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Getötete Soldaten in Mali
"Der malische Staat ist nicht präsent"

Der Friedensprozess in Mali hat einen weiteren Rückschlag erlitten. Bei einem Angriff auf eine Kaserne sind gestern 17 Soldaten getötet worden. Zu dem Anschlag bekannten sich bislang zwei islamistische Gruppieren. Die Zahl der Anschläge im Zentrum des westafrikanischen Landes nimmt immer weiter zu. Der malische Staat ist deutlich geschwächt.

Von Jens Borchers | 20.07.2016
    Malische Soldaten fahren Mitte Juli in Gao in einem Pickup-Truck eine Straße hinunter
    Malische Soldaten Mitte Juli in Gao (AFP / Souleymane Anara )
    Die Serie der Angriffe auf Regierungstruppen in Mali reißt nicht ab: Gestern wurden 17 malische Soldaten getötet und 35 weitere verletzt. Sie wurden Opfer eines Angriffs auf einen Militärstützpunkt in der Ortschaft Nampala, etwa 500 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt.
    Der malische Verteidigungsminister sprach von einer "koordinierten Terror-Operation". Malis Regierung muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Konflikte immer weiter ins Zentrum des westafrikanischen Landes verlagern. Das sind keine guten Nachrichten für den sogenannten Friedensprozess, der vor mehr als einem Jahr in Mali begonnen wurde.
    Konflikte verlagern sich weiter ins Zentrum
    Die Angreifer sollen mit gut ausgerüsteten Fahrzeugen nach Nampala gekommen sein. Ein Bewohner der Ortschaft sagte der Nachrichtenagentur AFP, gegen 9 Uhr am Dienstagmorgen sei eine dichte Rauchwolke über der Kaserne zu sehen gewesen. Erst am Nachmittag bestätigte dann die malische Regierung, dass es überhaupt einen Angriff gegeben habe. Und erst am späten Dienstagabend nannte der Verteidigungsminister konkrete Zahlen: 17 malische Soldaten seien getötet, 35 weitere verletzt worden.
    Der Minister wollte sich nicht konkret über die Angreifer äußern. Zwei Gruppen haben mittlerweile die Verantwortung für die Attacke übernommen. Zunächst meldete sich die "Nationale Allianz für den Schutz der Identität der Peul und die Wiederherstellung der Justiz" telefonisch bei einer Nachrichtenagentur. Die Gründung dieser Miliz war im Juni bekannt gegeben worden. Der Anrufer sprach allerdings von nur acht getöteten Soldaten.
    Zahl der Anschläge nimmt zu
    Später wurde ein Kommuniqué der Dschihadistenmiliz Ansar-Dine öffentlich. Darin heißt es, man habe – so wörtlich – "einen sehr großen Angriff" in Nampala durchgeführt. Welche der beiden Versionen richtig ist, blieb zunächst unklar. Klar ist hingegen, dass die Zahl der Anschläge im Zentrum des Landes immer weiter zunimmt.
    Jean-Hervé Jezequel von der International Crisis Group hat erst vor einigen Tagen eine Studie zu dieser Entwicklung veröffentlicht. Jezequel beschreibt die Lage in Zentral-Mali als eine Mischung aus Konflikten zwischen unterschiedlichen Volksgruppen und zunehmender Aktivität von Dschihadisten:
    "Heutzutage sind die Konflikte durch die überall kursierenden Waffen, durch die Professionalisierung von Gewalt und durch radikale Gruppen schlimmer geworden. Und besorgniserregend ist, dass der malische Staat nicht präsent ist. Oder nicht in der Lage, die vielfältigen Spannungen friedlich zu lösen."
    Staat ist nicht präsent
    Vor vier Jahren hatte im Norden von Mali ein Aufstand von Touareg-Gruppen begonnen. Sie setzten sich für die Unabhängigkeit ihres Gebietes von Mali ein und hatten sich zeitweise mit Terror-Milizen verbündet. Die malische Armee löste sich damals weitgehend auf und überließ den Norden praktisch kampflos den Aufständischen. Erst eine Militär-Intervention der französischen Armee beendete diesen Abspaltungsprozess.
    Seither versucht Mali mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft mühsam, einen Friedensprozess voranzubringen. Dabei konzentrierte man sich vor allem auf den Norden des Landes. Eine Stabilisierungstruppe der Vereinten Nationen, MINUSMA genannt, bemüht sich mit mehr als 13.000 Soldatinnen und Soldaten darum, den brüchigen Frieden in Mali zu halten. Aber MINUSMA-Kommandeur Michael Lollesgaard gab kürzlich in einem Interview zu:
    "Auf dem Papier sieht es so aus, als hätten wir eine Menge Soldaten und Ausrüstung. Aber Mali ist ein sehr, sehr großes Land. Im Norden schützen wir die Bevölkerung auf eine Fläche so groß wie Frankreich. Leider können wir nicht überall sein."
    Kein Schutz für alle möglich
    Nicht überall bedeutet auch: Nicht im Zentrum des Landes, das immer mehr zur neuen Konfliktzone in Mali wird. Dort werden traditionelle Konflikte zwischen Bauern und Viehzüchtern mittlerweile zunehmend mit Waffengewalt ausgetragen. Dschihadistische Gruppen versuchen obendrein, diese Situation für sich zu nutzen.
    Die malische Armee ist entweder nicht präsent - oder sie schlägt mit großer Brutalität zu und bringt so die Bevölkerung gegen sich auf. Die Zentralregion Malis wird mehr und mehr zu neuen Konfliktzone. Der Angriff auf den Militärstützpunkt in Nampala ist ein weiterer Beleg dafür.