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Gestochen scharf

Technik. - Die Werbeblöcke quellen schier über vor Spots für Fernseher, die den neuen hochauflösenden Fernsehstandard HDTV verarbeiten können, da präsentieren Forscher des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen schon die nächste Stufe der Entwicklung: gestochen scharfes, digitales Kino. Vor dem Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen Polen stellten sie es dem Publikum vor.

Von Wolfgang Noelke | 15.06.2006
    Eine knappe Stunde vor dem Anpfiff in Dortmund geniessen die Kinobesucher einen Blick in die Zukunft, quasi vom besten Platz im Stadion. Die Aufzeichnung eines Fußballspiels durch zwei in einem Stadion festinstallierte und unbewegliche Digitalkameras. Die eine Kamera zeigt die linke, die andere die rechte Hälfte des Spielfeldes und wie im richtigen Stadion müssen jetzt die Köpfe der Zuschauer den zwar winzigen, jedoch gestochen scharf abgebildeten Spielern folgen.
    Für Dr. Siegfried Fößel, im Erlanger Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen verantwortlich für die Entwicklung des Chips in den ARRIFLEX- Digitalkino-Kameras ist diese Schärfe und Brillanz des Bildes kein Wunder:

    "Die ARRI hat natürlich einen gewissen Meilenstein erreicht, indem vor allem die Auflösung und Bildgröße dem eines 35mm- Films entspricht. Wir haben hier statt eines 3-Chip- Systems eine 1-Chip-Kamera. Der Sensor hat die Größe eines 35mm- Formats, so dass wir genau dieselben optischen Eigenschaften haben, wie eine Filmkamera. Wir verwenden auch sechs Millionen Bildpunkte auf dem Bildsensor, um eine möglichst gute Auflösung zu erhalten. Alle Verarbeitungsschritte, wie De-Mosaicing oder entsprechende Aufbereitungen erfolgen in der Kamera. Am Ende machen wir übrigens eine Down-Konvertierung auf 2K, um dann auch noch mal die Schärfe etwas zu erhöhen."

    2 K bedeutet, dass auf dem 35 mm Chip, im HDTV-16:9-Format 2880 x 1620 Bildpunkte aktiv sind - im klassischen 4:3- Format, bei dem die normalerweise schwarzen Streifen oben und unten mit zum Bild gehören, wären es sogar 3018 x 2200 Bildpunkte, also 3K. Um die Länge eines Fußballfeldes für die Breite einer Kinoleinwand aufzunehmen, montiert man einfach zwei Kameras nebeneinander. Nur die Mitte des Spielfeldes überlappt bei beiden Kameras. Siegfried Fößel:

    "Hier haben wir die original sechs Millionen Bildpunkte, das sind 3k mal 2k von jeder Kamera verwendet und entsprechend aufbereitet und nicht herunterkonvertiert und aus diesen 6k mal 2k, die man aus den beiden Kameras gewinnt, haben unsere Kollegen vom Heinrich- Hertz- Institut ein ‚stitching' durchgeführt, das heißt: an den Nahtstellen müssen natürlich geometrische Entzerrungen vorgenommen werden, um das nahtlos aneinander zu bauen und projizieren zu können."

    Die letzte Reihe des Kinosaals ist belegt mit Kabeln, Rechnern und den Projektoren. Hier testet Dr. Ralf Schäfers Team vom Berliner Heinrich-Hertz- Institut ein letztes Mal, ob die technisch sehr ungewöhnliche Projektion funktioniert. Schäfer:

    "Wir haben hier fünf Projektoren, um ein Bild mit sehr hoher Auflösung, also 5000 mal 2000 Bildpunkte zu projizieren. Wir nehmen dafür handelsübliche Projektoren. Da wir vertikale Streifen projizieren wollen, müssten wir die Projektoren auf die Seite drehen, was allerdings vom Aufbau der Kampen nicht erlaubt ist und deswegen verwenden wir hier ein Spiegel-System, um den Strahl einmal umzulenken. Und damit haben wir die Möglichkeit, fünf vertikale Streifen auf die Leinwand zu projizieren, die dann aber durch eine spezielle elektronische Einrichtung, die dafür sorgt, dass die Überblendung zwischen den einzelnen Streifen sanft ist. Wir nennen das Soft-Blending und dadurch sieht man die Übergänge nicht. Das ist eine Hardware, die uns dies Überblendung macht, aber diese Hardware muss kalibriert werden. Und dafür haben wir auch ein automatisches Kalibrierungssystem entworfen."

    Auf der Leinwand sind die Spieler dann so scharf abgebildet, dass deren Kontrast zum Rasen fast die Augen schmerzen lässt und dennoch sind sie so winzig, dass man, ähnlich, wie auf dem Fußballplatz gern ein Fernrohr benutzen möchte. Im Zuschauervergleich beider Formate, der normalen HDTV- Übertragung mit bewegten Kameras und der 5-K-Übertragung mit statischem Bild, siegt letzteres:

    "Tja, das Bild war ganz toll. Man fühlte sich direkt im Stadion."

    "Also es war natürlich eine bessere Auflösung vorhin, ein deutlicher Unterschied."

    "Da ich mir überhaupt nichts aus Fußball mache, würde ich mir ein Spiel nicht angucken, einen gut gemachten Dokumentarfilm in 5k würde ich mir jederzeit angucken."