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Geschundenes Rückgrat

Der Staat kurz vor der Pleite, die Banken in höchster Gefahr, die Arbeitslosigkeit hoch. Kredite sind - auch für Unternehmer - in Griechenland enorm teuer. Mittelständler und Arbeitnehmer suchen eigeninitiativ nach Alternativen.

Von Michael Lehmann | 18.07.2013
    Giorgos Vanzelis ist ein Mann, der Hoffnung hat für sein Land - Griechenland braucht Hoffnung – Griechenland braucht Menschen wie diesen fleißigen Taxi-Unternehmer, der gerne nachts fährt, weil da die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum von Athen mit Zuschlägen 50 Euro bringt – Zähne zusammenbeißen, mehr arbeiten als vor der Krise, das war die letzten Jahre sein Lebensmotto. Der 54-jährige Athener hat erspartes Geld investiert – in Sonnenkollektoren auf sein Hausdach:

    "Jedes Jahr hole ich damit jetzt um die 15.000 Kilowatt von meinen zwei Dächern - das sind etwa 9000 Euro zusätzlich. Geld für Energie, die ich einfach so vom Himmel hole. Mir geht es gut, ich kann nicht klagen."

    Nur leider fehlt den allermeisten Griechen auch dieses Jahr Geld, um zu investieren. Vernünftige Geschäftsideen gibt es, auch Mittelständler, die anpacken wollen - Athanassios Kelemis, Geschäftsführer der deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen, berät so gut er kann. Aber in Sachen Finanzierung, sagt Kelemis, stünde ein griechischer Geschäftsmann im Moment fast automatisch im Abseits von Europa:

    "Es darf nicht sein, dass ein griechisches Mittelstandsunternehmen, um sein Arbeitskapital sicherzustellen, heutzutage für einen Kredit um die neun Prozent Zinsen bezahlen muss. Ein Unternehmen in Deutschland oder anderswo in Europa bekommt diesen Kredit mit drei oder vier Prozent Zinsen. Das ist automatisch ein riesiger Wettbewerbsnachteil."

    Wie also kann er funktionieren, der griechische Weg, es mit möglichst viel Eigeninitiative aus der Krise zu schaffen? Es gibt Vorzeige-Beispiele: im Baustoffhandel zwei, drei Unternehmen in Nordgriechenland, auch einige erfolgreiche Lebensmittelfirmen - all das Jobmaschinen mit wichtigen vielen Hundert Arbeitsplätzen – doch bei weit über 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit und einem Heer von gut 1,3 Millionen Arbeitslosen im ganzen Land fühlt sich die Mehrheit der Griechen vor allem als Verlierer:

    "Ich verdiene statt 1800 Euro seit einiger Zeit nur noch die Hälfte", klagt Ioannis Lamdros. Er arbeitet seit knapp 20 Jahren für einen Fernsehsender - "schau auf die lange Schlange der Menschen, die Arbeit suchen", war die Antwort seines Chefs, als Lamdros sagte, dass er mit dem neuen Arbeitsvertrag eigentlich kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Vielen geht das so, meint Wirtschaftsförderer Kelemis:

    "Das Einkommensniveau ist in Griechenland sehr stark gesunken, durchschnittlich um fast 40 Prozent. Über alle Branchen hinweg gibt es diese Lohneinschnitte, das ist in den Folgen für die Menschen gewaltig."

    Griechenlands Wirtschaft ist weiter in die Deflation gerutscht – Löhne sinken, die Preise ebenso. Eine Abwärtsspirale, die auch Ulrike Drißner, die stellvertretende Leiterin des Goethe-Instituts in Athen, zu spüren bekommt:

    "Die Leute müssen bei Dingen sparen, die sie sich früher relativ selbstverständlich leisten konnten. Auch beim Essen. Die Krise ist mit den Händen zu greifen – seit ein paar Monaten hat der Druck auf die privaten Haushalte da eher noch mal zugenommen. Auch weil es neue Belastungen wie Sonder-Abgaben auf Immobilien jetzt gibt."

    Elena, eine junge Athenerin mit frischem Uni-Abschluss, will es ohne Deutschkenntnisse versuchen, sich in Berlin zu bewerben:

    "Was bleibt mir anderes übrig, hierzulande ist es im Moment fast unmöglich, als Berufsanfänger einen passenden Arbeitsplatz zu finden."

    In ihrer Heimat mal wieder Arbeit finden? In einigen Jahren vielleicht, hofft die Frau mit bestem Uni-Abschluss, das mal wieder schaffen zu könne. Vielleicht dann, wenn, wie auch die Europäische Zentralbank schätzt, 2015 sich in Griechenland zumindest leichtes Wachstum wieder messen lässt. Dafür brauchen wir eure Hilfe, sagt Wirtschaftsförderer Kelemis: "Ich appelliere wirklich an alle deutschen Unternehmer – schaut Euch Griechenland bitte noch mal genauer an. Es lohnt sich bei uns durchaus noch und wieder, Geld zu investieren. Wir haben top-ausgebildete Leute, die was bewegen wollen". Er hofft, dass so wenigstens kleine Job-Wunder wahr werden können in Athen, Thessaloniki oder Kavala.