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Gesucht: die Fachkräfte von morgen

Der Arbeitgeberverband Nordmetall ist in den Sommerferien in den Urlaubsorten der Nord- und Ostseeküste unterwegs, um Nachwuchs für die Berufe der Metall- und Elektroindustrie zu werben. Doch genau das ist alles andere als einfach.

Von Dietrich Mohaupt | 22.07.2011
    Ein paar Fischkutter dümpeln im Büsumer Hafenbecken, Möwen streiten sich um Essensreste, gut gelaunte Urlauber schlendern an den Geschäften und Restaurants vorbei Richtung Strand – ein richtiges Urlaubsidyll, in dem der fast 18 Meter lange bunte Gelenkbus des Arbeitgeberverbandes Nordmetall ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkt. Im Bus steckt Rainer Zellmer gerade mitten in der Berufsberatung.

    "Die meisten Firmen bieten sogar an, wenn Du mit einem Realschulabschluss Deine Lehre beginnst, hast Du die Möglichkeit, während der Lehre parallel zu der Ausbildung Deinen Fachoberschulabschluss zu machen."

    Gute Bildungschancen, klare Perspektiven – man muss dem potenziellen Nachwuchs schon was bieten. Seit neun Jahren tut Rainer Zellmer genau das – und zwar mit viel Engagement. Als "Metaller alter Schule" versucht er seine Begeisterung für den Beruf weiter zu geben. Er erklärt den Schülern die Computerterminals, an denen sie sich Videos zu den mehr als 30 Berufen in der Metall- und Elektrobranche ansehen, drückt ihnen Infobroschüren in die Hand – und führt ihnen das Herzstück des Infomobils vor, eine kleine aber voll funktionsfähige CNC-Fräse:

    "CNC – Computerised Numerical Control, heißt: Computer sind Rechner, Numerical sind Zahlen, Control heißt steuern – wir steuern also diese Maschine mithilfe von Zahlen über einen Rechner. Und das ist angewandte Mathematik."

    Eine Gruppe Jugendlicher aus Lübeck hat den Weg in den Bus gefunden – obwohl eigentlich ja der Strand lockt. Jetzt sind sie aber erst einmal neugierig geworden – sie dürfen selber am Rechner die Koordinaten eingeben und damit das Fräsewerkzeug an eine bestimmte Stelle des zu bearbeitenden Metallwürfels führen – gar nicht so einfach:

    "So – und jetzt zu dem Punkt hinfahren. Y35 – ne ne ne, überlegt mal: ihr steht hier, wenn ihr y35 sagt fährt er hierhin, wir wollen aber dahin. X20 – jawoll. Habt ihr verstanden, wie die Maschine arbeitet – ja?"

    Auch wenn das Ja noch etwas zögerlich kommt – die Jugendlichen haben auf jeden Fall ihren Spaß an der CNC-Fräse – der Ausbildungsberuf dazu heißt übrigens Zerspanungsmechaniker, das könnte schon was sein, überlegt sich Tim Krage:

    "Ja, das könnte ich mir überlegen, sowas zu machen. Ich find' das eigentlich ganz schön einfach – muss man ja nur ein bisschen Zahlen eintippen und die Maschine macht das ja alles."

    Genau das will Rainer Zellmer erreichen: die Jugendlichen sollen Kontakt aufnehmen zu den Berufen der Metall- und Elektrobranche, und da hilft natürlich der direkte Umgang zum Beispiel mit so einer CNC-Fräse:

    "Warum arbeitet die Maschine jetzt so und wie macht sie das und was kann ich davon beeinflussen. Das ist für viele Schüler schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung, zu sagen: Mensch das macht ja Spaß, das kann ich. Und sie haben auch ein Erfolgserlebnis, wenn sie dann so einen kleinen Stern da gefräst haben. Da haben sie schon mal selber was hergestellt, was sie natürlich auch wiederum in unsere Richtung dann führt, das ist eine ganz klare Geschichte."

    Genauso funktioniert Werbung – und Werbung tut wirklich Not. Viele Unternehmen der Metall- und Elektrobranche suchen händeringend nach geeigneten Azubis:

    "Also wir haben im Augenblick hier bei Nordmetall die Rückmeldung von den Firmen, dass so gut 15 Prozent unserer Ausbildungsplätze noch nicht besetzt sind – und das ist schon für Nordmetall ne große Menge, das muss man einfach ganz klar sehen."

    Die Metall- und Elektroarbeitgeber im Norden liegen damit im bundesweiten Trend. Dagegen hilft nur, das einmal geweckte Interesse der Schüler auch wirklich zu nutzen und ihnen den weiteren Weg in einen entsprechenden Ausbildungsberuf so leicht wie möglich zu machen:

    "Wir haben zu jedem unserer Berufe Adressdateien mit Firmen, die in diesen Berufen ausbilden. Und wir versuchen auch, sie zu motivieren, zu sagen: Komm, macht da mal ein Praktikum, meldet euch da, druckt euch die Adressen aus, schreibt da hin – damit sie in Bewegung kommen, damit sie dann auch wirklich live vor Ort sehen, wie es in diesen Firmen zugeht und welche Chancen sie dann auch haben."

    Und noch etwas versäumt Rainer Zellmer nie, den Schülern mit auf den Weg zu geben: es hat sich einiges getan in der Branche, den typischen Metaller, die alten Klischees, die gibt es längst nicht mehr:

    "Das Berufsbild hat sich in den letzten 50 Jahren schon geändert, diesen dreckigen Blaumann, der Riesenkerl, der ungeheure Kräfte haben muss – den gibt's bei uns in den Firmen nicht mehr. Wir brauchen Leute, die mit Sachverstand an die Sachen herangehen – für die schweren Arbeiten haben wir Maschinen."

    Und genau denen widmet sich Rainer Zellmer dann wieder – an der CNC-Fräse stehen schon wieder ein paar Jugendliche. Sommer, Sonne, Strand und Meer – das alles ist jetzt ganz weit weg, gespannt verfolgen sie die einzelnen Programmierungs- und Arbeitsschritte an der Maschine:

    "G0, X0, Y0, Z1 – wir fahren genau einen Millimeter über das Werkstück. Enter und Start – und dann fahren wir da mal hin. ( ... ) Die Mitte des Fräsers steht genau auf der vorderen linken Ecke."