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Gesundheit
Alternative zu Bisphenol A

Die Alltagschemikalie Bisphenol A wird unter anderem in Kunststoffflaschen verwendet. Und das, obwohl der Stoff im Verdacht steht, die Fruchtbarkeit von Frauen zu beeinträchtigen. Mit Bisguaicacol-F könnten US-Forscher eine Alternative gefunden haben. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

Von Hellmuth Nordwig | 17.03.2014
    Babyflaschen hängen in einem Supermarktregal.
    Bisphenol A greift nach Meinung vieler Forscher in den Hormonhaushalt ein. In Babyflaschen darf es deshalb nicht mehr verwendet werden. (picture alliance / dpa/ Weng lei - Imaginechina)
    Vielen gilt sie als Teufelszeug: die Chemikalie Bisphenol A, Ausgangsmaterial für zahlreiche Kunststoffprodukte. Bisphenol A greift nach Meinung vieler Forscher in den Hormonhaushalt ein, und deshalb dürfen daraus keine Babyfläschchen mehr hergestellt werden. Doch die Industrie sucht auch aus einem anderen Grund nach Ersatz, weiß die Chemikerin Kaleigh Reno von der University of Delaware in Newark.
    "Bisphenol A wird aus Erdöl hergestellt, dessen Vorrat zu neige geht. Wir versuchen deshalb, die Kunststoffproduktion zukünftig nachhaltiger zu gestalten. Wenn ein alternativer Rohstoff aus einer erneuerbaren Quelle hergestellt werden kann, ist das also sehr willkommen."
    Eine solche Alternative könnte eine Chemikalie namens Bisguaicacol-F darstellen, kurz BGF. Vorstufen dieser Substanz haben die US-Chemiker aus Lignin gewonnen. Lignin fällt bei der Papierherstellung in großen Mengen als Abfall an. Könnte man daraus einen Massenkunststoff herstellen, wäre das äußerst sinnvoll. Den ersten Schritt dorthin haben die Forscher bereits geschafft: Sie haben im Labor Substanzen aus Lignin isoliert und daraus Bisguaiacol-F hergestellt.
    "Wir haben diesen Prozess so gestaltet, dass die Chemie die gleiche ist wie bei der Herstellung von Bisphenol A. Wir benutzen den gleichen Katalysator und dieselben Reaktionsbedingungen. Wir können also auf die Industrie zugehen und sagen: Hier ist eine alternative Substanz, die mit dem gleichen Verfahren erzeugt werden kann."
    BGF war kein Zufallsfund. Mithilfe von Simulationsprogrammen können Chemiker ziemlich genau abschätzen, wie eine Verbindung aufgebaut sein muss, um bestimmte Eigenschaften zu haben. Auf diese Weise haben Kaleigh Reno und ihre Kollegen das BGF-Molekül so maßgeschneidert, dass es zwei Anforderungen erfüllt:
    "Zum einen soll es sich in einem Kunststoff so verhalten wie Bisphenol A. Wir nehmen an, dass so ein Material die gleichen mechanischen Eigenschaften hat. Auf der anderen Seite haben wir das BGF-Molekül so gestaltet, dass es sich bezüglich der gesundheitlichen Wirkung gerade nicht so verhält wie Bisphenol A. Und da erwarten wir, dass es nicht in die biochemischen Signale im Körper eingreift."
    Bewiesen ist das beides noch nicht, auch wenn viel dafür spricht. Die chemischen Eigenschaften sind denen von Bisphenol A sehr ähnlich. Für die Industrie fehlt aber oft der Anreiz, von einem bewährten und ausgereiften Verfahren auf eine neue Produktionsmethode umzustellen. Und auch was die toxikologischen Eigenschaften angeht, gibt es bisher nur Simulationen mit einem Computerprogramm der US-Umweltbehörde. Tierversuche beginnen gerade erst. Angesichts dessen warnt Dr. Wolfgang Völkel vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vor einem vorschnellen Ersatz von Bisphenol A.
    "Wir können natürlich diesen Stoff ersetzen, aber wir ersetzen ihn ja durch einen anderen Stoff. Und in aller Regel sind das dann neuere Stoffe, zu denen wir wesentlich weniger Daten haben. Und ob man da dann wirklich auf der sichereren Seite ist, wenn man diesen Stoff durch einen Stoff ersetzt, den man noch nicht so kennt?"
    Bisguaiacol-F ist also im Moment noch nicht mehr als eine interessante Substanz, die aus dem Abfall der Papierherstellung gewonnen werden kann. Dass es wirklich das Zeug dazu hat, ein harmloser Ersatz für Bisphenol A zu werden, müssen die Chemiker aus Delaware erst noch zeigen.