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Gewaltfrei
Zocken als Pazifist

In vielen Computerspielen wird jede Menge digitales Blut verspritzt. Doch es gibt auch Spieler, die auf Gewalt in diesen Spielen verzichten - was gar nicht so einfach ist.

Von Christian Schiffer | 27.04.2015
    Ein junger Mann spielt einen klassischen Egoshooter.
    Ein klassischer Egoshooter - hier gewaltfrei durchzukommen, ist alles andere als einfach. (dpa/picture alliance/Lehtikuva Sari Gustafsson)
    Christopher Livingston möchte in vollkommener Harmonie mit sich und seinen Mitmenschen leben. Kein anderes Lebewesen soll durch seine Hand Leid erfahren, die Welt soll durch sein Tun besser, freundlicher, lebenswerter, kurz: friedlicher werden. Dabei gibt es nur ein kleines Problem: Die Welt, die Christopher Livingston mit seiner pazifistischen Agenda beglücken möchte, ist die von Day Z. Und Day Z ist ein Online-Computerspiel, das in der Postapokalypse angesiedelt ist. Um genau zu sein: in der Zombie-Postapokalypse.
    Begegnet Christopher Livingston Zombies, läuft er weg, begegnet er anderen Spielern hebt er seine Hand, um zu zeigen: Ich will keinen Stress! Ich will niemandem wehtun! Im Internet führt er Buch über seine Erlebnisse:
    "Ich sah, wie er ein Haus betrat und folgte ihm. Dann grüßte ich ihn über mein Mikro: Hey wie geht´s? Er blickte mich einen Moment ruhig an. Dann hob er seine Axt und schlug zu. Zwei mal."
    Nicht viel besser ergeht es Jeremy Mathais, besser bekannt unter seinem YouTube-Nickname "Goldvision". Er möchte die Welt von "Grand Theft Auto V" (GTA) befrieden. Doof nur, dass es sich hierbei um eine Welt handelt, die vor allem aus brutalen Gangstern besteht.
    Probleme als GTA-Pazifist
    Auf YouTube kann jeder sehen, vor welchen Probleme der GTA-Pazifist steht. Es fängt schon damit an, wenn er seine Pistole wegwirft, wird er sie einfach nicht los, denn sobald er das Spiel neu startet, befindet sie sich auf wundersame Art wieder in seinem Inventar. Doch nicht nur das Spiel selbst macht es Jeremy Mathais schwer, friedlich zu bleiben, auch seine Mitspieler zeigen ihm immer wieder, dass GTA so ziemlich das Gegenteil von einem virtuellen Ostermarsch ist. Mehrmals wird "Goldvision" beiläufig in den Kopf geschossen.
    Besser ergeht es dem World of Warcaft-Spieler "Doubleagent". Im Juni 2014 gelingt es ihm, in dem Online-Rollenspiel den höchsten Level zu erreichen. Das schafft "Doubleagent", ohne einer anderen Kreatur ein einziges Haar zu krümmen. Kein Wildschwein kommt um durch seine Hand, keine Ratte, kein Erzdämon oder Skelettkrieger. Stattdessen sammelt "Doubleagent" Kräuter und schürft Mineralien, so kommt er im Spiel voran, allerdings nur sehr sehr sehr sehr sehr langsam:
    "Als ich angefangen habe, meinten alle, dass ich es nicht schaffen werde und ich wollte beweisen, dass sie unrecht haben. Ich wollte herausfinden, ob es möglich ist, auf diese Art die maximale Stufe zu erreichen. Also habe ich es einfach ausprobiert."
    Genau 173 Tage und zwölf Stunden hat "Doubleagent" im Spiel benötigt, um sein Ziel zu erreichen. Wer wirklich konsequenter Pazifist sein möchte, der braucht also Gleichmut und viel Disziplin. Im Leben, wie im Spiel.