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"Gewebespenden nicht dem Kommerz überlassen"

Professor Gerhard Ehninger, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, hat den Entwurf zum so genannten Gewebegesetz als "absolut ungeeignet" zurückgewiesen. Menschliches Gewebe werde in der Vorlage wie ein normales Arzneimittel aufgefasst, mit dem auch Handel getrieben werden könne. Die Sorge, dass dann eine Gewebespende nicht den erreiche, der sie brauche, sondern den, der sie bezahlen könne, werde in dem Gesetz nicht berücksichtigt.

Moderation: Elke Durak | 07.03.2007
    Elke Durak: Der Gesundheitsausschuss des Bundestages befasst sich heute Nachmittag mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der im Sommer das Parlament passieren soll. Dieser Gesetzentwurf folgt EU-Richtlinien und soll den na sagen wir mal Umgang mit menschlichem Gewebe und eben solchen Zellen regeln.

    Am Telefon ist Professor Gerhard Ehninger. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums in Dresden, außerdem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer und er nimmt als deren Sachverständiger heute an der Anhörung des Gesundheitsausschusses teil. Guten Tag Herr Professor Ehninger.

    Professor Gerhard Ehninger: Guten Tag Frau Durak.

    Durak: Auf den Beitrag eingegangen und die Äußerung Ihres Kollegen, wieso würde der Handel mit Gewebe, es sei denn, es käme zu dem, Leben retten behindern?

    Ehninger: Wir haben mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine Problematik eingebaut, dass beim Übergang nach der Gewebeentnahme, wenn es zur Verteilung und Abgabe kommt, Arzneimittel daraus entsteht. Damit ist es nicht preisgebunden. Damit ist Handel machbar und bei Mangelgeweben, zum Beispiel bei Hornhaut, sind dann natürlich auch Spitzenpreise erzielbar, und wir haben die Sorge, dass es nicht der bekommt, der es braucht, sondern der, der es bezahlen kann.

    Durak: Und das ist im Gesetz nicht geregelt?

    Ehninger: Das ist in diesem Gesetz nicht geregelt und wir machen darauf seit einem Jahr aufmerksam, wo verschiedene Vorentwürfe vorgelegt worden sind. Wenn wir das Beispiel Hornhaut noch einmal nehmen. Patienten, die nicht mehr sehen können, weil sie eine Verletzung des Auges haben oder Ätzungen an der Hornhaut, die werden wieder sehend, wenn sie von einem Toten die Hornhaut übertragen bekommen. 4000 Menschen benötigen das pro Jahr in Deutschland. Es gibt aber nur 2000 Spenden. Von daher fordern wir, dass damit a) nicht Handel betrieben werden kann und dass eine Abgaberegelung klar ist, so wie bei Organen eine Dringlichkeitsregelung, und dass das nicht dem Kommerz überlassen wird. Dort hat dieser Entwurf keinerlei Regelungen vorgesehen und deshalb wenden wir uns auch so vehement dagegen.

    Durak: Aber gibt es nicht auch ein Arzneimittelgesetz, das bestimmte Dinge regelt? Wenn diese Gewebe und Zellen sozusagen unter das Arzneimittelgesetz fallen, müsste es doch auch eine Regelung in Ihrem Sinne geben, oder hat das Arzneimittelgesetz auch dieses nicht?

    Ehninger: Im Arzneimittelgesetz ist natürlich über Preisbildung, Preisgestaltung, Gemeinnützigkeit keinerlei Regel, sondern da ist ja gewollt, dass Handel und auch durchaus Gewinn erzielt werden darf. Wir wenden uns dagegen, dass Gewebe überhaupt Arzneimittel wird, sondern dass immer die Besonderheit des Gewebes des menschlichen Ursprungs behält und dass man die Regeln, die man schafft, nicht aus dem Bereich der Medikamente überträgt, sondern damit ein neues Regelwerk schafft. So will es auch die EU in weiteren Vorschriften, aber wir Deutschen machen mal wieder etwas ganz Besonderes. Wir überregulieren das Ganze. Wir machen eine Riesenbürokratie, und das Ganze hat eine Kostenlawine nach sich, die derzeit noch nicht mal abzuschätzen ist.

    Durak: Herr Professor Ehninger, wie erklären Sie sich, dass der Gesetzentwurf so aussieht, wie Sie ihn jetzt beschreiben? Im Gesundheitsausschuss und in den zuständigen Bereichen sitzen doch auch sozusagen Sachverständige.

    Ehninger: Man hat unsere Kritikpunkte - und ich darf hier kurz anfügen: Das ist vielleicht das erste Mal überhaupt im Gesundheitssystem, dass Krankenkassen, Ärzte, Krankenhäuser und pharmazeutische Industrie einhellig der gleichen Meinung sind, dass dieser Entwurf nicht geeignet ist. Ich kann es mir nur so erklären: Das ist der einfachste Weg, ein bestehendes Gesetz zu nehmen und einfach Gewebe mit reinzuschreiben und dann das Ganze diesem Regelwerk zu überlassen. Ich glaube, dass es eher mal diese bürokratische Faulheit ist, einfach nichts Neues zu schaffen. Es kommt dann hinzu, dass das Thema Ei- und Samenzellen auch noch ins Arzneimittelgesetz hineinkommt, wo wir auch ethische Bedenken haben.

    Ich hoffe heute, dass wir den Gesundheitsausschuss überzeugen können, dass diese Vorlage absolut ungeeignet ist, und hoffe, dass das Parlament dort Hand anlegt und entsprechende Änderungen vornimmt oder es sogar an die Regierung zurücküberweist. Das ist meine große Hoffnung.

    Durak: Herr Professor Ehninger, man könnte es auch zuspitzen und sagen, es würde ein unmenschliches Gesetz sein, wenn ein Handel ermöglicht wird, der Lebensrettung behindert oder zum Teil unmöglich macht?

    Ehninger: Ich denke, so darf man, so kann man es formulieren, weil wir haben die Sorge, dass die Bereitschaft der Bevölkerung, die ja eh nicht sehr ausgeprägt ist, Organe im Falle eines Hirntodes zu spenden, noch mehr zurückgeht, wenn dieser Dunstkreis Kommerz und Gewerbe darüber ist. Das muss sauber getrennt werden und jedem muss klar werden, ab welcher Stelle aus Gewebe ein handelbares Produkt entsteht. Jeder muss sicher sein, dass, wenn es selten ist und ein Mangel besteht, dass es nur der bekommt, der es benötigt. Von daher werden wir uns in dem Sinne heute ganz massiv einsetzen.

    Durak: Professor Gerhard Ehninger, Direktor der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Dresden, Vorsitzender auch des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer und heute Sachverständiger für die Ärzte bei der Tagung des Gesundheitsausschusses zum so genannten Gewebegesetz. Herzlichen Dank Herr Professor Ehninger für das Gespräch.