemeinbeziehung von Müttern habe ich immer für das Wichtigere gehalten.

    Die SPD-Forderung nach einem sogenannten Babyjahr im Anschluss an den Mutterschutz scheiterte jedoch am Widerstand der Union. Die Christdemokraten sahen die Hausfrauen bei einem solchen Vorhaben im Nachteil. Sie forderten für alle Mütter, nicht nur für die berufstätigen, ein Familiengeld.

    Kaum an der Regierung beeilte sich deshalb die neugewählte Koalition aus CDU/CSU und FDP, den Mutterschaftsurlaub abzulösen. 1986 führte Familienministerin Rita Süßmuth ein Erziehungsgeld und einen dreijährigen Erziehungsurlaub ein - ein eigenständiges Gesetz neben dem Mutterschutz. In den ersten sechs Monaten gab es 600 Mark. Eine weitere Zahlung hing von der Höhe des Eltern-Einkommens ab. Müttern oder Vätern sollte so die Entscheidung erleichtert werden, ihre Kinder ein Jahr lang selbst zu betreuen. Rita Süßmuth machte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ihrem zentrale Anliegen. Doch zunächst musste sie vor allem in ihrer eigenen Partei Überzeugungsarbeit leisten:

    Solange der Mann nach wie vor gesehen wird als der einzige Ernährer dieser Familie und vielfach auch seine Familienfunktion immer wieder mit diesen drei Begriffen: Erzeuger, Ernährer, Familienvorstand oder Familienoberhaupt - eine längst schwindende Funktionsbeschreibung - erfolgt, kommen wir nicht weiter in der Sache.

    Die CDU-Politikerin setzte sich dafür ein, dass Familienpolitik nicht nur auf Verheiratete beschränkt wurde. Und: Berufstätige Frauen sah sie nicht als die schlechteren Mütter. Deshalb befürwortete sie auch den Ausbau von Teilzeitarbeit. Die Kritik aus den eigenen Reihen nahm sie gelassen:

    Die Gretchenfrage, die darin steckt: Ob man dieses sich wandelnde Familienbild noch mit vollziehen und mitgestalten kann, oder ob die Hauptsehnsucht einer vergangenen Familie gilt. Für mich ist ausschlaggebend, dass Familie in dieser Gesellschaft gelebt werden kann und dass auch Familie Einfluss nehmen kann auf die Gesellschaft. Denn sonst ist es wirklich eine private Nische, die wir da errichten. Und das hat Familie nicht ausgehalten, dieses Nischendasein.

    14 Jahre lang hatte das Erziehungsgeldgesetz der Union Bestand. Doch nur wenige Männer - gerade einmal zwei Prozent - nehmen die Auszeit - die 600 Mark sind kaum ein finanzieller Anreiz. In den meisten Fällen bleiben nach wie vor die Mütter zu Hause.

    Nach ihrem Amtsantritt im Jahr 1998 gibt die SPD-Familienministerin Christine Bergmann dem Erziehungsurlaub einen neuen Namen: "Elternzeit". Ihr neuer Slogan: "Beruf und Familie, beides ist Ziel" - für Mütter und Väter:

    Wir wollen diesen Erziehungsurlaub zu einem Elternurlaub umwandeln, damit wir wirklich partnerschaftliche Erziehung in dieser Gesellschaft ermöglichen. Ein Konto, von dem beide Elternteile, also Vater und Mutter, Erziehungszeiten abrufen können. Dazu ein Anspruch auf Teilzeitarbeit, damit es eben möglich wird, Kindererziehung und Berufsarbeit für beide Elternteile miteinander zu vereinbaren. Damit die Sorgen, wie man auf den Arbeitsmarkt zurückkommt, geringer werden.

    Niemand soll mehr wegen Mutterschaft und Kindererziehung aus dem Beruf aussteigen müssen. Aus diesem Grund setzte die rot-grüne Koalition im Jahr 2000 einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit durch - von jeweils bis zu 30 Stunden. Dieses Recht war heftig umstritten. Die Wirtschaft wollte die Teilzeitregelung höchstens ab einer Betriebsgröße von 50 Beschäftigten zulassen. Die Koalition zog die Grenze bei 15. Für Vize-Bundestagspräsidentin Anke Fuchs eine späte Genugtuung, sie warnt aber davor, dass für Mütter dennoch alles beim alten bleiben könnte:

    Wir haben die bestausgebildete Frauengeneration, wir haben, was Vereinbarkeit von Beruf und Familie und soziale Sicherung, was erwerbstätige Mütter anlangt, eine Menge gemacht. Natürlich ist das Leben nicht einfach. Aber man muss appellieren, dass die Frauen sich nicht zurückdrängen lassen. Auch nicht, indem die Männer die Vollzeitstellen haben, und die Frauen die Teilzeitarbeitsplätze.

    Längst sind die Diskussionen um den Mutterschutz also abgelöst worden von der Frage, wie sich Familie und Beruf für Frauen besser vereinbaren lassen. Wie viel für den Schutz der erwerbstätigen Mütter in den vergangenen 50 Jahren erreicht worden ist, zeigt ein letzter vor wenigen Wochen vorgelegter Gesetzesentwurf. Dabei ging es eher um Detailfragen:

    So sollen ab Sommer dieses Jahres alle Mütter Anspruch auf 14 Wochen Mutterschutz haben, auch wenn das Kind vor dem berechneten Geburtstermin zur Welt kommt. Darüber hinaus sollen Mutterschutzfristen und andere Beschäftigungsverbote für schwangere Frauen und Mütter bei der Berechnung des Jahresurlaubs wie Beschäftigungszeiten zählen.

    Der Mutterschutz ist also weitgehend erfüllt - fragt sich nur für wen? Brachte 1970 in Westdeutschland noch jede Frau durchschnittlich zwei Kinder zur Welt, sind es heute nur noch 1,4. Zwar wünschen sich nach einer Studie des Familienministeriums rund zwei Drittel der Frauen Kinder, wollen ihren Beruf aber nur kurz unterbrechen. Doch das ist, trotz des neuen Gesetzes über das Recht auf Teilzeit, nicht immer möglich. Da bleibt oft nur die Entscheidung zwischen ganz oder gar nicht. Viele Frauen verzichten dann auf Kinder, meint etwa die Berliner Soziologie-Professorin Hildegard Maria Nickel:

    In der beruflichen Qualifizierung haben Frauen ja mittlerweile nachgeholt, in bestimmten Bereichen sogar die Männer überholt, aber aus eigenen Untersuchungen weiß ich eben, dass immer noch die Entscheidung, und das ist eine Entscheidung, die Frauen treffen müssen, Karriereentwicklung oder Mutter, und wenn sie eben Karriere vor sich haben, was ihre Lebensplanung an erster Stelle bestimmt, dann verzichten Frauen in der Regel auf Kinder. Für sie ist klar: Beides geht nicht. Und solange das so ist, denke ich, ist tatsächlich wenig erreicht, was Gleichstellung und Gleichberechtigung angeht.