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Gesundheit per Telefon

In einer alternden Gesellschaft steigt auch die Zahl der chronisch Kranken und damit steigen auch die Kosten im Gesundheitswesen. Ein neuer Trend ist die Betreuung chronisch kranker Patienten per Telefon und Internet. Anfang des Jahres hat das US-amerikanische Unternehmen Healthways seine erste Niederlassung in Deutschland eröffnet. Healthways ist entschlossen, im deutschen Gesundheitswesen Fuß zu fassen und neue Methoden einzuführen.

Von Claudia van Laak | 04.01.2008
    Hennigsdorf, nördlich von Berlin. Ein ganz normales Call-Center, wie es sie zu hunderten gibt. Die Mitarbeiter - überwiegend Frauen - tragen Kopfhörer mit Mikrophon, auf dem Schreibtisch vor ihnen ein Bildschirm. Das Besondere: Alle Mitarbeiter dieses Callcenters sind von Beruf Krankenschwester oder - pfleger, haben mehrere Jahre Praxiserfahrung und beraten nun Patienten, die an chronischer Bronchitis, Diabetis oder Herzerkrankungen leiden. Michael Klein, Geschäftsführer von Healthways:

    "Healthways betreut Patienten mit chronischen Erkrankungen. Das sind Patienten, bei denen eine Diagnose vorliegt, die in der Therapie drin sind und die von uns unterstützt werden, mit der Krankheit gut umzugehen."

    Die insgesamt 100 Mitarbeiter von Healthways - 80 von ihnen Pflegekräfte - werden in den nächsten Wochen Kontakt zu 25.000 Versicherten der Deutschen Angestellten-Krankenkasse DAK in Bayern und Baden-Württemberg aufbauen. Das Ziel der telefonischen Beratung: die Versicherten sollen sich therapietreu verhalten, zum Beispiel Ernährungspläne einhalten oder ihre Medikamente regelmäßig einnehmen. Das macht die chronisch Kranken zufriedener und spart der DAK Kosten, so Jörg Bodanowitz, Sprecher der DAK:

    "Wir wollen Ausgabensteigerungen vermeiden, da machen wir gar keinen Hehl daraus. Insofern treffen wir hier auf den Wunsch des Patienten nach mehr Lebensqualität und gleichzeitig passt das gut zu den ökonomischen Voraussetzungen einer Krankenkasse, nämlich wirtschaftlich zu arbeiten. "

    Die DAK hat aus diesem Grund mit der deutschen Tochter von Healthways in Hennigsdorf einen Vertrag über drei Jahre abgeschlossen, ein Teil der Vergütung wird erfolgsabhängig gezahlt. Das US-amerikanische Mutterunternehmen verfügt über eine 25-jährige Erfahrung im Umgang mit chronisch Kranken und betreut in den USA 2,5 Millionen Patienten. Geschäftsführer Michael Klein:

    "Die Hypothese ist eben, dass wir, basierend auf den Erfahrungen, die wir dort gemacht haben, einfach davon ausgehen, dass das in Europa, konkret in Deutschland, mit ähnlichen oder gleichen Ergebnissen funktioniert."

    Auf jede ausgeschriebene Stelle hat Healthways sieben Bewerbungen erhalten. Viele Krankenpfleger und Schwestern haben frustriert ihren Job im Krankenhaus aufgegeben, weil sie dort zu wenig Zeit für ihre Patienten hatten. Sie erhoffen sich von ihrem neuen Job:

    "Mit etwas mehr Zeit vor allen Dingen die Menschen aufzufangen, die noch Wissenslücken haben, die eine Auffrischung brauchen, die Informationen benötigen, die Zeit brauchen, auch mal über die Sorgen und Nöte zu reden. Das sind Dinge, die im Krankenhaus nicht mehr erledigt werden können, die eine Arztpraxis heute auch nicht bewältigt. Ich denke, da sind wir die richtigen Ansprechpartner dafür. "

    "Für mich stand in der Pflege oft im Vordergrund die Kommunikation. Die ist im Berufsalltag immer kürzer getreten. Es wurde immer weniger mit den Patienten und über die Patienten gesprochen. Und hier steht die Kommunikation eben im Vordergrund. "

    Allerdings nur die telefonische Kommunikation anhand eines computerbasierten Gesprächsleitfadens. Aber erst einmal bekommen die neuen Mitarbeiter von Healthways umfangreiche Schulungen, bevor sie die DAK-Versicherten anrufen:

    "Wir sind wieder vollzählig. Wie angekündigt, jetzt starten wir in der Fortsetzung der Session aus der letzten Woche, Motivational Call, Ihr erinnert Euch."

    Gerhard Eisinger schult die gelernten Krankenschwestern, die sich künftig N-C-M, "Nurse-Care-Manager" nennen. Das heutige Thema: der Begrüßungsanruf.

    "Wir wollen Beziehungen begründen. Wir wollen eine Beziehung zu einem uns nicht bekannten Menschen begründen. Der Hintergrund: Wir wollen Verhalten beeinflussen, und der Weg dazu ist "buildung trust" , Vertrauen. Wir wollen Vertrauen bekommen und wir wollen Anlass geben, dass man uns vertrauen kann. "

    Neben Healthways bieten auch andere Gesundheitsdienstleister eine telefonische Betreuung von chronisch Kranken an. Geschäftsführer Michael Klein geht davon aus, dass dieser Markt in Zukunft wachsen wird:

    "Die Demographie weist diese Richtung ganz klar. Es ist auch so, dass einher mit der Demographie wird der Anstieg an chronischen Krankheiten gehen. Einfach wenn die Bevölkerung älter wird, wird es tendenziell mehr chronisch Kranke geben. "

    Healthways plant zu wachsen und will sich von seiner US-amerikanischen Mutter finanziell unabhängig machen. Deshalb hat das Unternehmen im Speckgürtel von Berlin investiert. Hier sind qualifizierte Arbeitskräfte vorhanden, Lohnkosten und Immobilienpreise vergleichsweise niedrig. Ein weiterer Vorteil: Brandenburg lockt mit guten Förderkonditionen.