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Gezielte Wirkung mit magnetischen Teilchen

Physikalische Chemie - Ferrofluide heißen Suspensionen magnetischer Nanopartikel und ihre besonderen Eigenschaften machen sie für eine Reihe von Anwendungen interessant. Welche genau, das diskutieren Experten seit heute auf dem in Saarbrücken. Organisiert hat das Treffen Professor Rolf Hempelmann vom Institut für Physikalische Chemie der Universität des Saarlandes. Im Deutschlandfunk erläuterte er das Fachgebiet. Die Fragen stellte Ralf Krauter.

20.07.2005
    Krauter: Herr Professor Hempelmann, wie stellt man solche Ferroflouide überhaupt her?

    Hempelmann: Ferrofluide bestehen, wie Sie sagen, aus magnetischen Nanopartikeln. Das sind ja anorganische Materialien und die Trägersubstanz ist häufig auch ein organisches Material. Das heißt, die anorganischen Materialien müssen an der Oberfläche so modifiziert werden, dass sie mit der Trägerflüssigkeit kompatibel und dass sie sich gegenseitig ein bisschen abstoßen, so dass sie halt nicht ausklumpen.

    Krauter: Erste kommerzielle Anwendungen von solchen Ferrofluiden gibt es auch schon. Unter anderem auch bei Computerfestplatten. Wo genau kommt so was zum Einsatz?

    Hempelmann: Bei Computerfestplatten besteht ja das Problem, dass einerseits die Festplatte angetrieben werden muss, sie läuft ja mit einer hohen Geschwindigkeit, der Motor sitzt natürlich außerhalb des Gehäuses. Andererseits darf aber in das Gehäuse kein Staub eindringen, denn das würde sofort zu einem Plattencrash führen. Deshalb ist es also ganz wichtig, dass wir eine Drehdichtung haben und diese Drehdichtung wird heutzutage in vielen Fällen über Ferrofluide realisiert. Dichtungsöle also, die solche magnetischen Nanopartikel enthalten und mit einem permanenten Magneten am Ort gehalten werden.

    Krauter: Diese Möglichkeit, eine Flüssigkeit also gezielt mit Magneten an einem bestimmten Ort zu halten oder auch an einen bestimmten Ort zu bringen, die müsste ja eigentlich auch für die Medizin interessant sein?

    Hempelmann: Genau! Man kann nämlich das gleiche Prinzip anwenden, um magnetische Nanopartikel, die jetzt mit einem Medikament beladen sind, an der Stelle zu halten, wo das Medikament wirksam werden soll. Also in der Regel wäre das jetzt ein Tumor und man kann mit einem außen angelegten Magneten dieses Ferrofluid an den Tumor leiten und daran festhalten, so dass das Medikament dort freigesetzt wird, dass man dort die therapeutisch erforderliche Dosis hat, während der Rest des Körpers weitgehend verschont bleibt und so Nebenwirkungen auch weitgehend ausbleiben.

    Krauter: Wird so was heute schon gemacht, also magnetische Chemotherapeutika?

    Hempelmann: Ja, das nennt man ja drug targeting auf Neudeutsch. Das gibt es schon, im Tierversuch allerdings. Im Menschen ist mir eine Anwendung noch nicht bekannt.

    Krauter: Und die ersten Ergebnisse im Tierversuch, sind die so, dass es vielversprechend ist?

    Hempelmann: Ich habe entsprechende Vorträge gehört und entsprechende Bilder gesehen, es wird beispielsweise an der Universitätsklinik Erlangen gemacht. Das war schon erstaunlich. Das konventionell behandelte Kaninchen mit der Chemotherapie hat sämliche Haare verloren - das sieht schon sehr eigenartig aus, ein Kaninchen ohne Haare - und das Kaninchen, was mit der neuen Methode behandelt wurde, das sah eben noch wie ein richtiges Kaninchen aus.

    Krauter: Eine andere mögliche Anwendung fällt unter das Stichwort "induziertes Kleben". Wie weit ist man da schon?

    Hempelmann: Dabei geht es darum, dass man solche magnetischen Nanopartikel in einen Klebestoff einbringt und dann die Möglichkeit hat, von durch von außen eingestrahlte elektromagnetische Wellen primär die Partikel aufzuheizen und dann sekundär den Klebstoff, so dass also die Wärme innen im Klebstoff entsteht und durch diese Wärme wird diese Klebung ausgelöst. Das würde man auf Neudeutsch "bond on command" nennen, aber man kann genauso eine Klebung wieder lösen, das hieße dann "disbond on command".

    Krauter: Das ist also im Prinzip die Adaption eines Verfahrens, das auch schon in der Medizin bei Krebstherapien eingesetzt wird.

    Hempelmann: Genau das gleiche Prinzip wird in der Hyperthermie eingesetzt, allerdings sind das ganz andere Temperaturen in der technischen Anwendung bei den Klebstoffen, da geht es eben um 100, 200 Grad Celsius und bei der Hyperthermie, da geht es halt auch um ein Aufheizen von 37 Grad auf 41 Grad, also um vier Grad nur.

    Krauter: Wo liegen noch die Hauptprobleme bei der Umsetzung?

    Hempelmann: Das Problem beim Kleben ist, dass es eine neue Technologie ist. Man würde also mit einer Mikrowelle kleben statt bisher mit Heißluft. Die Akzeptanz von neuen Technologien ist natürlich nicht so ganz einfach. Da müssen entsprechende Produktionseinrichtungen umgerüstet werden. Das ist also das Hauptproblem. Das ist das psychologische Problem.