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Gibt es bald eine Impfung gegen HIV?

Die Prognose, bis zum Jahr 2020 eine wirksame HIV-Schutzimpfung zu haben, sei ausgesprochen optimistisch, sagt Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide. Das HI-Virus sei regional sehr unterschiedlich, was bedeute, dass mögliche Impfstoffe nachgebessert werden müssten.

Martin Winkelheide im Gespräch mit Jochen Steiner | 24.07.2012
    Jochen Steiner: In fünf Jahren haben wir einen Impfstoff gegen HIV. Das sagte Mitte der 80er-Jahre der Entwickler des ersten AIDS-Tests, Bob Gallo. Ein großer Irrtum. Die ersten Test-Impfstoffe hielten nicht, was sie versprachen. Es folgte Rückschlag um Rückschlag. AIDS-Forscher sind daher sehr vorsichtig geworden, wenn es um Vorhersagen geht. Umso erstaunlicher ist es, dass ein führender US-amerikanischer Impfstoff-Forscher auf der Welt-AIDS-Konferenz in Washington jetzt angekündigt hat: In acht Jahren, bis zum Jahr 2020 haben wir eine wirksame Schutzimpfung gegen HIV.
    Mein Kollege Martin Winkelheide beobachtet für Forschung aktuell die
    Konferenz in Washington. Sind die AIDS-Forscher jetzt übermütig geworden oder gibt es tatsächlich handfeste Gründe für diesen neuen Optimismus?

    Martin Winkelheide: Na derjenige, der gesagt hat, in acht Jahren haben wir einen Impfstoff, das ist Nelson Michael. Er leitet das Impfprogramm am Walter Reed Army Institute. Also, er ist ein Militärforscher – ich hab ihn auch noch nie anders gesehen, als in seiner Paradeuniform - und an sich ist er ein sehr besonnener Mann, der große Erfahrung hat, auch mit Feldversuchen, und zum Beispiel den großen Impfstoffversuch in Thailand geleitet hat. Und er sagt, es gibt tatsächlich Gründe für diesen Optimismus, denn die Impfstoffforschung hat trotz aller Rückschläge in den letzten Jahren eben viel dazugelernt.

    Steiner: Was haben die Forscher denn aus den bisherigen Rückschlägen bei den Impfstofftests gelernt?

    Winkelheide: Am Anfang war es ja so, dass man dachte, auch gegen HIV kann man impfen wie gegen "normale Viren". Das heißt, man hat am Anfang Bruchstücke aus der Virushülle genommen, um Impfstoffe zu konstruieren. Das hat nicht funktioniert. Und danach hat man gesagt, gut, wenn man nicht Impfstoffe herstellen kann, die vor einer Ansteckung schützen, vielleicht kriegen wir es hin, einen Impfstoff zu konstruieren, mit dem sich eine Infektion kontrollieren lässt. Und man hat dann eben Erbinformationen des Virus in diese Impfstoffe hineingepackt. Das alleine hat nicht funktioniert. Und dann hat man eben gesagt: Ok, jetzt müssen wir noch mal neu gucken, was braucht man denn wirklich für einen guten Impfstoff, der richtig gut schützt.

    Steiner: Wie soll den jetzt dieser neue Impfstoff vor einer Ansteckung mit HIV schützen?

    Winkelheide: Im Prinzip werden jetzt die zwei großen, traditionellen Ansätze der Impfstoffforschung bei HIV kombiniert miteinander. Das heißt, der Impfstoff besteht aus zwei Komponenten. Zum einen werden eben Erbinformationen des Virus hineingepackt und das kommt in die erste Spritze hinein. Und in die zweite Spritze kommt so etwas wie ein Booster, also ein Impfverstärker. Das ist ein Adenovirus, ein verändertes, abgeschwächtes Schnupfenvirus, das dann noch mal Informationen enthält, für die Virus-Hülle. Und das heißt, Ziel ist sozusagen, mit dem Verstärker dann, dass der Körper lernt, wie er Abwehrmoleküle gegen das Virus baut. Man kombiniert sozusagen zwei Ansätze miteinander und gibt sie nacheinander an die freiwilligen Impfstudienteilnehmer.

    Steiner: Wann wird es denn da erste Ergebnisse geben?

    Winkelheide: Erste Ergebnisse wird es frühestens in einem Jahr geben. Dann wird ein Komitee sich die Ergebnisse angucken und auch entscheiden, geht der Impfstoffversuch weiter, oder geht er nicht weiter.
    Insgesamt nehmen im Moment 2200 Personen daran teil. Wenn der Impfstoff zu schlecht schützt, wird es abgebrochen, weil es unethisch wäre, dann weiterzumachen. Wenn er zu gut schützen würde – und darauf hofft Nelson Michael – dann würde auch abgebrochen werden, weil man sagt, gut, die Plazebo-Gruppe, also die, die den Impfstoff nicht kriegen, das kann man nicht so lassen, die müssen auf jeden Fall auch geimpft werden.

    Steiner: Wenn der Impfstoff wirkt, wird es dann einen Impfstoff weltweit geben, der dann eingesetzt wird?

    Winkelheide: Das große Problem bei HIV ist ja, dass das Virus sehr sehr unterschiedlich ist, je nach Regionen auf der Feld. Es gibt verschiedene Subtypen. Hier wird nur gegen einen sehr häufigen Subtyp geimpft, der in den USA weit verbreitert ist. Man müsste den Impfstoff nachbessern und dann wirksam machen, sozusagen, auch für den Rest der Welt.

    Steiner: Eine kurze Einschätzung noch von Ihnen Herr Winkelheide: bis 2020, wird das klappen?

    Winkelheide: Es hat so viele Überraschungen gegeben bei der Impfstoffforschung und die meisten Überraschungen, das waren keine guten Überraschungen. Also ich halte die Prognose für sehr sehr optimistisch.

    Steiner: Vielen Dank! Martin Winkelheide war das live aus Washington von der Welt-AIDS-Konferenz.