Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Gestohlene und gefälschte Krebsmedikamente
Pharmaskandal erschüttert Brandenburg

In griechischen Krankenhäusern sollen Krebsmittel gestohlen und über einen Pharmahändler in Brandenburg in Umlauf gebracht worden sein. Wer sie bekommen hat und ob Schaden durch sie genommen wurde, ist neben vielen offenen Fragen noch unklar.

Vanja Budde im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 20.07.2018
    Medikamentenbeutel und Patient bei Chemotherapie
    Es besteht zudem die Gefahr, dass im Verlauf der Hehlerei die Kühlkette unterbrochen wurde und die Substanzen dadurch nicht mehr wirksam oder eventuell sogar schädlich waren (Imago)
    Ein Brandenburger Pharmahändler soll viele Jahre gestohlene und gefälschte Krebsmedikamente von einer Apotheke in Griechenland bezogen und diese in Umlauf gebracht haben, dieser Vorwurf steht im Raum und wurde vor kurzem in einem Bericht des ARD-Magazins "Kontraste" enthüllt.
    Anzeichen dafür, dass da irgendwas nicht stimmt, gab es schon länger. Nun stellen sich eine Menge Fragen dazu, die auch die brandenburgische Gesundheitsministerin, Diana Goltze, von der Partei "Die Linke" in Bedrängnis bringt.
    Nach Ansicht der oppositionellen CDU handele es sich um einen der größten Pharmaskandale der Bundesrepublik, sagte Vanja Budde, Landeskorrespondentin in Brandenburg, im Dlf. Die gestohlenen Medikamente sollen über den Brandenburger Zwischenhändler mehrere Jahre lang ja in ganz Deutschland vertrieben worden sein, von Umsatz in Millionenhöhe ist die Rede.
    Im Winter 2016 bereits erste Hinweise
    Es handelte sich wohl um Medikamente hauptsächlich für die Chemotherapie. Es besteht die Gefahr, dass im Verlauf der Hehlerei die Kühlkette unterbrochen wurde und die Substanzen dadurch nicht mehr richtig wirksam oder eventuell sogar schädlich waren. Bei Stichproben im Landeslabor ist 2017 nach Angaben des Gesundheitsministeriums eine einwandfreie Qualität festgestellt worden. Doch waren das Stichproben, von denen der Zwischenhändler auch noch vorab informiert war.
    Dabei gab es schon im Winter 2016 erste Hinweise, dass es bei dem Pharma-Grossisten nicht mit rechten Dingen zugeht. Griechische und polnische Gesundheitsbehörden warnen: Die teuren Krebsmedikamente stammten von einer Apotheke in Griechenland, die mit einer Diebesbande zusammen arbeite. Diese mittlerweile von der griechischen Polizei dingfest gemachte Bande stehle die Medikamente in großem Umfang in griechischen Krankenhäusern und schmuggele sie nach Deutschland.
    Ermittlungen wegen Hehlerei
    Im April 2017 schaltet sich die Brandenburger Staatsanwaltschaft ein und ermittelt wegen Hehlerei. Die Staatsanwälte wenden sich dafür auch an das Landesamt für Gesundheit. Das untersagt im Juni 2017 dem Zwischenhändler, mit dieser griechischen Apotheke Geschäfte zu machen. Zunächst wurde dem Händler nicht die Lizenz entzgen, das hat das Gesundheitsministerium erst am 20.7. nachgeholt. 2017 wurden auch nicht offensichtlich Ärzte und Patienten gewarnt, noch das Gesundheitsministerium informiert. So zumindest die Aussage von Ministerin Diana Goltze im RBB-Fernsehen:
    "Dieses Landesamt ist natürlich eine eigenständig arbeitende Behörde, sie hat die Vollmacht zu handeln nach Recht und Gesetz, nach allen Grundlagen, dem Arzneimittelgesetz und vielen anderen gesetzlichen Grundlagen. Trotzdem hätte ich erwartet, dass bei einem Fall dieser Brisanz mit staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen eine Firma in Brandenburg, dass ich informiert worden wäre."
    Die Ministerin hat sich nun die Akten kommen lassen und beugt sich höchstselbst darüber, wie sie sagt. Ihr Ministerium hat seit Freitag, 20. Juli eine Hotline geschaltet: Unter 0331 866-5020 können sich beunruhigte Patienten, Apotheker und Ärzte informieren.
    Viele Fragen offen
    Bislang weiß man nicht, wer betroffen ist. 700 Packungen von insgesamt zehn Substanzen, die noch im Umlauf waren, hat das Landesgesundheitsamt vor zwei Tagen zurück gerufen, aber noch ist unklar, wem genau die Stoffe in den Jahren zuvor verabreicht wurden und ob dadurch Schäden entstanden sind. Dabei müsse das Landesamt aber im vergangenen Jahr schon gewusst haben, dass die Krebsmittel gestohlen waren, sagt Ministerin Goltze:
    "Wer hat wann was gewusst und hätte wie handeln müssen und hat es warum nicht getan? Denn hier sind Menschen betroffen, die jetzt sehr verunsichert sind, was mir sehr leid tut und deshalb müssen wir das lückenlos aufklären."
    Viele Fragen bleiben offen. Die CDU wirft der Landesregierung Versagen vor und stellt die These in den Raum, Schwerkranken sei dadurch Schaden zugefügt worden. Die CDU-Fraktion im Landtag erhebt auch den Vorwurf, dass nach Angaben griechischer Behörden das Gesundheitsministerium als zuständige Aufsichtsbehörde sehr wohl frühzeitig informiert worden sei. Die ebenfalls oppositionellen Grünen sprechen von verletzter staatlicher Fürsorgepflicht: Bereits beim ersten Verdacht im Frühjahr 2017 hätten die Medikamente sofort vom Markt genommen werden müssen. Die AfD fordert den Rücktritt von Diana Goltze.
    Im Gesundheitsministerium läuft derweil das Aktenstudium auf Hochtouren. Nicht nur will man herausfinden, welche Medikamente genau der große Zwischenhändler an wen geliefert hat.
    Auch muss die Ministerin sich wappnen: Der Brandenburger Landtag unterbricht wahrscheinlich seine parlamentarische Sommerpause. In der kommenden Woche soll der Gesundheitsausschuss zu einer Sondersitzung zusammen kommen. Dort wird das Ministerium dann en Detail Stellung nehmen müssen, was da alles schief gelaufen ist.