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Geschlossene Gesellschaft: der italienische Arbeitsmarkt in der Krise

Besonders Frauen und Jugendliche leidern unter der Rezession in Italien. Sie haben derzeit schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ministerpräsident Mario Monti hat bisher Einzelmaßnahmen verabschiedet, die der hohen Jugendarbeitslosigkeit entgegenwirken sollen. Doch die Situation bleibt weiterhin angespannt.

Von Kirstin Hausen | 18.05.2012
    Die Zahlen des Industriellenverbands Confindustria sind alarmierend - eine halbe Million Arbeitsplätze hat die Wirtschaftskrise in Italien seit 2008 vernichtet. Die Hauptbetroffenen: junge Frauen. Sie arbeiten nämlich am häufigsten in zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnissen und werden als Erste nach Hause geschickt. Die Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlerin Paola Profeta von der Mailänder Universität Bocconi:

    "Die am schlechtesten gestellten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt waren schon immer die jungen Berufseinsteiger und die Frauen. Ihre Jobchancen haben sich in der Krise weiter verschlechtert. Inzwischen haben es viele Frauen aufgegeben, Arbeit zu suchen und tauchen daher gar nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf."

    Mit lediglich 47 Prozent gehört die Beschäftigungsquote von Frauen zu den niedrigsten in Europa. Nur auf Malta arbeiten proportional gesehen noch weniger Frauen als in Italien. Die Regierung von Mario Monti versucht, gegenzusteuern. Unternehmen, die junge Frauen einstellen, gewährt sie Steuernachlässe. Doch die Sache hat einen Haken: Italien ist in der Rezession, im ganzen Land kämpfen Unternehmen um Aufträge und ums Überleben auf dem Markt. Ans Einstellen neuer Mitarbeiterinnen denken da die wenigsten. Die junge Akademikerin Simona Merlini schildert ihre Erfahrungen:

    "Ich habe Fremdsprachen studiert und eine ganz klassische Karriere innerhalb eines Unternehmens angestrebt. So wie es meine Eltern gemacht haben. Aber die Zeiten haben sich geändert und ich wurde ein ums andere Mal enttäuscht. Selbst für diejenigen, die wie ich die Universität mit Bestnoten abgeschlossen haben, sind die Zukunftsaussichten alles andere als rosig.”"

    Statt zu jammern, hat Simona den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Es blieb ihr nicht viel anderes übrig angesichts der Flaute auf dem Arbeitsmarkt und der schlechten Wirtschaftsprognosen.

    ""Ich engagiere mich seit 10 Jahren im Tierschutz und so ist mir die Idee gekommen, meine Leidenschaft für Hunde in eine berufliche Perspektive zu verwandeln."

    Heute betreut Simona Hunde während der Abwesenheit ihrer Besitzer. Kämmt sie, führt sie Gassi, spielt mit ihnen. Und zwar nicht als schwarz bezahlte Dogsitterin, sondern als Geschäftsfrau mit Gewerbeschein. Mitten in einem Industriegebiet. Wo sich sonst Fabrikhallen aneinanderreihen, hat Simona ein Stück Brachland eingezäunt, und mit Hundehütten versehen. Dazu ein kleiner Shop mit Futter, Spielzeug und Zubehör –fertig ist die Hundepension "Tiaffidofido" vor den Toren Mailands.
    "Viele Hundepensionen liegen im Grünen, aber die Tiere werden dort sich selbst überlassen und ich glaube nicht, dass es ihnen dort gut geht."

    Das Geschäft läuft gut und neben Simona Merlini arbeitet jetzt auch Francesca Dall`Moro Vollzeit mit. Die 38-Jährige hat ihre Stelle als Eventmanagerin in einem amerikanischen Konzern aufgegeben, weil sie fürchtet, der Standort in Italien werde im Zuge der Krise geschlossen. Statt auf die schlechte Nachricht zu warten, hat sie sich entschlossen, auf die Hundepension zu setzen.

    "Verunsicherung und starke Zweifel an der Zukunft sind die vorherrschenden Gefühle in meinem Freundeskreis. Niemand wagt mehr Pläne für die Zukunft zu schmieden, weil unklar ist, ob das Geld reicht, sie dann auch umzusetzen.”"

    Nicht so Simona und Francesca. Die beiden Frauen wollen expandieren, die Nachfrage ist da. Das liegt auch an den niedrigen Preisen, die bei 7 Euro pro Betreuungstag beginnen.

    ""Wir brauchen kein hohes Gehalt. Uns reicht das, was wir auch als Angestellte verdienen würden. Es geht darum, ein normales Leben, ein Leben in Würde leben zu können."

    Das aber ist vielen jungen Italienern kaum noch möglich. Denn ohne Arbeit, kein Geld. Als soziales Auffanginstrument fungiert in Italien allein die Familie. So zeigen empirische Studien verschiedener Institute, dass Arbeitslose unter 35 Jahre verstärkt zurück in Mamas Arme kehren. Die Zahl derjenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen unter einem Dach mit dem Eltern leben, steigt in Italien weiter an. So wie die Arbeitslosigkeit.