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Gespür für Spannungen
Hummeln nehmen Elektrizität wahr

Luftballon auf dem Kopf rubbeln - und schwups stehen die Haare zu Berge. Die elektrostatische Anziehungskraft, die wir nur sehen können, kann die Hummel auch spüren: Durch das Auslenken feiner Sinneshaare wird ein neuronales Signal erzeugt. Britische Forscher sind begeistert.

Von Anneke Meyer | 31.05.2016
    Eine Hummel fliegt auf eine Blume zu
    Eine Hummel fliegt auf eine Blume zu (dpa/picture alliance/Ralf Hirschberger)
    Sie fliegen wieder. Der Frühling hat begonnen. Und damit auch das emsige Treiben auf den Blüten. Wie das mit den Bienen und den Blumen funktioniert, ist allseits bekannt. Eher selten kommt dabei zur Sprache, dass bei erfolgreicher Bestäubung auch Spannungen eine Rolle spielen. Beim Austausch von Pollen helfen elektrostatische Anziehungskräfte, erklärt Gregoy Sutton, Wissenschaftler an der Universität im Englischen Bristol:
    "In der Atmosphäre gibt es ein ständiges elektrisches Feld. Eine Blume, die etwa dreißig Zentimeter hoch ist, hat im Verhältnis zur Luft um sie herum ein Potential von etwa dreißig Volt. Hummeln laden sich beim Fliegen positiv auf. Wenn sie sich auf eine Blüte setzt klebt der negativ geladene Pollen an ihr fest. Auf dem Weg zur nächsten Blüte polt er sich um. Am Ziel angekommen bleibt der jetzt positive Pollen an der negativ geladenen Blume kleben."
    Blumen und Hummeln profitieren vom Spannungsfeld
    Erst seit kurzem weiß man, dass nicht nur die Blumen Nutznießer dieser elektrostatischen Anziehungskräfte sind. Gregory Sutton und seine Kollegen berichteten vor drei Jahren in Science, dass Hummeln in der Lage sind die elektrischen Felder der Blumen zu spüren. Am Spannungsfeld könnten sie erkennen welche Blüten vor kurzem bestäubt wurden. Das verhindert zeitaufwendiges anfliegen von schon geleerten Nektarkelchen.
    Eine verblüffende Entdeckung, die den Wissenschaftlern allerdings ein Rätsel aufgab, das Gregory Sutton unbedingt lösen wollte: Wo ist das elektrische Sinnesorgan der Insekten?
    "Wir haben uns zuerst die Antennen vorgenommen, denn die Fühler sind vollgestopft mit Sinnesrezeptoren. Und ganz unter uns: Wir dachten es wäre einfach unglaublich lustig zu sagen, Hummeln haben eine Antenne für Elektrizität."
    Schnell aber wurde die Suche nach dem sechsten Sinn zu einer haarigen Angelegenheit. Statt der Antenne brachte Pelz der Hummel Spannung in die Sache.
    "Die Haare der Hummeln werden durch ihren Flügelschlag elektrisch aufgeladen. Das ist genau das was passiert, wenn man sich einen Luftballon auf dem Kopf rubbelt. Wenn die Hummel mit ihren geladenen Haaren auf ein anderes Spannungsfeld trifft, entsteht eine Kraft die das Haar beugt. Und das können sie an der Haarwurzel spüren."
    Auch andere Insekten mit Sinn für Elektrizität?
    An der Basis etwa jedes zehnten Haares fanden die Wissenschaftler eine Nervenzelle, die auf die Bewegung des Haares mit Aktionspotentialen reagierte. Gregory Sutton glaubt, dass Hummeln nicht die einzigen Insekten sind die so ein spannungsempfindliches Sinnesorgan besitzen:
    "Es gibt immer mehr Hinweise, dass auch andere Insekten auf Elektrizität reagieren. Wir haben jetzt einen passenden Mechanismus gezeigt. Und tatsächlich haben viele Insekten Haare. Wir glauben also immer mehr, dass das ein genereller Mechanismus sein könnte. Falls das so ist, wäre das ein total unbekanntes Feld."
    Nicht nur Blumen, auch Tiere sind elektrostatisch geladen. Von Fischen wie Haien oder Rochen weiß man schon lange, dass sie Elektrizität benutzen um Beutetiere aufzuspüren. Auch Insekten mit einem Sinn für Elektrizität könnten auf etwa zehn Zentimeter Entfernung einen Fressfeind oder ein Beutetier daran erkennen, dass Spannung aufkommt. Die über den Körper verteilten Sinneshaare geben 360 Grad Wahrnehmung, sind schneller als jeder Geruch und schlagen Alarm, bevor es zu einer Berührung kommt.
    "Wir bringen Insekten nicht mit Elektrizität in Verbindung. Der Gedanke, dass sie einen Sinn den wir nicht beachtet haben für alles Mögliche benutzen könnte - das macht mich total kirre im Kopf."