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Gespräche zwischen Süd- und Nord-Korea
"Eine neue Qualität der Chance"

"Da ist jemand, der hat eine Vision und will alles probieren, um wieder zu einer Phase des Dialogs und der Annährung zu kommen", sagte der Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums, Hartmut Koschyk (CSU), im Dlf über den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In. Er tue das, ohne naiv zu sein und ohne die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu gefährden.

Hartmut Koschyk im Gespräch mit Dirk Müller | 07.03.2018
    Südkoreas neuer Präsident Moon Jae-In legt seinen Amtseid ab.
    Südkoreas Präsident Moon Jae In (AFP / POOL / Ahn Young-joon)
    Dirk Müller: Das ist sensationell, das ist unerwartet, noch vor Monaten für absolut unmöglich gehalten. Kim Jong Un ist offenbar bereit, herauszukommen aus seiner Wagenburg, aus seiner Trutzburg in Pjöngjang, und sich mit dem verfeindeten Bruderland, mit dem verfeindeten Nachbarland auf höchster politischer Ebene zu treffen. Ein Gipfel zwischen Nord- und Südkorea, und das nach Monaten der politischen Eskalation, der Raketentests und der gegenseitigen Drohungen, der Kriegsdrohungen vor allem zwischen Kim Jong Un und Donald Trump. Von gegenseitiger Vernichtung war die Rede.
    Jetzt könnte das alles anders sein, symbolisch, politisch eingeleitet, als die Schwester des Machthabers bei den Winterspielen in Pyeongchang Anfang Februar eine Einladung ihres Bruders überbrachte. Sie schaute freundlich und offen in die Kameras des internationalen Pressekorps. – Am Telefon ist nun Hartmut Koschyk (CSU), Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums, der beide Länder aus zahlreichen Besuchen sehr gut kennt. Guten Morgen!
    Hartmut Koschyk: Guten Morgen, Herr Müller!
    Müller: Herr Koschyk, war Kims Schwester die gute Fee?
    Koschyk: Ob es die gute Fee sein wird, wird sich erweisen. Aber man muss das alles schon sehr ernst nehmen und das, was wir gerade erleben, ist schon eine neue Qualität der Chance für einen innerkoreanischen Dialog, der dann natürlich auch in eine internationale Lösung der Nuklearfrage münden kann. Ich sage bewusst "kann", denn für alle Beteiligten liegt noch ein hartes Stück Weg vor ihnen.
    Müller: Wir haben nachgeguckt. Vor zehn Wochen haben wir beide an dieser Stelle auch darüber gesprochen, als Donald Trump laut wurde, als Kim Jong Un laut wurde, als wieder Raketentests gestartet wurden von nordkoreanischer Seite. Da haben Sie gesagt, so schlimm aus Ihrer Sicht war das seit vielen, vielen, vielen Jahren nicht mehr. Das Ganze könnte eskalieren. – Jetzt diese Situation. Warum ging das jetzt so schnell?
    Koschyk: Ich glaube, Kim Jong Un hat erkannt, dass er aus seiner Ecke raus muss, um wirklich überleben zu können, dass diese totale Isolation, auch die Geschlossenheit des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ihn nicht weiterbringt. Und er hat ja in diesem Jahr den Auftakt gemacht, indem er zwar in seiner Neujahrsrede - und bei Neujahrsreden der nordkoreanischen Machthaber soll man immer genau hinhören - "Business as usual" geboten hat, aber dann das Angebot, eine Mannschaft zu den Olympischen Spielen zu schicken, den Dialog mit dem Süden zu führen. Moon Jae In, der südkoreanische Präsident, hat diese Chance ergriffen, hat sich auch ein Stück durchgesetzt gegenüber amerikanischem Widerstand. Als ich vor kurzem mit Bundespräsident Steinmeier in Japan und Korea war, hatten wir auch ein sehr ausführliches Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten, und da hat man gespürt, da ist jemand, der hat eine Vision, der will alles probieren, um wieder zu einer Phase des Dialogs und der Annäherung auf der koreanischen Halbinsel zu kommen, ohne naiv zu sein, ohne die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu gefährden. Insofern hat mich das an das erinnert, was ja auch immer deutsche Politik war, innerdeutsche Annäherung zu befördern, ohne die Zuverlässigkeit im Bündnis und auch in Europa zu gefährden. Auf diesem Weg ist der südkoreanische Präsident Moon Jae In.
    Atomwaffenfähigkeit Nordkoreas als Faustpfand
    Müller: Das wollte ich gerade sagen. Das ist die südkoreanische Perspektive auf die Dinge. Die war vorher ja auch schon viele, viele Jahre oder häufig zumindest in politischen Phasen gegeben, die Offenheit, in den Dialog zu treten, aufeinander zuzugehen. Die Entscheidung fällt ja, wenn wir das richtig verstanden haben, immer in Pjöngjang.
    Sie haben damals gesagt, die Atomwaffenfähigkeit Nordkoreas, die ja immer noch zur Disposition und zur Diskussion steht, das ist das Faustpfand, was Kim Jong Un hat. Und solange er über diese Entwicklungshoheit verfügt, hat er auch die Macht im Land. Warum gilt das jetzt potenziell nicht mehr?
    Koschyk: Wir haben ja von Kim Jong Un selber gehört gegen Ende des letzten Jahres, dass er diese Nuklearfähigkeit, auf Augenhöhe mit den USA zu verkehren und sich für unangreifbar zu halten, für abgeschlossen hält. Von daher glaube ich, die Logik bei Kim Jong Un ist, vor allem auch, wie er sie dem eigenen Land erklärt: Wir sind jetzt unangreifbar. Man hat jetzt vor uns Respekt. Und in dieser Position "vermeintlicher Stärke" können wir jetzt auch den Dialog führen. – Kim Jong Un hat ja immer propagandistisch vor allem in die eigene Bevölkerung und in die eigenen Machtapparate hinein erklärt, wir wollen beides: Wir wollen Unangreifbarkeit durch Nuklearfähigkeit, aber wir wollen auch die Entwicklung des Landes. Und die Logik, die er jetzt nach innen verkündet, ist: Wir haben durch unsere Anstrengungen im nuklearen Bereich uns unangreifbar gemacht und jetzt können wir uns öffnen. Jetzt können wir den Dialog führen, um das Land zu entwickeln. Das geht nur mit dem Süden und unter Überwindung der Isolation.
    Müller: Wobei er ja zugleich gestern offenbar angedeutet hat, zumindest ins Spiel gebracht hat, wenn die Amerikaner den Nordkoreanern Sicherheitsgarantien geben, dann könnte er auf Atomwaffen, auf das Atomwaffenprogramm verzichten. Kann das sein?
    Koschyk: Und das ist genau der Punkt. Ich beobachte das jetzt seit gut 20 Jahren, das Auf und Ab der Lösung der Nuklearfrage auf der koreanischen Halbinsel. Man war oft schon sehr weit und immer hat irgendeine Seite den entscheidenden Schritt nicht unternommen. Moon Jae Ins, des südkoreanischen Präsidenten Philosophie ist, wir müssen jetzt Vertrauen schaffen, wir müssen jetzt einen innerkoreanischen Dialog führen, aber das muss irgendwann verkoppelt werden und angebunden werden an einen amerikanisch-nordkoreanischen Dialog, und irgendwann muss man wieder ein Format finden, etwa in den Sechs-Parteien-Gesprächen, um mit allen Beteiligten - dazu gehört China, dazu gehört Russland, dazu gehört Japan - die Nuklearfrage dauerhaft zu lösen.
    "Moskau darf man nicht vernachlässigen"
    Müller: China haben Sie jetzt genannt, darüber haben wir auch in den vergangenen Jahren immer wieder gesprochen. Da haben Sie gesagt, das ist der entscheidende Faktor. Die Amerikaner spielen eine Rolle, die Südkoreaner spielen eine Rolle, aber entscheidend sind die Chinesen. Waren die Chinesen jetzt auch entscheidend beteiligt?
    Koschyk: Moon Jae In hat ja auch intensiv an der Verbesserung der südkoreanisch-chinesischen Beziehungen gearbeitet. Und ich habe in den letzten Wochen von chinesischer Seite immer wieder gehört, wir vertrauen dem südkoreanischen Präsidenten, dass er nicht blind den USA folgt, sondern wirklich die Chancen für Annäherung, für Dialog auslotet. Deshalb, glaube ich, wird China das jetzt begleiten, weil es ein gewisses Vertrauen in den südkoreanischen Präsidenten hat. Und insgesamt wird all das, was jetzt beginnt, nur erfolgreich sein, wenn diese Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft, das heißt Übereinstimmung, wie man weiter vorgeht, zwischen China und den USA, aber auch den übrigen Beteiligten im Weltsicherheitsrat erhalten bleibt. Und auch Russland darf man in dieser Frage nicht vernachlässigen, denn Nordkorea hat immer versucht, seine beiden Verbündeten, Russland und China, früher die ehemalige Sowjetunion und China, auszuspielen. Deshalb ist jetzt viel diplomatisches Geschick erforderlich, um diesen Schwung der innerkoreanischen Annäherung am Schluss auch in eine substanzielle Lösung der Nuklearfrage zu überführen.
    Müller: Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Die Rolle Moskaus heißt …
    Koschyk: Moskau darf man nicht vernachlässigen!
    Müller: War Moskau konstruktiv in dieser Auseinandersetzung in den vergangenen Monaten?
    Koschyk: Moskau war in dieser Auseinandersetzung konstruktiv. Moskau hat ja durch Putin selbst auch Vermittlung in diesem Konflikt angeboten. Der südkoreanische Präsident hat in den letzten Wochen und Monaten viel Mühe durch die Diplomatie seines Landes verwandt, mit möglichst vielen Beteiligten, die am Schluss für eine Gesamtlösung gebraucht werden, zu sprechen.
    "Es kommt darauf an, dass auch der amerikanische Präsident der südkoreanischen Seite vertraut"
    Müller: Reden wir vielleicht ganz kurz auch noch mal über Washington. War es vielleicht auch konstruktiv, war es vielleicht produktiv, dass Donald Trump so hart war, auch verbal in dieser Auseinandersetzung?
    Koschyk: Lieber Herr Müller, wir haben immer bei unseren Gesprächen festgestellt, dass es beides braucht. Es braucht Entschlossenheit, es braucht Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft. Aber am Schluss braucht es auch den Dialog. Und wenn es eine Rollenverteilung gegeben hat und gibt, dass Donald Trump immer den Stock gezeigt hat und jetzt Moon Jae In die Zuckerstange, dann, finde ich, soll man nicht darüber streiten, wer einen größeren Erfolg an der Sache hat. Jetzt kommt es nur darauf an, dass man auf dieser Linie weiterfährt und dass die amerikanische Seite, auch der amerikanische Präsident der südkoreanischen Seite vertraut und der südkoreanischen Seite jetzt auch die Möglichkeit überlässt, dieses Gipfeltreffen gut vorzubereiten, gut zu organisieren, zu einem wirklichen Erfolg zu führen. Dann müssen die USA auch irgendwann bereit sein für direkte Gespräche mit Nordkorea.
    Müller: jetzt haben wir nur noch wenige Sekunden. Ich muss Sie das trotzdem fragen, weil Sie seit Jahrzehnten dort auch politisch engagiert sind. Haben Sie jetzt ein bisschen besseres Gefühl?
    Koschyk: Ja! – Ganz eindeutig.
    Müller: Vielen Dank! - Hartmut Koschyk bei uns im Deutschlandfunk, der Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums. Ihnen noch einen schönen Tag. Auf Wiederhören.
    Koschyk: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.