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Gesundheitskosten
Maag: Wer Homöopathie ablehnt, soll Kasse wechseln

Kassenpatienten, die Homöopathie ablehnen, sollten sich für Krankenkassen entscheiden, die Kosten für die alternative Medizin nicht erstatten, rät CDU-Politikerin Karin Maag. Insgesamt lägen die Kosten für homöopathische Arzneimittel nur bei 0,03 Prozent der Gesamtausgaben für Medikamente, sagte Maag im Dlf.

Karin Maag im Gespräch mit Jasper Barenberg | 12.07.2019
Auf einer Fingerspitze liegen drei weiße Kügelchen, im Hintergrund liegen weitere Kügelchen auf einer Holzplatte, in der linken Ecke ist eine kleine Arzneiflasche zu sehen
Extrem verdünnter Wirkstoff - dennoch greifen viele Kranke zu Globuli. (imago/Photocase)
Jasper Barenberg: Neun Monate lang hat die oberste Gesundheitsbehörde in Frankreich fast 1.200 homöopathische Arzneimittel untersucht. Eine Wirksamkeit konnte sie in keinem Fall nachweisen. In Frankreich werden homöopathische Mittel deshalb in Zukunft nicht mehr von den Krankenkassen erstattet. Dasselbe fordert jetzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung auch für Deutschland, ebenso der gemeinsame Bundesausschuss, der über die Pflichtleistungen der Kassen entscheidet, und auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will den gesetzlichen Kassen die Erstattung der Kosten in Zukunft verbieten. Homöopathie ist bei uns nicht Bestandteil des gesetzlichen Leistungskataloges. Viele Kassen erstatten ihren Versicherten aber die Behandlungskosten trotzdem.
Am Telefon ist die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU im Bundestag. Schönen guten Morgen, Karin Maag.
Karin Maag: Guten Morgen! – Ich freue mich.
"Es gilt das Kassenwahlrecht"
Barenberg: Ich auch, Frau Maag. – Sie haben sich ja dafür ausgesprochen, dass Krankenkassen die Kosten für Homöopathie weiter übernehmen können sollen. Warum?
Maag: Bei uns ist es anders geregelt. Die Kassen müssen die Kosten nicht übernehmen, sie sind nicht verpflichtet. Aber sie können sie auf freiwilliger Basis als sogenannte Zusatzleistung übernehmen und auf freiwilliger Basis halte ich das für sehr verträglich. Wir sagen, es gilt das Kassenwahlrecht. Es gilt das Wahlrecht im Bereich Gesundheit. Insofern: Diejenigen, die Homöopathie für sich in Anspruch nehmen wollen, sollen die Kassen wählen, die die Homöopathika erstatten. Und diejenigen, die die Homöopathie ablehnen, die sollen die Kassen wählen, die die Erstattungsfähigkeit nicht für sich in Anspruch nehmen.
Die CDU-Politikerin Karin Maag
Die CDU-Politikerin Karin Maag - "Wir stehen weiter zur evidenzbasierten Medizin"" (imago images / Christian Ditsch)
Barenberg: Mit der Folge, Frau Maag, dass aber am Ende doch die Allgemeinheit dafür zahlt, dass Leistungen getragen werden, die medizinisch nicht sinnvoll sind und wirtschaftlich ja auch ins Gewicht fallen.
Maag: Dass wir uns richtig verstehen: Selbstverständlich stehen wir weiterhin zur evidenzbasierten Medizin. Zweites Thema: Ich habe gerade erklärt, jeder der Homöopathie für sich durchaus aus guten Gründen ablehnt, der soll bitte in die Kassen sich einschreiben lassen, die Kasse wählen, die Homöopathie nicht erstattet.
Zweiter Punkt: Wenn wir uns jetzt die Kosten, die entstehen, für die Allgemeinheit ansehen. Wir haben in 2017 über alle Kassen hinweg homöopathische Arzneimittel in einer Größenordnung von 10,5 Millionen Euro erstattet. Arzneimittel insgesamt 2017 schlagen mit 37,7 Milliarden Euro zu Buche. Wir reden von 0,03 Prozent der Ausgaben.
"Ein Großteil der Bevölkerung will das in Anpruch nehmen"
Barenberg: Wobei allerdings, Frau Maag, wenn ich das richtig weiß, geht es da nur um die Kosten unmittelbar für die Medikamente. Auf der anderen Seite werden ja auch ärztliche Leistungen abgerechnet. Der Betrag ist wahrscheinlich schon ein bisschen höher.
Maag: Ich habe Ihnen die Kosten unmittelbar für die Medikamente gesagt. Ich kann Ihnen aber insgesamt auch das Verhältnis zu den Kosten sagen. Da haben die gesetzlichen Kassen 217 Milliarden Euro ausgegeben in 2017. Da reden wir von noch kleineren Promillesätzen. Am Ende des Tages: Selbstverständlich verordnen Ärzte weiterhin die Homöopathie-Arzneimittel.
Barenberg: Was spricht denn dagegen, dass die Leute das selbst zahlen müssen, die es wünschen und die es haben möchten, weil Sie selber darauf hingewiesen haben, wir gehen von einer evidenzbasierten – so haben Sie das formuliert – Medizin aus. Das heißt, wir wollen zunächst mal wissen, dass es etwas nützt, und das ist bei Homöopathie ja ganz offenkundig nicht der Fall.
Maag: Trotzdem sind homöopathische Arzneimittel in unserem Gesundheitssystem etwas, was ein Großteil der Bevölkerung will und für sich in Anspruch nimmt. Das kann ich doch nicht in Abrede stellen. Angesichts der geringen Ausgaben halte ich das für verträglich. Wir haben vor drei Monaten – wir sind ja in dem Bereich nicht ohne Wirkung auch in der Politik unterwegs, sondern wir haben vor drei Monaten die Wahltarife für solche Leistungen gestrichen. Angesichts der Tatsache, dass gerade viele Familien für ihre Kinder auf die homöopathischen Medikamente setzen, halte ich es für vertretbar, dass wir weiterhin den Krankenkassen auf freiwilliger Basis erlauben, die Medikamente zu erstatten.
"Mir fallen eine ganze Menge anderer Themen ein"
Barenberg: Es soll einen Wettbewerb unter den Kassen geben um Leistungen, für die es keinen Nutzen gibt?
Maag: Sehen Sie, wenn Sie es an solchen Kriterien ausschließlich festmachen, dann fallen mir natürlich aus dem Stand noch eine ganze Menge andere Themen ein, die wir dann überprüfen müssen, zum Beispiel eine Reiseschutzimpfung, zum Beispiel eine professionelle Zahnreinigung. Das sind alles Dinge, da sind wir nicht so weit, dass wir den medizinischen Mehrwert unbedingt darstellen könnten. Das jetzt ausgerechnet an etwas festzumachen, was Familien in Anspruch nehmen, was für einen großen Teil der Bevölkerung, wenn Sie die Umfragezahlen sehen, eine wichtige Ergänzung ist – ich betone Ergänzung -, das hielte ich jetzt für überzogen.
Barenberg: Sie haben jetzt die Zahlen genannt, zehn Millionen. Das ist tatsächlich im Vergleich ein geringer Betrag, aber an sich natürlich ein sehr hoher Betrag. Kann man nicht auch da sagen, in einem Gesundheitswesen, wo wir immer darüber diskutieren, dass es an allen Ecken und Enden an Geld fehlt, dass dieser Betrag dann doch nützlicher angewandt und eingesetzt werden könnte?
Maag: Sie wollen mich in die Ecke stellen. Das mache ich nicht mit! – Nein, das kann man so nicht sagen. Noch mal: Derjenige, der für sich Homöopathie ablehnt, der kann ohne weiteres eine Kasse finden, die diese Medikamente nicht erstattet. Damit ist er auf der sicheren Seite, damit kann er davon ausgehen, dass mit seinen Beitragsmitteln so was nicht erstattet wird. Freie Kassenwahl heißt das Zauberwort und solange wir in dem Bereich uns tummeln, meine ich, dass es vertretbar ist, auch für solche Arzneimittel zu bezahlen.
"Im Moment sind wir in der Diskussionsphase"
Barenberg: Es fällt ja nur auf, Frau Maag, dass jedem von uns gleich ein paar Dinge einfallen, die nachweislich helfen. Ich nenne mal Brillen, ich nenne mal Zahnersatz. Dafür ist kein Geld da. Aber für so etwas, wo der wissenschaftliche Nachweis nicht erbracht wird, dann schon.
Maag: Für den Zahnersatz haben wir gerade die Zuschussleistungen deutlich erhöht in einem der letzten Gesetze. Den Schuh können wir uns nicht anziehen. Wenn Sie regelmäßig zum Zahnarzt gehen, kriegen Sie natürlich auch dort einen hohen Zuschuss. Die Brillen sind 2003 in der Wirtschaftskrise rausgenommen. Ab einer bestimmten Sehstärke werden auch die wieder bezahlt.
Barenberg: Zum Schluss, Frau Maag. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), spricht sich jetzt auch für ein Verbot aus. Ähnlich die SPD, ich habe die Kassenärztliche Vereinigung genannt. Stehen Sie da allein auf weiter Flur jetzt?
Maag: Das wird man sehen. Wir müssen natürlich über die Themen diskutieren. Im Moment sind wir in der Diskussionsphase. Ich meine, wir haben uns dem Thema mit dem Verbot der Wahltarife sehr, sehr ordentlich genähert, haben da vieles aus dem Gesundheitssystem rausgezogen. Und jetzt auf der freiwilligen Basis meine ich, vor dem Hintergrund auch der freien Kassenwahl können wir uns mit gutem Gewissen in die Diskussion begeben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.