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Gesundheitskonzerne von morgen

Private Investoren werben damit, jedes auch noch so defizitäre städtische Krankenhaus innerhalb von drei bis fünf Jahren rentabel zu machen. Für leidgeprüfte Verwaltungschefs kommunaler Häuser klingen solche Aussichten verlockend. Doch welche Folgen hat das für Mitarbeiter und Patienten?

Von Friederike Schulz | 04.06.2007
    Die Sprechstunde im Westdeutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf ist wie immer gut besucht. Professor Stephan Martin nimmt die Daten einer Patientin auf, bei der erst vor kurzem die Zuckerkrankheit festgestellt wurde. Nun muss sie ihre Ernährung umstellen und, wenn nötig, Insulin spritzen. Seit der Eröffnung des Diabetes-Zentrums im Januar hat der Chefarzt 250 Patienten ambulant betreut, 400 auf Station. Das Zentrum gehört zu den Kliniken Düsseldorf, die sich in den vergangenen Jahren in gleich mehreren Fachrichtungen spezialisiert haben: Es gibt ein Brustzentrum, ein Bauch- und Darmzentrum und seit kurzem das Diabetes-Zentrum, für die Kliniken, die mit 630 Betten an zwei Standorten zu den kleineren Krankenhäusern in Deutschland gehören, die einzige Möglichkeit, langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Denn seit drei Jahren bekommen sie von den Krankenkassen eine Fallpauschale, und da zählt jeder Patient, sagt Geschäftsführer Horst Imdahl:

    "Ich glaube, die Konkurrenzsituation ist in den letzten zehn Jahren deutlich größer geworden. Das liegt auch an dem finanziellen Deckel, und da versucht natürlich jeder, sich so gut wie möglich zu präsentieren. Und wenn wir jetzt in einem System arbeiten, wo wir Fallzahlen bezahlt bekommen, muss ein Haus sich breit aufstellen, darf aber die Spezialisierung nicht vergessen. Wir müssen in bestimmten Bereichen besonders gut sein."

    Doch trotz der Spezialisierung und trotz renommierter Chefärzte schreiben die beiden Häuser der Kliniken Düsseldorf seit Jahren rote Zahlen: Mehr als drei Millionen Euro betrugen die Schulden allein im vergangenen Jahr. Damit stehen sie nicht alleine da. Etwa einem Drittel der 2100 Krankenhäuser in Deutschland geht es genauso. Hauptgrund der Misere ist die schlechte Zahlungsmoral der Bundesländer: Die legen fest, wie viele Betten benötigt werden, und sind dann eigentlich verpflichtet, für notwendige Investitionen aufzukommen, erläutert Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement an der Universität Essen:

    "Es hat sich aber zunehmend gezeigt, dass die Bundesländer dieser Verpflichtung nicht nachkommen. So haben wir, um nur eine Zahl zu nennen, heute um die 25 Prozent weniger Investitionen als 1991, das heißt, obwohl die Kosten gestiegen sind, die Preise gestiegen sind, investieren die Bundesländer von Jahr zu Jahr weniger in die Krankenhäuser."

    Die Länder kontern und verweisen auf die angespannte Haushaltslage und weitere Einsparpotenziale. Denn aus ihrer Sicht versickert derzeit noch viel Geld in verkrusteten Strukturen eines Systems, in dem Effizienz und Kostenbewusstsein über Jahrzehnte kaum eine Rolle spielten. So schreibt der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in schönstem Manager-Deutsch auf der Internetseite seines Hauses:

    "Um im Wettbewerb überleben zu können, werden sich die Kliniken noch stärker zu gut funktionierenden Wirtschaftsbetrieben entwickeln müssen - mit klarer Unternehmensstrategie und optimalen Abläufen. Als sicher gilt auch: Das Krankenhaus der Zukunft wird nicht mehr allein und für sich stehen. Die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung, zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern werden sich zunehmend auflösen. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt diesen Prozess durch eine ausgewogene Planung und gezielte Förderung."

    Worte, die in den Ohren von Klinik-Chef Imdahl wie blanker Hohn klingen, bescheinigen Experten doch dem Bundesland, den Häusern Investitionen in Milliardenhöhe vorzuenthalten. Und so modernisieren die Geschäftsführer auf Pump oder schieben notwendige Renovierungsarbeiten auf die lange Bank, weil sie sonst riskieren, Insolvenz anmelden zu müssen. Auch die Kliniken Düsseldorf sind deswegen bislang vor der notwendigen Rundum-Renovierung zurückgeschreckt.

    "Ich denke, wir bräuchten hier am dringendsten einen Neubau, die Strukturen, in denen wir arbeiten, sind 40 Jahre alt, und die müssen jetzt den neuen Gegebenheiten angepasst werden."

    Doch bisher hat das Land nicht auf entsprechende Bettelbriefe reagiert. Nordrhein-Westfalen ist kein Einzelfall, meint der Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum. Er hat ausgerechnet, dass die staatlichen Zuwendungen an die Kliniken seit 1991 um eine Milliarde Euro zurückgegangen sind - auf 2,7 Milliarden im vergangenen Jahr.

    "Das ist viel zu wenig. Bei 60 Milliarden an Gesamtumsatz ein Investitionsvolumen von 2,7 Milliarden. So unterinvestiert ist kein wirtschaftlicher Bereich sonst. Wenn man in einem innovativen Bereich wie dem Gesundheitswesen arbeitet, bräuchte man erheblich mehr Investitionsmittel. Leider ist zu beobachten, dass die Länder die Beträge kürzen statt ordentlich zu erhöhen."

    Geschäftsführer wie Horst Imdahl stecken in der Zwickmühle: Einerseits müssen sie sich dem Wettbewerb mit den anderen Häusern stellen und den Patienten attraktive Angebote machen. Schließlich sind viele Kliniken nicht ausgelastet. Und wer auf Dauer zu viele Betten und zu wenig Patienten hat, der wird langfristig an der Schließung nicht vorbeikommen. Andererseits droht die Gefahr, in die Schuldenfalle zu geraten, vor allem wenn wie in Düsseldorf noch Pensionsforderungen ehemaliger Ärzte in Millionenhöhe beglichen werden müssen. Hinzu kommen die Folgen der Gesundheitsreform. Denn die verlangt den Häusern einen Solidarbeitrag von einem Prozent ihres Budgets zur Sanierung der Krankenkassen ab, auch wenn viele Experten wie der Medizinmanager Jürgen Wasem den Nutzen eines solchen Pauschalabzugs anzweifeln.

    "Ich selber bin gegenüber solchen pauschalen, tumben Kostendämpfungsinstrumenten seit vielen Jahren skeptisch. Ich denke, wir müssen versuchen, die Ursachen von Unwirtschaftlichkeit zu ermitteln und gezielt die Instrumente so ausgestalten, dass Unwirtschaftlichkeit sich nicht mehr lohnt, und Instrumente, die pauschal allen ein halbes oder ein Prozent wegnehmen, taugen relativ wenig. Sie treffen diejenigen, die schon wirtschaftlich arbeiten, genauso wie diejenigen, bei denen noch Spielräume da sind. Das ist eigentlich nicht sehr wirksam."

    500 Millionen Euro müssen die Häuser zugunsten der Krankenkassen einsparen, während die Ausgaben weiter steigen - aus Sicht des Professors ein gravierender Systemfehler. Statt dass die Kliniken den Kassen helfen, ihren Haushalt zu sanieren, müsste es eigentlich genau umgekehrt sein:

    "Was eigentlich sinnvoll wäre, und das fordern Gesundheitsökonomen schon seit mehr als 20 Jahren, dass man die Mittel, die man für die Investitionen braucht, in die Preise, die die Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen abrechnen, einkalkuliert. Das ist in allen anderen Bereichen auch im Gesundheitswesen so. Wenn ein Arzt sich ein Röntgengerät anschafft, dann will er die Kosten ja auch nicht aus seinem privaten Vermögen bezahlen, sondern er schießt es vor. Letztendlich durch die Abrechnung der Röntgenleistung kann er die Investitionskosten Stück für Stück wieder reinholen."

    Doch dies hätte vermutlich zur Folge, dass die Krankenkassenbeiträge deutlich steigen würden, und daran möchte wohl kein Gesundheitspolitiker Schuld sein. So hielten sich die Landes- und Bundesminister auch dezent zurück, als die rund 70.000 Klinikärzte bei den jüngsten Tarifverhandlungen ein deutliches Plus erstritten. Die Häuser, die sich erst mit Verweis auf ihre Kassenlage vehement dagegen gewehrt hatten, knickten nach wochenlangen Verhandlungen ein. Die Verluste, die durch den Streik der Mediziner entstanden, waren einfach zu hoch. Doch dafür zahlen die Kliniken jetzt drauf, denn die Mehrkosten des neuen Tarifvertrags von rund 1,5 Milliarden Euro dürfen sie den Krankenkassen nicht in Rechnung stellen. Wir haben schließlich den Vertrag nicht abgeschlossen, sondern ihr, heißt es von Seiten der Kassen. Die Politik lässt die Häuser allein und verweist auf weiteres Einsparpotenzial. Mehr geht nicht, sagt dagegen Horst Imdahl, der Geschäftsführer der Kliniken Düsseldorf.

    "Ich glaube, dass die Krankenhäuser die Wirtschaftlichkeit erreicht haben, die erreichbar ist. Alle weiteren Schritte, die jetzt kommen, werden zu Lasten der Leistungsfähigkeit gehen. Ich denke, das weiß die Politik, und sie nimmt das bewusst in Kauf."

    Bis vor kurzem wusste Horst Imdahl nicht, wovon er die Gehälter der Chefärzte, geschweige denn den dringend benötigten Neubau, bezahlen sollte. Dann kam vor einem Monat unerwartet die Rettung: Der Münchener Klinik-Konzern Sana bot der Stadt fünf Millionen Euro und kaufte ihr 51 Prozent der Anteile an der GmbH ab. Außerdem übernimmt das Unternehmen Altschulden im zweistelligen Millionenbereich.

    "Mit dem Verkauf der 51 Prozent werden wir von den Lasten der Vergangenheit befreit. Darüber hinaus hat sich die Sana verpflichtet, in den nächsten Jahren 60 Millionen Euro zu investieren. Ich denke, damit können wir uns auch wettbewerbsmäßig gut aufstellen."

    Sollte die Klinik dann allerdings eines Tages schwarze Zahlen schreiben, steht Sana der komplette Gewinn zu. Dass dies gelingt, bezweifelt der Medizinmanager Professor Jürgen Wasem nicht. Er beobachtet die Entwicklung auf dem deutschen Krankenhausmarkt seit Jahren und bescheinigt privaten Betreibern wie Sana, Asklepios und Helios Wirtschaftlichkeit und Effizienz.

    "Die privaten Betreiber, die am Markt sind, sind überwiegend erfolgreich in dem Sinne, dass sie den Eigentümern und Aktionären eine vernünftige Dividende zahlen. Das liegt zum Teil sicherlich auch daran, dass die privaten Betreiber in der Lage sind, flexibler zu managen als so ein öffentliches Krankenhaus, was häufig doch noch nahe an der Stadtverwaltung ist und wo die Kommunalpolitik mit reinreden will. Wenn beide Seiten, ein öffentliches und ein privates Krankenhaus, gleiche Preise für die Leistung bekommen, und die einen haben mehr Möglichkeiten, alles, was man an Management machen kann, auszunutzen, dann bleibt da natürlich auch Geld über."

    Doch mehr Effizienz bedeutet meist auch weniger Stellen. So baute der Sana-Konzern nach der Übernahme des Krankenhauses in Remscheid 17 Arbeitsplätze ab und gliederte mehr als 50 in eine Tochtergesellschaft aus. Den Beschäftigten der Kliniken Düsseldorf hat das Unternehmen immerhin versichert, betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 auszuschließen. Danach wird neu verhandelt. Denn wenn private Investoren Krankenhäuser umbauen, geht es auch immer um die Frage, ob durch neue Technik nicht auch Arbeitsplätze eingespart werden können. Schließlich machen die Personalkosten zwei Drittel des Etats aus, so Professor Jürgen Wasem.

    "Es gibt viele Bereiche im Krankenhaus, da kann ich mich entscheiden, will ich mehr mit Arbeitskraft machen, etwa in der Küche, oder mache ich das kapitalintensiv? Wenn dann die privaten Investoren Geld zur Verfügung haben um zu investieren, dann geben sie zwar kurzfristig mehr Geld aus, aber mittelfristig sparen sie etwa bei den Personalkosten."

    Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di betrachtet die Entwicklung mit Sorge und warnt gelegentlich dezidiert vor einer Übernahme wie zum Beispiel in Hessen, wo sich Mitarbeiter monatelang gegen den Verkauf zweier Krankenhäuser an den Asklepios-Konzern wehrten:

    ""Wir können von einer Übernahme öffentlicher Kliniken durch Asklepios nur abraten. Nicht die Sorge um Patienten und Beschäftigte steht im Mittelpunkt der Konzernpolitik, sondern Gewinnmaximierung um jeden Preis. Asklepios betreibt Lohndumping und nimmt die Beschäftigten in Geiselhaft","

    ist in der Gewerkschaftszeitung "Infodienst Krankenhäuser" zu lesen.

    Der Düsseldorfer Chefarzt Stephan Martin teilt die Bedenken der Gewerkschafter nicht. Im Gegenteil: Er kennt die Arbeitsbedingungen an privaten Kliniken durch Forschungsaufenthalte in den USA und denkt vor allem gern an den guten Service der Verwaltung und die Unterstützung der Geschäftsführung beim Kauf neuer Geräte zurück.

    ""Ich sehe große Chancen durch die Privaten. Wir müssen den Betrieb auch ökonomisch gestalten. Ich kann mir auch vorstellen, große Hilfen zu bekommen, wie ich Dinge strukturieren kann, weil: Das muss man ja nicht alles neu erfinden. Und wenn man dann Unterstützung von einem großen Konzern bekommt, wo all diese Dinge schon vorhanden sind. Wir müssen offen sein. Die Medizin ist generell ein traditioneller Haufen, und das umzusetzen, ich glaube, da kann man von einem privaten Investor, der diese Mechanismen schon in anderen Kliniken etabliert hat, sicher Unterstützung bekommen. Und ich blicke sehr zuversichtlich in die Zukunft."

    Stephan Martin weiß: Ihn würden eventuelle Stellenstreichungen nicht treffen. Denn die privaten Kliniken brauchen hoch qualifizierte Ärzte und bieten ihnen im Zweifelsfall mehr Anreize als ein kommunales Krankenhaus, wo die Bezahlung automatisch mit dem Lebensalter steigt, egal wie gut der Arzt ist. Private Unternehmen versprechen jungen, motivierten Mitarbeitern wie Stephan Martin dagegen einen Bonus von fünf bis zehn Prozent des Jahresgehaltes, erläutert Francesco De Meo, einer der Geschäftsführer der Helios-Kliniken, die inzwischen 57 Krankenhäuser in ganz Deutschland betreiben.

    "Wir orientieren die Bezahlung an Leistungen im Führungskräftebereich durch entsprechende Zielvereinbarungen. Wir sagen zum Beispiel: Wir haben das Ziel, dass bei Patientenbefragungen die Werte im nächsten Jahr um so und soviel Prozent besser werden, und wenn ihr das erreicht, bekommt ihr einen Bonus und eben mehr Geld."

    Der Helios-Konzern hat sich auf den Kauf von Akut- und Großkliniken spezialisiert. Das Unternehmen ist seit 13 Jahren am Markt und machte im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Euro Umsatz, das Vorsteuerergebnis lag bei 130 Millionen. Mehrheitsgesellschafter ist inzwischen die börsennotierte Fresenius AG. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein internationaler Gesundheitskonzern mit mehr als 100.000 Mitarbeitern, der sich zunächst hauptsächlich mit Produkten und Dienstleistungen im Dialysebereich einen Namen gemacht hat. Mit dem Erwerb der Helios-Anteile hat sich Fresenius nun auf dem deutschen Krankenhausmarkt etabliert. Denn aus Sicht privater Großinvestoren bietet sich durch die Geldnot öffentlicher Träger ein lukratives Geschäft, erläutert Helios-Geschäftsführer Francesco De Meo.

    "Der gesamte Dialysebereich hat weltweit ein Volumen von 70, 80 Milliarden Euro Umsatz. Das ist ein Bereich, wo sie als Weltmarktführer beim Wachstum an Grenzen stoßen, während allein der Gesundheitsbereich in Deutschland problemlos 60 Milliarden Euro im Akut-Krankenhausbereich hergibt an Privatisierungspotenzial, sie also dort sehr viel schneller wachsen können, wenn sie daran denken, langfristig im Gesundheitsbereich investieren zu wollen."

    Private Investoren werben damit, durch einen radikalen Umbau der Hierarchie, die Renovierung der Gebäude und den Kauf neuer Technik jedes auch noch so defizitäre städtische Krankenhaus innerhalb von drei bis fünf Jahren rentabel zu machen. Für leidgeprüfte Verwaltungschefs kommunaler Häuser klingen solche Aussichten mehr als verlockend. Auch Horst Imdahl von den Düsseldorfer Kliniken bekommt nach dem Einstieg des Sana-Konzerns den dringend benötigten Neubau für 60 Millionen Euro. Sonst hätten wir demnächst dicht machen müssen, sagt der Geschäftsführer.

    "Das ist die einzige Chance gewesen, es sei denn, die Stadt hätte bezahlt, und dazu war sie nicht bereit."

    So wird es in Zukunft noch vielen kommunalen Kliniken ergehen. Bereits vor sechs Jahren waren 25 Prozent aller deutschen Krankenhäuser in privater Hand, in drei Jahren wird ihr Anteil laut einer Studie der Universität Essen auf 36 Prozent ansteigen, im Jahr 2020 gar auf 44 Prozent. Derweil werden sich öffentliche Träger immer weiter zurückziehen. Doch trotz der extremen Gewinnorientierung der Privaten wird sich dieser Trend nicht negativ auf die Qualität der Versorgung auswirken, meint jedenfalls Jürgen Wasem von der Universität Essen:

    "Ich selber war anfangs sehr skeptisch und habe gedacht, die zunehmende Privatisierung, wenn der Gewinngedanke im Krankenhaus Bedeutung bekommt, bisher kann man das nicht feststellen, sondern im Gegenteil: Einige Private gehen Themen wie Qualität sehr offensiv an. Wenn Sie etwa den Helios-Konzern nehmen, das ist einer der Vorreiter, die Transparenzberichte ins Internet stellen über die Qualität in ihren Krankenhäusern. Die berichten über Komplikationsraten, Sterberaten in einer relativ offensiven Art und Weise und versuchen darüber, die Qualität im Klinikkonzern zu verbessern. Insgesamt würde ich nicht sagen, dass die Privatisierung die Qualität beeinträchtigt hat."

    Auch die Befürchtung, dass die Kliniken sich nach und nach nur auf besonders rentable Fachrichtungen spezialisieren könnten, scheint derzeit unbegründet. Schließlich legt jedes Bundesland im Krankenhausplan detailliert fest, wie viele Häuser mit welchen Stationen gebraucht werden. Allerdings wird die Zahl der Betten deutlich abnehmen. Denn die durchschnittliche Dauer eines Krankenhausaufenthaltes, die Mitte der 70er Jahre noch gut zwei Wochen betrug, liegt jetzt bei rund neun Tagen und wird den Prognosen nach langfristig auf fünf Tage sinken. Die Kritik, Patienten würden dann "blutig entlassen", will der Medizinmanager Jürgen Wasem dennoch nicht gelten lassen.

    "Das Krankenhaus der Zukunft wird sich sehr viel stärker auf die Kernkompetenzen konzentrieren, für die der vollständig stationäre Krankenhausaufenthalt notwendig ist, begrenzen, wird dafür sorgen, dass es möglichst viel, was vorher passieren muss, was nachher passieren muss, auf dem Weg von Kooperationen abwickelt. Da gibt es auch schon erste Häuser, die mit Ärzten Verträge abschließen, dass das Krankenhaus dem Arzt für gute vorherige Arbeit Geld bezahlt aus seiner Fallpauschale, weil es sagt, ich spare ein zwei Tage Aufenthalt, wenn der Patient gut vorbereitet ist."

    Allerdings müssen sich die Patienten wohl darauf gefasst machen, weitere Wege in Kauf zu nehmen, denn von den jetzt 2100 deutschen Krankenhäusern werden langfristig nur etwa 1600 die Sanierungswelle überstehen.