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Gesundheitsschutz
Frankreich verbietet Bisphenol A bei Lebensmittelverpackungen

Zu den chemischen Substanzen, die als Weichmacher in vielen Plastikprodukten zum Einsatz kommen, gehört auch Bisphenol A. Es handelt sich dabei um einen der sogenannten endokrinen Disruptoren, die dem menschlichen Hormonsystem schaden können. Als erstes Land verbietet Frankreich ab 2015 die Substanz bei Materialien mit Lebensmittelkontakt.

Von Suzanne Krause | 03.11.2014
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    Weichmacher, wie sie auch in Plastik verwendet werden, werden mit Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfruchtbarkeit und autistischen Störungen in Verbindung gebracht (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Frankreich hält weltweit einen traurigen Rekord: Das Land ist Spitzenreiter im Gesamtbereich der Krebsarten, die als hormonabhängig gelten - also Brust- und Prostatakrebs. Das geht aus der letzten Erhebung des renommierten Internationalen Forschungszentrums gegen Krebs hervor. André Cicolella ist der Ansicht, dass für das heutige Ausmaß hormonabhängiger Krebserkrankungen nicht nur das zunehmende Alter der Bevölkerung und eine bessere Vorsorgepolitik verantwortlich sind. Cicolella, Toxikologe und Präsident der Nichtregierungsorganisation Netzwerk Umwelt und Gesundheit, fürchtet, dass auch Endokrine Disruptoren dabei eine Rolle spielen.
    "Schließlich gibt es immer mehr Studien, die die Auswirkungen von Endokrinen Disruptoren aufzeigen, speziell, wenn Ungeborene damit in Kontakt kommen: Bei Töchtern tritt später vermehrt Brustkrebs auf, bei Söhnen Prostatakrebs, wie Versuche mit Mäusen und Ratten zeigen."
    Krebsbekämpfungsplan in Frankreich
    Ins Visier nimmt er auch den nationalen Krebsbekämpfungsplan der Franzosen. Der ist mit 1, 4 Milliarden Euro ausgestattet: Mittel, die im Wesentlichen in die Therapieforschung fließen. Der vierjährige nationale Forschungsplan zu den Endokrinen Disruptoren hingegen verfügt lediglich über fünf Millionen Euro, bedauert Cicolella.
    "Im nationalen Krebsbekämpfungsplan dreht sich alles um die Behandlung der Patienten. Als Risikofaktoren werden nur Tabak und Alkohol in Betracht gezogen. Die Frage, welchen Einfluss Endokrine Disruptoren bei der Entstehung von Krebserkrankungen haben, wird links liegengelassen."
    In diesem Bereich braucht es mehr Forschung, bestätigt Jean-Nicolas Ormsby, stellvertretender Direktor der Abteilung Risikoforschung bei der ANSES, Frankreichs Behörde für Lebensmittelsicherheit.
    "Das Thema ist bei uns sehr angesagt. Seit mehreren Jahren erstellen wir Expertisen und unterstützen Forschungsarbeiten im Bereich Umwelt und Arbeitsplatz. Wir wollen die Zusammenhänge besser verstehen, die es zwischen hormonähnlich wirkenden chemischen Substanzen und der Krebsentstehung geben kann."
    Der Dachverband der französischen Chemieindustrie Union des Industries Chimique hingegen möchte zur Frage nach möglichen Zusammenhängen zwischen Endokrinen Disruptoren und Krebserkrankungen nicht Stellung beziehen - die entsprechende Bitte des Deutschlandfunks wurde abschlägig behandelt.
    EU-Ebene und der Umgang mit Endokrinen Disruptoren
    Im Frühsommer hat Umweltministerin Ségolène Royal angekündigt, auch auf EU-Ebene stärker um Strategien gegen Endokrine Disruptoren zu werben. Eine Mission, für die sich der Abgeordnete Jean-Louis Roumegas von der Gruppe Gesundheit und Umwelt in der Nationalversammlung starkmacht.
    "Die Europäische Kommission hatte schon Ende 2013 eine Strategie zum Umgang mit Endokrinen Disruptoren vorlegen wollen, aber sie wurde von Lobbygruppen ausgebremst. Derzeit läuft eine öffentliche Konsultation, bis Ende 2015 haben wir dann hoffentlich eine europäische Strategie. Uns geht es darum, dass sie auch so anspruchsvoll ist wie die unsere."
    Für die konkreten Auswirkungen hormonähnlicher chemischer Substanzen interessiert sich auch die Nichtregierungsorganisation HEAL, ein europaweiter Zusammenschluss von 65 Vereinen und Organisationen. Die NGO veröffentlichte kürzlich eine Schätzung der Kosten, die den Gesundheitssystemen in Europa durch Stoffe wie Bisphenol A entstehen. Mit rund vier Milliarden Euro schlügen sie laut der Studie in Frankreich zu Buche, auf EU-Ebene seien es 31 Milliarden. Den diesbezüglichen Spitzenplatz, so HEAL, hält Deutschland: mit Gesundheitskosten in Höhe von fünf Milliarden Euro.