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Gewaltprävention im Fußball
DNA-Tests für Fans?

Die Düsseldorfer Polizei hat auf freiwilliger Basis DNA-Proben von zwei Fußballfans genommen. Damit will sie zukünftige Straftaten angeblicher Intensivtäter verhindern. Doch die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ist umstritten.

Von Thorsten Poppe | 14.02.2016
    Eine Hand mit Gummihandschuh steckt ein Stäbchen zur Speichenprobe in einen Männermund.
    DNA-Tests bei Fußballfans - hilfreich oder rechtlich übergriffig? (dpa/picture alliance/Bodo Marks)
    Fortuna-Düsseldorf-Fans im Clinch mit der Polizei im Umfeld eines Fußballspiels. Laut den Beamten kommt es dabei zu einem tätlichen Übergriff auf einen Polizisten. Im Rahmen der Ermittlungen zu dieser und einer anderen mutmaßlichen Gewalttat, nahm die Polizei nun von den zwei Verdächtigen eine DNA-Probe. Damit sollen künftige Straftaten von diesen Personen leichter aufgeklärt werden können.
    Dies ist Teil des Konzepts "Intensivtäter Sport", das NRW als erstes Bundesland umsetzt. So zählt unter anderem bei solchen Strafdelikten nicht mehr das "Tatort-Prinzip", sondern es wird am Wohnort des mutmaßlichen Täters verhandelt.
    Dort befassen sich stets die gleichen Ermittler und Richter mit den Fällen, damit kein Hintergrundwissen über Intensivtäter verloren geht. Der Düsseldorfer Polizeisprecher Marcel Fiebig erklärt die neue Qualität dieser Maßnahmen:
    "Neu ist, dass wir uns jetzt die sogenannten Intensivtäter 'Gewalt und Sport', dass wir uns diese Personen, die aus dieser Masse herausstechen, dass wir die uns näher angucken. Und dass wir da konsequent mit allen Mitteln, die uns die Strafprozessordnung zur Verfügung stellt, gegen diese Personen vorgehen. Und dazu ist eine Maßnahme, dass wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dass wir eine DNA-Probe entnehmen, und diese Daten dann ja auch dauerhaft speichern."
    Hooligans aus der Anonymität holen
    Diese neue Praxis der Polizei sorgt für viel Aufregung in der Fußballszene. Aus mehreren Gründen. Da ist zum einen die freiwillig erfolgte Abgabe der DNA-Probe. Tobias Westkamp ist Anwalt und vertritt regelmäßig Mandanten, die mit Delikten in und um Fußballspielen zu tun haben. Ohne rechtlichen Beistand seien viele Fans in dieser Situation schlichtweg überfordert, berichtet er:
    "Wenn man, ja jedenfalls die Meisten, nicht jeden Tag Besuch von der Polizei bekommt. Der ein oder andere ist zum einen nicht über seine Rechte in Kenntnis, zum anderen mit Sicherheit auch nicht in der Lage von seinen Rechten Gebrauch zu machen. So lange es keinen richterlichen Beschluss gibt, ist niemand verpflichtet, DNA von sich abzugeben."
    Dazu sorgt für Aufruhr, dass die Düsseldorfer Polizei in diesem Zusammenhang von Hooligans spricht. Mithilfe der Probe sollen sie zudem aus der Anonymität geholt werden. Gegen diese beiden Punkte wehrt sich die Düsseldorfer Ultraszene, die mehrere hundert Mitglieder umfasst. In einem Gespräch mit uns versichern sie, dass die beiden Tatverdächtigen keineswegs Hooligans oder gar Intensivtäter seien. Denn beide seien erst Anfang 20, und in der Ultragruppierung sogar offizielle Ansprechpartner für Fortuna Düsseldorf. Vor dem Mikrofon wollen sich die Ultras uns gegenüber nicht äußern, geben aber schriftlich eine Stellungnahme darüber ab:
    "Die Maßnahme galt maßgeblich Ultras und nicht wie behauptet Hooligans. Erheblicher politischer Druck seitens des NRW-Innenministeriums dürfte hierfür ausschlaggebend sein. Von einer Entnahme auf freiwilliger Basis kann dabei nicht gesprochen werden. Entweder die Probe wird abgegeben, oder die Betroffenen erwartet eine härtere Gangart. Und das obwohl bisher keine der laufenden Anzeigen gegen sie eine gerichtliche Verurteilung nach sich zog, und bereits teilweise Strafverfahren gegen sie eingestellt wurden."
    Das ohnehin schon zerrüttete Verhältnis von Ultras und Polizei werde dadurch noch mehr belastet, sagt Rechtsanwalt Tobias Westkamp.
    Fehlen nötige Voraussetzungen?
    Laut Deutschlandfunk-Recherchen war die bisher einzige DNA-Analyse in Zusammenhang mit einem Fußballdelikt 2012. Damals warfen Anhänger des 1. FC Kölns einen Pflasterstein auf einen Fan-Bus Mönchengladbachs. Doch die DNA-Untersuchung des Wurfgeschosses führte zu keinem gerichtlich verwertbaren Ergebnis.
    Daneben hat die Polizei bisher noch keine solcher Analysen bei Strafdelikten im Fußball durchgeführt. Das soll sich jetzt mit dem Intensivtäter-Konzept ändern. Tobias Westkamp sieht für die DNA-Abgabe von Verdächtigen vor allem in der notwendigen richterlichen Anordnung die größte Hürde für die Polizei:
    "Zunächst muss der betroffene Bürger im Verdacht stehen eine gewichtige Straftat begangen zu haben. Eine gewichtige Straftat ist ein so genannter Verbrechenstatbestand, also ein Strafbestand der mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr strafbewährt ist. Diese Voraussetzungen treffen auf das überwiegende Gros der oftmals jungen Fußballfreunde, die in das Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten, so nicht zu."
    Polizei: "Wir wollen ein Signal setzen"
    Selbst der mutmaßlich tätliche Angriff einer der beiden Düsseldorfer Verdächtigen auf einen Polizisten hätte es unter diesen Umständen schwer gehabt, solch eine richterliche Anordnung zu erhalten. Erst wenn mehrere Delikte dieser Qualität einer Person nachgewiesen werden könnten, würde die im Normalfall erteilt werden können. Diese hohen Hürden hält die Düsseldorfer Polizei jedoch nicht davon ab, ab jetzt verstärkt auf dieses Mittel zu setzen:
    "Wir haben jetzt eine gute Handvoll von DNA-Proben bereits entnommen, oder die stehen kurz bevor. Wir wollen ein Signal setzen, wir haben Eure Daten. Und sollte es so zu gleichgelagerten Straftaten kommen, haben wir so ein Instrumentarium um Euch die eine oder andere konkrete Straftat nachweisen zu können."