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Giftgas-Einsatz in Syrien
"Die Russen wissen, dass das Regime verantwortlich ist"

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte ein gemeinsames Vorgehen der USA und Russlands im Syrien-Konflikt. Es wäre sehr nützlich, wenn beide Länder einen Konsens finden könnten, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Das Wichtigste sei einzusehen, dass es in Syrien keine Zukunft mit Machthaber Assad geben könne.

Jean Asselborn im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.04.2017
    Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn vor Mikrofonen
    Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn äußerte im DLF Hoffnung darüber, dass Russland und die USA zu einem Konsens zu Syrien kommen. (EPA)
    Armbrüster: Herr Asselborn, viel mehr als zusehen und vielleicht Finanzhilfe verabreden können die westlichen Regierungen hier auch nicht, oder?
    Asselborn: Ich glaube, das war trotzdem sehr wichtig, dass wir gestern diese internationale Konferenz hatten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass das, was geschehen ist, genau an diesem Tag geschah. Ob wir viel mehr machen können? – Als Europäische Union stehen wir ja bereit, das wissen Sie, den Wiederaufbau entscheidend mit zu bestimmen, auch mit Mitteln. Aber natürlich, wir brauchen eine politische Transition.
    Armbrüster: Jetzt haben wir gerade vom Toxikologen Ralf Trapp gehört, dass diese Aufarbeitung, diese Untersuchung durchaus einige Komplikationen mit sich bringen kann. Trotzdem sind ja schon viele gestern vorgeprescht. Wir haben auch den Ton gerade gehört von Donald Trump. Viele, die sagen, wir wissen schon jetzt, das war Assad, das kann man sicher sagen. Schließen Sie sich denen an?
    Assad stelle sein Volk "total hinten an"
    Asselborn: Es gibt viele Indizien, das muss man klar sagen, dass das syrische Regime verantwortlich ist. Sie wissen, die Region Idlib ist kontrolliert von der Opposition. Das ist mehr oder weniger eine moderate Opposition, al-Nusra. Die Dschihadisten sind auch präsent. Die Gas-Attacken, das ist offenkundig, kamen aus der Luft. Wer hat Flugzeuge? Das ist das Regime. Und ich glaube, es war eine kalkulierte perfide Barbarei von höchster Potenz, denn das Spital, wo die Kinder und die Menschen behandelt wurden, ist ja auch dann beschossen worden. Ich glaube, dass am Tag von dieser fünften internationalen Konferenz das Regime in Syrien glaubt, dass sie rein militärisch die Oberhand erlangen können und behalten können und dass sie keinen Waffenstillstand wollen und dass sie keine internationale Konferenz wollen. Das scheint mir, glaube ich, logisch. Die UNO macht diese Untersuchung, wie Herr Trapp das richtig gesagt hat, aber politisch gesehen, glaube ich, soll man nicht zu viel zweifeln, wer das war.
    Armbrüster: Das heißt, das war auch ein ganz deutliches Signal, ein ganz offensichtliches Signal von Syriens Präsident Assad? Der wollte es hier den westlichen Regierungen auch noch mal zeigen?
    Asselborn: Ich glaube, das ist ganz einfach. Assad ist ein Mensch, der eigentlich sein Volk total hinten anstellt. Nur seine Macht zählt. Er ist der, der verantwortlich ist für diesen ganzen Bürgerkrieg. Er hat 2011 damit begonnen. Er hat auch mit Waffen auf friedliche Demonstranten geschossen. Und ich bin auch froh, dass der amerikanische Präsident, der ja in einem sehr effizienten Lernprozess ist, dass er nicht davon ausgeht, dass Assad das kleinere Übel ist, sondern dass man hier gegenhalten muss. Ich weiß nicht, welche Details, er hat ja keine Details gesagt, was er da machen will. Aber das Allerwichtigste ist, dass eingesehen wird, dass Syrien keine Zukunft mit Assad hat.
    "Russland will eher ein Peacemaker sein"
    Armbrüster: Sie nennen das einen effizienten Lernprozess von Donald Trump. Was vermuten Sie denn, was steckt hinter seinen Worten, wenn er sagt, dass sich sein Blick auf Assad und auf Syrien jetzt gerade ändert?
    Asselborn: Ich glaube, der amerikanische Außenminister wird nächste Woche ja in Russland sein. Es ist offenkundig, dass Russland immer sagt, wir sind nicht verheiratet mit Assad, aber Russland will ein zweites Afghanistan-Desaster verhindern. Sie wissen, damals hat die Sowjetunion sie 15.000 Menschen verloren und sie mussten abziehen. Das wollen sie nicht. Aber Russland will eher ein Peacemaker sein, und dass die Amerikaner mit Russland – das wäre sehr, sehr nützlich – zu einem Konsens finden, und die Russen wissen ja auch ganz klar, dass das Regime verantwortlich ist. Die Position im Sicherheitsrat hängt ja davon ab, dass sie gegen den Westen sich stellen wollen, und natürlich haben sie ein Argument. Das ist, Assad ist das Regime, und wenn das Regime zusammenbricht, bricht der Staat zusammen. Und was dann die Konsequenz ist, hat man ja im Irak gesehen. Aber hier glaube ich, wenn Donald Trump, wenn die Amerikaner einsehen, dass die Transition nicht mit Assad zu machen ist, dass hier trotzdem, davon bin ich überzeugt, das Gespräch Amerikaner-Russen eine Kehrtwende bringen kann. Denn was im Weltsicherheitsrat gestern geschah, ist das übliche Spiel. Die Waffe des Vetos, die greift immer, und die ist mit wenig Aufwand zu ziehen.
    "Aus diesem Stellvertreterkrieg einen Stellvertreterfrieden machen"
    Armbrüster: Herr Asselborn, da blicken wir jetzt direkt wieder auf die großen Player, auf die wir direkt immer blicken bei diesem Konflikt: die USA, Russland, möglicherweise auch den Weltsicherheitsrat. Lassen Sie uns kurz nach Europa blicken, auf die europäischen Regierungen. Sie haben dieses Treffen gestern in Brüssel erwähnt. Hilfszusagen wurden da gemacht in Höhe von neun Milliarden Euro. Das können die Europäer immer sehr gut, diese Art von Diplomatie, aber wir hören ja auch immer wieder, dass dieser Krieg in Syrien eigentlich nur deshalb immer noch andauert, weil so viele Staaten aus der Region darin verwickelt sind, Iran und Saudi-Arabien, um nur mal zwei zu nennen. Warum arbeiten so viele oder eigentlich alle europäischen Staaten noch immer mit den Regierungen dort zusammen?
    Asselborn: Nicht zusammenarbeiten mit Iran und mit Saudi-Arabien und mit der Türkei und mit Russland, das wäre verhängnisvoll. Ich glaube, das will ich noch sagen, dass die Russen auch raus wollen, und durch ein Zeichen im September in Astana haben sie ja diesen, sagen wir mal, Waffenstillstand auch sehr unterstützt, Türkei, Iran, Russland. Ich glaube, gestern die Menschen, die in Brüssel saßen, die wollen aus diesem Stellvertreterkrieg, den Sie richtig so sehen, einen Stellvertreterfrieden machen. Und die Europäische Union – ich glaube nicht, dass wir es fertig bringen oder sollten, zum Beispiel deutsche oder luxemburgische Soldaten nach Syrien zu schicken. Aber wir können international sehr viel, glaube ich, bewältigen. Und wir müssen auch wissen, dass das gepflegt wurde. Sie sagen, Europa ist gut darin. Es wurden neun Milliarden zugesagt, in London gestern sechs Milliarden. Das ist nicht nur europäisches Geld, aber wenn Sie wissen, dass die ganze Rekonstruktion jetzt mit 120 Milliarden berechnet wird, jetzt schon, um Syrien wieder aufzubauen, dann sehen Sie auch den Unterschied der Dimension.
    "Internationale Gemeinschaft will eine Transition in Syrien"
    Armbrüster: Das heißt, Herr Asselborn, der Druck, den Europa jetzt schon auf Staaten wie zum Beispiel Iran und Saudi-Arabien aufbaut in Sachen syrischer Bürgerkrieg, der reicht schon aus oder mehr geht nicht?
    Asselborn: Nein, der reicht nicht aus. Ich glaube, wir müssen immer wieder wiederholen die Resolution vom Dezember 2015, dass die eingehalten wird, dass die internationale Gemeinschaft eine Transition will in Syrien, um dann dem syrischen Volk die Möglichkeit zu geben zu bestimmen, was ihre Zukunft sein soll.
    Armbrüster: … sagt bei uns hier im Deutschlandfunk Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen, Herr Asselborn.
    Asselborn: Bitte, Herr Armbrüster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.