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Gesetzliche Wirkung über die Jahrhunderte

Er gilt als eine der schillernsten und umstrittensten Herrschergestalten der deutschen Geschichte: der Stauferkaiser Friedrich II. Aber sein ambitioniertes Verfassungsprojekt verfehlte zu seinen Lebzeiten die Wirkung: der Mainzer Reichslandfrieden für das Deutsche Reich, welcher am 15. August 1235 mit pompösem Zeremoniell verkündet wurde.

Von Christian Berndt | 15.08.2010
    "Der Kaiser glänzte, mit dem kaiserlichen Diadem geschmückt, in der Mainzer Kirche bei Anwesenheit fast aller Fürsten in gebührender Ehre. Nach der Feier der Messe lud er dann alle Fürsten zum festlichen Schmause, der auf freiem Feld mit großen Kosten hergerichtet war."

    Friedrich II. versteht es, sich zu inszenieren. Auf dem Mainzer Hoftag präsentiert sich der Kaiser als glanzvoller Herrscher. Wenn er von seinen Feldzügen zurückkehrt, führt er gerne exotisches Gefolge mit sich, Sarazenen und Äthiopier als Soldaten, mit dabei auch Leoparden und Affen. Wie ein orientalischer Despot zeigt sich der im sizilianischen Palermo aufgewachsene Friedrich, wo er die arabische Kultur schätzen gelernt hat. Die Inszenierung soll dazu dienen, seinen Machtanspruch vor den deutschen Fürsten zu unterstreichen. Besonders jetzt, nachdem sich sein Sohn Heinrich, der während seiner Feldzüge als Stellvertreter im Reich regiert, gegen ihn gewandt hat. Friedrich kehrt zurück und lässt den Sohn absetzen. Auch um solche Verfassungskonflikte, in denen der Thronfolger eigene Macht beansprucht, künftig zu regeln, wird am 15. August 1235 der Mainzer Reichslandfrieden verkündet:

    "Ein sehr glänzender Hoftag wird auf den Tag der Himmelfahrt nach Mainz ausgeschrieben, wo bei Zusammenkunft fast aller Fürsten des Deutschen Reiches der Friede beschworen, die alten Rechte bestätigt und diese sodann in deutscher Sprache auf Pergament geschrieben werden."

    Erstmals in der deutschen Geschichte wird ein Landfrieden neben lateinischer auch in deutscher Sprache erlassen. Bisherige Landfrieden regelten zeitlich befristet einzelne Konfliktfelder, wie etwa das Fehderecht. Der Mainzer Landfrieden stellt den Versuch dar, erstmals eine Art reichsweiter, verfassungsrechtlicher Gesetzgebung aufzustellen. Überliefertes Recht soll nun verbindlich festgelegt werden, wie der Kaiser erklärt:

    "Weil die Bewohner ganz Deutschlands bei ihren Streitsachen nach den von alters her überlieferten Gewohnheiten und nach ungeschriebenem Gesetz leben, und oft der Zufall einen Teil in den Streitfall einführte, und dieser dadurch eher mit einer willkürlichen Meinung als einem Urteilsspruch abgeschlossen wurde, daher haben wir mit Zustimmung der geliebten geistlichen und weltlichen Fürsten einige Erlasse zusammengefasst."

    Manche Historiker sprechen beim Mainzer Reichslandfrieden vom ersten Reichsgrundgesetz. Grundlage für den neuen Landfrieden sind bestehende Gesetzessammlungen, wie jene in Friedrichs eigenem Territorium, dem Königreich Sizilien. Dreh- und Angelpunkt des Mainzer Reichslandfriedens ist die kaiserliche Macht. Einerseits werden die Befugnisse der Fürsten in ihren Territorien gestärkt. Gleichzeitig aber ist der Kaiser derjenige, der die Rechte delegiert. Die folgenreichste Bestimmung ist die Einrichtung eines Reichshofrichters als Vertreter des Kaisers. Als oberster Richter ist Friedrich eine wichtige Instanz, wie der Mittelalter-Historiker Johannes Helmrath erklärt:

    "Man kann natürlich sagen, der Kaiser hatte zwar alle Rechte, aber letztlich nur Ehrenrechte. Wo wirklich konkret Einfluss genommen wird, das ist über die Jurisdiktion. Und man musste zu ihm gehen, wenn man Lehen bestätigt haben wollte, also diese Bindung der fürstlichen Dynastien an eine delegierte Macht des Kaisers, die bleibt bis zum Ende des alten Reiches bestehen. Und war auch eine der Kohärenzkräfte, die das Reich, was ja viele für ein Wunder halten, bis 1806 zusammengehalten hat."

    Der Mainzer Landfrieden hat eher langfristige Wirkung, die Umsetzung bleibt angesichts der beschränkten Mittel des Kaisers und der Macht der Fürsten schwierig. Wie so oft bei Friedrich II. liegen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Der gebildete und weltoffene Herrscher orientiert sich gemäß der Tradition des staufischen Herrscherhauses und seines Großvaters Kaiser Barbarossa am antiken römischen Weltreich, er sieht seine Rolle als Herrscher des Abendlandes und scheut nicht die Auseinandersetzung mit dem Papst. Die kann er angesichts der Macht des Papsttums nicht gewinnen, seinen Nachfolgern hinterlässt er ein geschwächtes Kaisertum.

    Aber angesichts der politischen Realitäten erreicht er mit seinen innenpolitischen Projekten wie dem Mainzer Reichslandfrieden viel. Der kompliziert ausgehandelte Landfrieden – Pluralität des Reiches durch Austarierung von Zentral- und Fürstengewalt – sichert eine Verfassungskonstruktion, die bis heute nachwirkt.