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Gesundheitsfördernder Klimaschutz

Wenn der Mensch die Emission klimaschädlicher Gase reduziert, senkt er dadurch automatisch auch andere Arten von Luftverschmutzung – zum Beispiel gesundheitsschädigende Aerosole und Ozon. US-Forscher haben nun vorgerechnet, wie viele frühzeitige Tode eine Verringerung des CO2-Ausstoßes weltweit verhindern könnte.

Von Katrin Zöfel | 23.09.2013
    Kaum ein Mensch spürt bisher die Folgen der Klimaerwärmung, und selbst wenn jetzt alles Menschenmögliche getan würde, um die Emission klimawirksamer zu senken, wäre der Effekt dieser Maßnahmen erst in einigen Jahrzehnten spürbar. Die Forderung der Klimaschützer lautet im Grunde genommen: Strengt Euch heute an, damit ihr nicht in 30, 40, 100 Jahren Schlimmes erleben müsst. Es ist und bleibt eine sehr abstrakte Forderung. Forscher, die für mehr Klimaschutz eintreten, suchen deshalb Argumente, die unmittelbarer überzeugen.

    "Wenn CO2-Emissionen gesenkt werden, sinken auch die Emissionen von gesundheitsrelevanten Luftschadstoffen. Das geht praktisch automatisch, ziemlich schnell und in erheblichem Ausmaß."

    Die Rechnung, die der Forscher Jason West von der Universität von North Carolina in Chapel Hill da aufmacht, ist nicht neu. Aber er und seine Kollegen haben diesen Zusammenhang zum ersten Mal global und bis ins Jahr 2100 hinein durchgerechnet. Ihre Annahme: weltweit würde eine CO2-Steuer eingeführt. Darauf dürften Industrie und Privathaushalte reagieren, indem sie weniger Kohle und Erdöl verfeuern, stattdessen würden sie Energie sparen und Erdgas und erneuerbare Energien nutzen. Gerade jene Dreckschleudern, Kohle und Erdöl, die besonders viel gesundheitsschädliche Schadstoffe verursachen, nämlich Ozon und Feinstaub, würden zuallererst reduziert.

    "Von da aus gingen wir einen Schritt weiter, und rechneten mit einem globalen Atmosphärenmodell aus, wie sich die Belastung der Menschen mit diesen Luftschadstoffen verändern würde. Also: "Wo verringert sich die Belastung wie sehr, wohin werden die Schadstoffe in der Atmosphäre verfrachtet, und wie betrifft das die Menschen, die in Zukunft auf der Welt leben werden."

    Das Ergebnis: Vor allem in Südost-Asien wäre der Gewinn für die Gesundheit der Menschen immens, aber auch in Regionen, die bis heute schon viel für eine reinere Luft getan haben, wie Europa oder die USA, wäre der positive Effekt immer noch deutlich. Global betrachtet, würde eine solche Klimapolitik im Jahr 2030 pro Jahr rund eine halbe Million Menschen vor einem frühzeitigen Tod bewahren, im Jahr 2050 wären es 1,3 Millionen Menschen, im Jahr 2100 2,2 Millionen Menschen.

    "Dann stellen wir die Ausgaben für diese Klimapolitik in einer Art Kosten-Nutzen-Rechnung den geretteten Menschenleben gegenüber. Dabei wenden wir eine etablierte Methode der Ökonomie an: jedes Menschenleben bekommt einen Dollar-Wert, und zwar so viel, wie eine Gesellschaft bereit wäre zu zahlen, um ein Menschenleben zu retten. Dabei kommt heraus, dass der gesellschaftliche Nutzen die Kosten der Klimapolitik mindestens aufwiegt oder sogar übersteigt."

    Die positiven Effekte wären schnell und lokal spürbar. Dort wo besonders viel getan wird, verbessert sich auch besonders viel. Solche Argumente, hofft Jason West, könnten überzeugender sein, als die abstrakte Aussicht auf verhinderte Klimaschäden. Ohne entschiedenes Eingreifen der Politik allerdings werde es nicht gehen, Kollegen, die darauf hofften, dass Kohle und Erdöl rechtzeitig zur Neige gehen, seien schlicht naiv.

    "Keiner weiß, wie weit der Vorrat an fossilen Brennstoffen noch reichen wird. An Kohle zum Beispiel liegen noch große Vorkommen unerschlossen im Boden. Die Studien, die ich dazu kenne, besagen, dass es nicht reichen wird, sich einfach darauf zu verlassen, dass diese Rohstoffe schon rechtzeitig knapp werden."

    George Thurston von der New York University war an der neuen Studie nicht beteiligt. Von ihm stammen kleinräumigere Studien zum selben Thema. Er lobt die Arbeit der Kollegen und erhofft sich einen Schub in der Klimaschutzdiskussion.

    "Aus der Studie lassen sich klare politische Schlussfolgerungen ziehen. Mehr als aus allen Studien bisher. Womöglich sogar mehr als aus den ganzen IPCC-Berichten. Die argumentieren immer negativ: Welche Katastrophen werden geschehen, wenn wir nichts tun. Jetzt wird uns vorgerechnet, welche Vorteile es hätte, wenn wir etwas unternehmen."