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Gesundheitsrisiko Mikroplastik
Kunststoff-Bestandteile erstmals in inneren Organen nachgewiesen

Mikroplastik-Partikel verschmutzen die Umwelt und finden sich inzwischen selbst in den entlegensten Regionen der Erde. Welche Gesundheitsgefahr von den winzigen Kunststoffschnipseln ausgeht, ist noch unklar. Doch nun entdeckten Forscher Komponenten von Mikroplastik erstmals auch in inneren Organen von Menschen.

Von Christine Westerhaus | 17.08.2020
Primäres Mikroplastik Primäres Mikroplastik: Kleine Kunststoffpartikel, die einem Peeling Gel hinzugefügt waren. Köln, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, 19.06.2015 .
Mikroplastik-Partikel aus einem kosmetischen Peeling-Gel (imago / Joker / Alexander Stein )
Rolf Halden von der Arizona State University hat in seiner Forscherkarriere schon Jagd auf viele verschiedene Umweltchemikalien gemacht. So zeigte er zum Beispiel, dass antimikrobielle Zusätze aus Kosmetika, die in den 1960er Jahren hergestellt wurden, an der Ostküste der USA noch heute nachweisbar sind. Vor zehn Jahren hat er seine Suche auf Mikro-und Nanoplastikpartikel verlagert. Bestandteile davon hat er jetzt erstmals in menschlichen Organen gefunden.
In der Leber und im Fettgewebe finden sich Bausteine von Mikroplastik
"Wir haben uns Proben angeschaut, die von Organspendern stammen und haben Plastik-Bestandteile, sogenannte Monomere, vor allem in der Leber und im Fettgewebe gefunden", berichtet Halden. "Das bedeutet, dass Inhaltsstoffe von Plastik in unserem Körper nachweisbar sind. Bisher konnten wir allerdings noch nicht zeigen, dass Mikro- und Nanoplastikteilchen selbst in das Gewebe eingelagert werden. Daran arbeiten wir zur Zeit, doch durch die COVID-19-Pandemie ist der Fokus unserer Arbeit verlagert worden."
Vor zwei Jahren haben Forscher aus Wien erstmals gezeigt, dass Mikroplastik auch in menschlichen Stuhlproben zu finden ist. Damals war jedoch unklar, ob diese Plastikteilchen einfach nur in den Darm aufgenommen und gleich wieder ausgeschieden werden. Die Beobachtungen von Rolf Halden und seinen Kollegen legen nun nahe, dass der Körper diese Teilchen auch über das Darmepithel in die Blutbahn transportiert - und weiter in verschiedene Organe.
Ob die Kunststoff-Bestandteile Schaden anrichten, ist unklar - aber wahrscheinlich
Zwar ist bislang nicht geklärt, ob die Plastikrückstände in den Organen auch Schaden anrichtet. Doch Rolf Halden hält dies für wahrscheinlich:
"Ich denke, es ist klar, dass Plastik viele Chemikalien enthält, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Diese Stoffe können die Wirkung von Hormonen und die Übertragung von biochemischen Signalen im Körper beeinflussen, Entzündungen hervorrufen oder sogar Krebs auslösen. Wenn man Fremdkörper in seinem Körper hat, löst das oft solche Reaktionen aus, denn der Organismus versucht, diese Teilchen wieder loszuwerden. Es gibt zahlreiche Laborstudien, die das belegen."
Solche Untersuchungen werden jedoch nur an Versuchstieren gemacht. Zudem ist fraglich, ob die großen Mengen an Chemikalien, denen die Tiere im Labor ausgesetzt werden, auf den menschlichen Alltag übertragbar sind. Bislang haben Rolf Halden und sein Team Plastikkomponenten auch nur in 47 menschlichen Organproben nachgewiesen. Nun wollen die Forschenden weitere Daten sammeln und idealerweise mit archivierten Organproben aus früheren Jahren vergleichen.
"Einfach zu hoffen, dass es schon gut gehen wird, ist keine gute Idee"
Die Produktion von Plastik hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Möglicherweise lässt sich dieser Anstieg in der Menge an Mikroplastikpartikeln ablesen, die sich in den Organproben abgelagert haben, sagt Rolf Halden: "Je mehr Daten wir sammeln, umso schlauer werden wir. Und ich hoffe, wir werden dann einsehen, dass es keine gute Idee ist, mehr und mehr Plastikpartikel aufzunehmen und einfach nur zu hoffen, dass es schon gut gehen wird. Schließlich haben wir auch bei anderen Chemikalien wie zum Beispiel DDT gesehen, dass sich diese Stoffe in unserem Körper anreichern."
Doch während das Insektenbekämpfungsmittel DDT in den meisten Ländern seit vielen Jahren verboten ist, steigt die Menge an Plastik, die weltweit produziert wird, weiter an - obwohl die Umweltprobleme inzwischen hinlänglich bekannt sind. Je mehr Kunststoffe produziert und genutzt werden, umso mehr Rückstände gibt es in den Gewässern, in der Luft und damit zwangsläufig auch in unserem Körper.
Die Suche nach Alternativen muss forciert werden, fordert der Experte
Deshalb sei es höchste Zeit, alternative Stoffe einzusetzen, meint Rolf Halden. Und zwar solche, die abbaubar sind und weniger schädliche Zusatzstoffe enthalten: "Diese Studie soll die Menschen nicht in Panik versetzen. Doch sie sollte ein Weckruf sein und darauf aufmerksam machen, dass wir zu große Mengen an falschem Plastik einsetzen. Kunststoffe sind großartig. Doch wir haben bessere Materialien zur Verfügung, die wir einsetzen können und wir sollten diese veralteten Stoffe nicht mehr verwenden."

Anmerkung der Redaktion: In diesem Beitrag haben wir Passagen korrigiert, in denen missverständliche Details falsch wiedergegeben wurden. Die fehlerhafte Audiofassung wurde durch eine korrigierte Version ersetzt. (20.8.2020)