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Gewächshaus kontra Umweltschutz

Im kommenden Jahr sollen sie Wirklichkeit werden: Die Visionen eines Deutschen, der in Portugal großflächig Gemüse für deutsche Großmärkte anbauen will. Die Bedingungen seien ideal, besser als in den Niederlanden oder in Spanien - vor allem wegen des Klimas und der billigen Arbeitskräfte. Doch wie so oft bei Großprojekten regt sich Widerstand.

Von Jochen Faget | 27.12.2005
    Wenn es nach dem Deutschen Wolfgang Kemper geht, wird Gemüse in Portugal demnächst nicht nur gut für die Gesundheit sein, sondern auch für die Volkswirtschaft: Der 75-Jährige will das westlichste Land Europas in den Gemüsegarten der EU verwandeln, träumt von Gewächshäusern, in denen auf stolzen 5000 Hektar Kohl- und Salatköpfe grünen, Paprikaschoten und Tomaten reifen. Das besondere Klima soll es möglich machen:

    "In der Landwirtschaft gibt es enorme Möglichkeiten hier. Und zwar aufgrund des Klimas. Weil wir hier an der Atlantikküste ein in Anführungszeichen Miniklima haben, wo der Atlantik das Klima auf dem Land im Sommer kühler hält und im Winter wärmer hält, als das auf der spanischen Hochebene oder in irgendwelchen Mittelmeerländern der Fall ist."

    Denn während die Holländer sich in ihren Gewächshäusern mit immer höher steigenden Gas- und Heizkosten herumschlagen müssen, wäre die Wärme in Portugal kostenlos. Und auch Grundwasser ist in der Provinz Alentejo südlich der Hauptstadt Lissabon, die sich Kemper für sein Mammutprojekt ausgeguckt hat, reichlich vorhanden. Darüber hinaus ist die Region eine der ärmsten und strukturschwächsten Europas, viele Arbeitslose würden sich dort über einen Job im Gemüseanbau freuen. Die Sache hat nur einen Haken, erklärt Domingos Patacho von der Umweltschutzorganisation Quercus:

    "Die Gegend zwischen den Orten Comporta und Odemira, für die das Projekt geplant ist, gehört größtenteils zum Natura-Netzwerk der EU. Da muss natürlich sichergestellt sein, dass die Flächen für die Gewächshäuser nicht in geschützten Gebieten gebaut werden. Denn ein so großes Projekt hätte sehr negative Einflüsse auf die weitgehend noch naturbelassene, wilde Alentejoküste. Darum macht und auch die geplante Größenordnung von 5000 Hektar einige Sorgen."

    Die scheint man auch im portugiesischen Landwirtschaftsministerium zu haben: Wolfgang Kemper habe dem Minister seine Ideen vorgetragen, heißt es dort. Ein konkretes Projekt, über das zu entscheiden sei, liege jedoch noch nicht vor. Und auch obwohl eine Arbeitsgruppe des Ministeriums die Gemüseproduktion zu einer der neuen Prioritäten der Agrarpolitik erhoben habe, müssten natürlich bestehende Vorschriften eingehalten werden.

    Die Vorsicht hat eine Vorgeschichte: In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte schon einmal ein französischer Unternehmer blühende Gemüse-Landschaften in der Region Alentejo versprochen und Millionenzuschüsse abgezockt. Dann ging das Projekt Pleite, verfallende Gewächshäuser und wilde Müllkippen im Naturpark Alentejoküste sind noch heute die Spätfolgen. Das jedoch soll sich nicht wiederholen, versichert der deutsche Geschäftsmann Wolfgang Kemper. Nicht einmal die Umweltsünden, die in den südspanischen Gemüseanbauhochburgen neben gemacht wurden:

    "Man muss ja nicht all das kopieren, was die Spanier schlecht machen. Die haben auch das in Almeria und Murcia, wenn man da hin fährt, kilometerweit sind da große Gewächshäuser. Schlecht gebaute Gewächshäuser, mit schlechtem Wasser bewässert, mit übertriebenen Mengen von Dünger- und Pflanzenschutzmitteln. Das kann man alles besser machen."

    Holländisches Know-how will Kemper zusammenbringen mit deutschem Kapital sowie mit portugiesischem Klima und gibt sich optimistisch: Schon 2006 sollen die ersten Gewächshäuser stehen, die Lieferverträge auch mit deutschen Großmarktketten seien so gut wie unterschrieben.

    Die portugiesischen Umweltschützer bleiben dagegen skeptisch: Die Region Alentejo sei die letzte im Land, deren Küste noch halbwegs intakt sei und müsse daher besonders geschützt werden. Riesige Gewächshäuser gleich neben endlosen, menschenleeren Stränden will die Umweltschutzorganisation Quercus daher mit allen Mitteln verhindern. Ganz gegen das Gemüse-Projekt, das Portugal bis zu 250 Millionen Euro Einnahmen im Jahr bringen könnte, sind die Umweltschützer natürlich trotzdem nicht, versichert Domingos Patacho:

    "Der Alentejo ist eine sehr große Region. Da gibt es auch gute Böden für Landwirtschaft in Gebieten, die nicht geschützt und erhaltenswert sind. Diese Alternativen liegen zwar etwas weiter vom Meer entfernt, dafür aber nicht in Naturschutzgebieten."