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Gewalt in den USA
Polizeichef von Dallas beklagt "Krieg gegen Cops"

Nach den tödlichen Schüssen auf Polizisten wird in den USA debattiert, wer die größeren Opfer bringen muss: Afroamerikaner oder Polizisten. Den "Black Lives Matter" wird ein "Blue Lives Matter" gegenübergestellt. Präsident Barack Obama sieht sein Land nicht so gespalten wie viele behaupten.

Von Thilo Kößler | 11.07.2016
    David Brown bei einer Rede, im Hintergrund applaudieren ihm mehrere Männer
    Der Polizeichef von Dallas, David Brown, am Freitag bei einem Gedenkgottesdienst für die fünf getöteten Polizisten. (picture alliance / dpa / Erik S. Lesser)
    Das war eine schwere Woche für die USA – so begründete Präsident Obama im fernen Madrid seinen Entschluss, den Spanien-Besuch vorzeitig zu beenden und bereits am Sonntagabend abzureisen. Wie schwer diese Woche war und wie ihre blutigen Ereignisse nachwirken, das ist unter anderem auch an den zahllosen Demonstrationen in vielen Städten der USA abzulesen: In Louisiana und Minnesota, wo zwei Afroamerikaner kurz hintereinander von Polizisten erschossen wurden, kam es zu gewalttätigen Auseinandereinsetzungen - mit zwei Dutzend Verletzten und 100 Festnahmen. Dabei wurden Polizisten mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen.
    In dieser äußerst angespannten Atmosphäre ist eine Debatte darüber entbrannt, wer in dieser Spirale der Gewalt die größeren Opfer bringen muss: die Afroamerikaner, die sich im Zeichen eines kollektiv verdrängten Rassismus verfolgt und diskriminiert sehen, oder die Polizeibeamten, die unter großem gesellschaftlichen Druck stehen und das Gefühl haben, dass ihre gefährliche Arbeit nicht gewürdigt wird.
    Gegeneinander der Bürgerbewegungen
    "Blue Lives Matter" setzen sie der Bürgerrechtsbewegung "Black Lives Matter" entgegen. Der Chef des nationalen Verbandes der Polizeiorganisationen spricht von einem "Krieg gegen Cops" und wirft Präsident Obama vor, für eine Kampfstimmung gegen Polizeibeamte gesorgt und damit den Boden für Dallas bereitet zu haben.
    Auch der Polizeichef von Dallas, David Brown, beklagt, dass die Polizeikräfte gewissermaßen unter rassistischem Generalverdacht stehen. Brown wurde nach den Todesschüssen von Dallas auf fünf seiner Mitarbeiter wegen seiner besonnenen und empathischen Art über Nacht zu einer Integrationsfigur in dieser Debatte wurde. Auch er beklagt die tiefen Gräben zwischen Polizei und Bürgern. Dabei machten 99 Prozent aller Polizisten einen großartigen Job und riskierten dabei ihr Leben. Dass sie jetzt so in der Kritik stünden, sei einfach nicht tragbar.
    Gefragt, was er den Demonstranten gegen die Polizeigewalt mit auf den Weg geben wolle, antwortete Brown: Wir sind darauf eingeschworen, Euch zu schützen und euer Recht auf Demonstrationen. Dafür sind wir auch bereit, unser Leben einzusetzen – wir würden aber gerne auch einmal hören, dass ihr das zu schätzen wisst. Das kann doch nicht so schwer sein.
    Obama wirbt erneut für schärferes Waffenrecht
    Vor dem Hintergrund dieser aufgeheizten Debatte ist Präsident Obama darum bemüht, Brücken zu bauen und Gemeinsamkeiten zu betonen. Noch in Madrid sagte er, das ganze Land sei bei Weitem nicht so gespalten, wie das viele behaupteten.
    Das Land sei sich einig in der Ablehnung jeglicher Gewalt, sagte Obama. Eindringlich appellierte er an seine Landsleute, die Nöte beider Seiten zu sehen und sich gegenseitig besser zuzuhören. Im Übrigen sieht Obama nun auch in den Schüssen von Dallas einen weiteren Beleg für seine Forderung, endlich das laxe Waffenrecht zu verschärfen.
    "Wenn man für die Sicherheit der Polizisten sorgen will, kann man dieses Thema nicht beiseiteschieben und behaupten, das habe nichts damit zu tun."
    Am kommenden Dienstag wird der amerikanische Präsident ein zweites Mal binnen eines Monats an den Särgen von Gewaltopfern stehen: Nach dem Attentat von Orlando, das Besuchern eines Schwulenclubs galt, nun in Dallas, wo er an der Trauerfeier für die fünf getöteten Polizisten teilnehmen wird.