Mittwoch, 24. April 2024

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Gesetzentwurf im Bundeskabinett
"Das Klimapaket ist Realitätsverweigerung"

Das Klimapaket der Bundesregierung sei zu lasch, zu unverbindlich und zu unentschieden, kritisierte Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt im Dlf. Damit sei es ein Schlag ins Gesicht von drei Viertel der Bevölkerung, die mehr für den Klimaschutz tun wollten.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Silvia Engels | 09.10.2019
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, aufgenommen bei der Klausur der Grünen-Bundestagsfraktion
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag (dpa/picture alliance/Martin Schutt)
Silvia Engels: Heute soll es vom Kabinett beschlossen werden: Das Klimapaket, mit dem der CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren in den Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Wohnen bis hin zur Landwirtschaft deutlich sinken soll. Angekündigt als großer Wurf scheinen aber bis zum Schluss einige Probleme nicht gelöst zu sein. So ist immer noch nicht bestätigt, ob das eigentliche Klimagesetz schon beschlossen werden wird, mit dem ein Sanktionsmechanismus gegen säumige Ministerien auch tatsächlich möglich wird.
Am Telefon ist nun Kathrin Göring-Eckardt. Sie ist Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Guten Morgen!
Kathrin Göring-Eckardt: Guten Morgen, Frau Engels. Ich grüße Sie.
Engels: Frau Göring-Eckardt, Sie haben als Grüne ja schon vorab kein gutes Haar an den Eckpunkten des Klimapakets gelassen, die die Bundesregierung ja Ende September vorlegte. Jetzt eine Kabinettsvorlage, wo möglicherweise nicht an allen Stellen konkrete Zahlen sind und wo auch nicht klar ist, wie scharf nun die Kontrolle der Anstrengungen werden wird. Ein gefundenes Fressen für Sie?
Göring-Eckardt: Nicht ein gefundenes Fressen, weil ich habe, ehrlich gesagt, nicht aufgegeben und gehofft, dass die Konkretisierungen nicht nur konkreter werden, sondern die Kritik aufnehmen, die ja nicht nur von uns als Grünen gekommen ist, sondern breit in der Gesellschaft. Jetzt muss man aber ehrlicherweise sagen: Zu zu langsam, zu lasch, zu unverbindlich kommt jetzt auch noch zu unentschieden und zu unklar. Das was der Entwurf, soweit wir ihn kennen, jetzt beinhaltet, heißt ja, dass an einigen Stellen, die sehr zentral sind, immer noch Unklarheit herrscht, zum Beispiel bei der Kfz-Steuer für große Spritfresser. Wir erleben, dass bei der Windkraft noch mal weniger Ausbau vonstattengehen soll. Das ist ein Gesetz, das nicht dem gerecht wird, was getan werden muss, ist Realitätsverweigerung auf der einen Seite, und auf der anderen Seite ist es auch ein Schlag ins Gesicht von drei Viertel der deutschen Bevölkerung, die sagen, wir wollen mehr.
Pariser Klimaziele sicher Lebensqualität und Wohlstand
Engels: Offenbar fehlen an einigen Stellen noch konkrete Zahlen, Sie haben es angedeutet. Wie hoch nun die Kfz-Steuer für Spritfresser am Ende sein soll? Auch bei der Luftverkehrsabgabe und Ähnlichem ist es noch nicht mit konkreten Zahlen unterlegt. Kann das aber nicht im Endeffekt zum Vorteil für Sie werden? Vielleicht können Sie als Opposition dort auch noch Ihre Zahlenforderungen unterbringen.
Göring-Eckardt: Unsere Zahlenforderungen sind ja deutlich ambitionierter, und da geht es auch nicht um Zahlen, sondern es geht darum, dass wir die Pariser Klimaziele einhalten. Das klingt dann immer so wie irgendeine Vereinbarung. Das ist die, die die Bundesregierung unterschrieben hat. Das ist aber vor allen Dingen die, die dafür sorgt, dass die Erderwärmung nicht ins Gigantische läuft und Lebensqualität und Wohlstand sichert. Darum geht es.
Ich sage ein Beispiel: Der CO2-Preis ist in diesem Klimapaket mit zehn Euro angegeben. Das wird am Ende nicht mehr sein als die normalen Schwankungen an der Tankstelle und wahrscheinlich noch weniger, als wenn man in der Urlaubszeit da hinguckt. Wir sagen, das müssen 40 Euro sein am Anfang. Das muss sich dann weiter erhöhen. Und wir sagen zugleich auch. Das muss ökonomisch sinnvoll sein, aber auch sozial abgefedert. Und noch nicht mal das schafft das Klimapaket der Bundesregierung, weil die Einnahmen aus dem CO2-Preis am Ende im Haushalt versickern, statt sie an die Menschen zurückzugeben. Das ist für mich ganz entscheidend, dass ganz klar ist, dass sich das auch Leute leisten können mit einem kleinen Portemonnaie.
"Es geht nicht um Totalblockade"
Engels: Zu Ihrem eigenen Klimakonzept kommen wir gleich noch. Bleiben wir erst mal bei dem, was die Bundesregierung nun vorlegt. Die Grünen können ja dadurch, dass sie in vielen Ländern mitregieren, im Bundesrat bei Teilen des Klimapakets mitbestimmen, ob das in Kraft tritt. Zum Beispiel bei Steuerfragen könnte es eine Mitsprache geben. Werden Sie angesichts des Standes jetzt nun auf Totalblockade gehen, weil das alles zu wenig ist?
Göring-Eckardt: Es geht ja nicht um Totalblockade. Das Beste wäre ja, man könnte - und das kann man leider im Bundesrat nicht - dafür sorgen, dass die Wirksamkeit hergestellt wird, dass es so radikal ist, wie die Realität es nun mal verlangt. Das kann man im Bundesrat nicht tun und wir werden bei jeder einzelnen Maßnahme jetzt schauen, was wir da noch verbessern können. Aber klar ist natürlich auch: Im Bundesrat sind wir ja immer auch in Koalitionen, und zwar immer in Koalitionen mit denen, die da in der GroKo miteinander verhandelt haben und dieses Paket, was nun wirklich nicht reicht, am Ende zustande gebracht haben, oder man muss eigentlich sagen, nicht zustande gebracht haben, weil das ist ja sogar ökonomisch ein riesiges Problem.
Ich komme noch mal zurück auf diese fehlenden Ausbauziele bei der Windkraft. Am Schluss muss man sich schon fragen: Was ist eigentlich mit der Versorgungssicherheit? Ich hätte nie gedacht, dass wir als Grüne mal diese Frage stellen müssen. Wenn man hier noch nicht mal dafür sorgt, dass wir tatsächlich einen ordentlichen Ausbau bekommen, übrigens mit Beteiligung der Bevölkerung, unter anderem, damit es schnell geht und damit es hier nicht neue Konflikte gibt.
"Klimaschutz ins Grundgesetz"
Engels: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, halten sich die Grünen noch offen, wie sie nachher im Bundesrat agieren. Da ist eine Zustimmung nach wie vor nicht ausgeschlossen.
Göring-Eckardt: Ja, natürlich muss man sich die Maßnahmen genau angucken. Das ist klar. Und wir werden nicht nicht zustimmen, wenn es Maßnahmen gibt, die jedenfalls einen kleinen Schritt nach vorne bedeuten. Das wäre ja unsinnig. Aber das Problem ist, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, und deswegen ist das, was die Bundesregierung hier vorgelegt hat, nicht das, was am Ende dazu führen wird, dass die Ziele erreicht werden, was am Ende dazu führen wird, dass wir keine Einbußen bei der Lebensqualität haben, und was am Ende verbindlich ist. Das einfachste wäre ja, wir würden sagen, das liegt übrigens gerade im Bundesrat, da könnte die Bundesregierung, könnten die Bundesländer auch mitmachen, die ja zum Teil sich da sehr weit vorgewagt haben: Klimaschutz ins Grundgesetz. Das könnte man machen. Dann wäre auch die Verbindlichkeit klar.
Engels: Frau Göring-Eckardt, wir haben es eben schon angesprochen. Die Parteispitze der Grünen hat ein eigenes Klimakonzept vorgelegt. Das soll auf der Bundesdelegiertenkonferenz im Herbst beschlossen werden. Einige Eckdaten haben Sie genannt. Da soll der CO2-Preis deutlich höher sein. Und Sie sagen, es soll auch sozial abgefedert sein. Auf der anderen Seite gibt es da ja auch drastische Maßnahmen. Autos mit Verbrennungsmotor sollen bis 2030 verboten werden, Bundesstraßen bis 2025 nicht mehr weiter ausgebaut werden. Das trifft doch wieder diejenigen auf dem Land und möglicherweise auch die sozial Schwachen.
Göring-Eckardt: Die sozial Schwachen trifft es am meisten, wenn wir jetzt nichts oder viel zu wenig machen. Die Straßen, wo die Luft am schlechtesten ist, die werden nicht von denen bewohnt, die richtig viel Geld haben und eine Villa bewohnen, sondern die werden immer von denen bewohnt, die das wenigste haben.
Nahverkehr ausbauen – Spritfresser teuer machen
Engels: Aber auf dem Land wohnen auch viele Pendler beispielsweise, für die eine Autoanschaffung etwas Gewaltiges ist und vielleicht ein Netz von Ladestationen da noch auf sich warten lässt.
Göring-Eckardt: Das erste ist: In der Tat brauchen wir die Ladestationen. In der Tat brauchen wir einen richtig gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, sprich zum Beispiel den Rückbau von stillgelegten Eisenbahnschienen. Wir haben gesagt, wir brauchen ab 2025 keine neuen Straßen mehr. Darum geht es. Das Straßennetz ist ziemlich gut ausgebaut, muss repariert werden. Deswegen ist wenn überhaupt dann da der Schwerpunkt. Aber das Entscheidende wird sein, dass wir einen öffentlichen Nahverkehr haben. Das Entscheidende wird übrigens nicht sein, wie die Bundesregierung jetzt vorschlägt, dass man die Pendlerpauschale noch weiter erhöht. Das hilft nur denen, die ordentlich Steuern zahlen.
Denen, die wenig Geld haben, hilft es nicht, und deswegen sagen wir auch: Wir wollen ein Energiegeld nehmen und zurückgeben, was wir einnehmen durch die erhöhte CO2-Steuer. Das bedeutet, dass jede und jeder, jede Person, jeder Haushalt pro Person 100 Euro bekommt, und zwar am Anfang des Jahres, weil wir Vertrauen schaffen wollen für die Maßnahmen, die da sind. Das ist dann auch eine Maßnahme, die denjenigen mit den kleinen Portemonnaies hilft.
Dass wir keine Neuanschaffung von Autos mit Verbrennungsmotor mehr wollen, das stimmt. Wir sagen aber auch zugleich: Wir wollen mit einem Bonus-Malus-System dafür sorgen, dass ein richtiger Spritfresser, ein großes Auto deutlich mehr kostet, und dass, wenn man sich ein günstiges Elektroauto anschafft, man deutlich mehr zusätzlich bekommt.
Mit sozialem Ausgleich Spaltung der Gesellschaft verhindern
Engels: Ölheizungen verbieten ist auch so ein Stichwort. Dann soll auch der Flugverkehr eingeschränkt werden. Dann sind wir auch beim Thema, dass ein Vorwurf ja lautet, Sie nehmen mit diesen Vorschlägen, die ja deutlich radikaler sind, einen Teil der Gesellschaft nicht mit, der gerne das Klima schützen will, aber nur begrenzt dafür draufzahlen kann oder will.
Göring-Eckardt: In der Tat, die Ölheizungen, dass wir die immer noch einbauen, das ist natürlich absurd. Da geht es ja auch um neue Ölheizungen. Es geht ja nicht darum, alle zu verbieten. Es geht um neue Ölheizungen und da kann man sofort sagen, Schlussstrich, brauchen wir nicht mehr.
Engels: Aber spaltet dieses Thema am Ende nicht doch die Gesellschaft?
Göring-Eckardt: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass es spaltet, wenn man sagt, wir bauen jetzt keine Ölheizungen mehr ein, sondern wir haben eine ökologische Alternative. Ich glaube auch nicht, dass es spaltet, wenn man sagt, es gibt tatsächlich einen sozialen Ausgleich für alle. Das wird für diejenigen mit einem kleinen Portemonnaie ein Plus bedeuten und für diejenigen mit dem großen Portemonnaie, die auch mehr CO2 verbrauchen, wird es in der Realität ein Minus bedeuten.
Aber das genau will ich, dass wir keine Spaltung haben, sondern dass wir alle mitnehmen und dafür sorgen, dass das Leben, dass der Wohlstand auf dem Land, in der Stadt deutlich besser wird. Dazu gehört mehr öffentlicher Verkehr. Dazu gehört, dass man das, was an Strom, an Heizung teurer wird, dann am Ende auch rausbekommt, und dass es vielleicht auch gar nicht erst teurer wird, weil die Gebäudesanierung mit einem fairen Preis dafür sorgt, dass sogar das Heizen günstiger wird auch bei den sanierten Gebäuden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.