Donnerstag, 25. April 2024

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Sprinterin Gina Lückenkemper
"Olympische Spiele in Deutschland können eine tolle Sache sein"

Gina Lückenkemper holte bei der EM in München gleich zwei Mal Gold. Im Dlf-Sportgespräch sprach die Leichtathletin über eine mögliche deutsche Olympia-Bewerbung und darüber, warum es für Sportlerinnen manchmal schwierig sei, Haltung zu zeigen.

Gina Lückenkemper im Gespräch mit Astrid Rawohl | 01.01.2023
16.08.2022, European Championchips München 2022, Leichtathletik im Olympiastadion München, 100 Meter Lauf Frauen, Finale
Gina Lückenkemper, die frisch gebackene „Sportlerin des Jahres“, hat bei der Leichtathletik-WM 2023 in Budapest Großes vor. Und hofft auf eine deutsche Bewerbung für die Olympischen Spiele. (IMAGO/MIS)
2022 war ein besonderes Jahr für Gina Lückenkemper. Im August sprintete die 26-Jährige Leichtathletin bei der Heim-EM im Rahmen der European Championships in München über 100 Meter in 10,99 Sekunden zur Goldmedaille. Und auch mit der 4x100-Meter-Staffel landete Lückenkemper ganz oben auf dem Podium. Dafür wurde die Wahl-Bambergerin im Oktober mit dem Bayerischen Sportpreis ausgezeichnet und wurde im Dezember zudem zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gekürt.
"Mit Abstand das Highlight meiner Karriere", sagte Lückenkemper im Deutschlandfunk-Sportgespräch über die EM. "Wenn ich daran zurückdenke, bin ich einfach nur erfüllt von Dankbarkeit."

"Unfassbar geniale Trainingssituation" in Florida

Lückenkemper startet für den Deutschen Leichtathletik-Verband, traniert aber rund fünf Monate im Jahr mit einer Trainingsgruppe in Florida. Das sei eine "unfassbar geniale Trainingssituation", sagte sie.
"Ich kann hier in einer Gruppe mit Olympiasiegern, Weltmeistern und Weltrekordhaltern trainieren. Das ist unfassbar viel Talent, was hier aufeinandertrifft. Dadurch habe ich auch im Training schon regelmäßig den Wettkampf, den ich auch nicht scheuen möchte, wenn es dann in den richtigen Wettkampf geht. Und das ist eine Situation und ein Umfeld, von dem ich persönlich unfassbar viel profitiere. Es ist ein Umfeld, was ich so in der Form im Sprint in Deutschland einfach nicht vorfinden kann."
In Deutschland gebe es so etwas nicht, sagte die gebürtige Soesterin. "Natürlich wäre es schön, mehr Zeit in der Heimat zu verbringen. Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch und auch ein großer Familienmensch und wäre deswegen glücklich und dankbar, wenn ich die Möglichkeit hätte, in Deutschland so zu trainieren, wie ich das hier kann. Aber da ist zum aktuelle Zeitpunk Wunschdenken. Wir haben momentan keine Weltmeister und Olympiasieger im Sprint, die in Deutschland trainieren."

"Verzichte auf persönliche Urlaubsreisen"

Das Thema CO2-Fußabruck sei ein Thema, dass Lückenkemper bei ihren vielen Reisen beschäftige, sagte sie. "Leider geht es mit meinem Job aktuell nicht anders. Ich versuche deswegen, so wenig wie möglich zu fliegen. Das heißt, meine Blöcke, die ich in den USA mache, versuche ich so weit wie möglich auszudehnen, um die Fliegerei so minimal wie möglich zu halten und verzichte deswegen auch auf persönliche Urlaubsreisen."
Sportliches Highlight im neuen Jahr ist die Weltmeisterschaft in Budapest (19. bis 27. August). Mit der WM habe Lückenkemper "noch eine Rechnung offen". Bei der WM im vergangenen Jahr war für die 26-Jährige nach einem Durcheinander und insgesamt drei Starts im Halbfinale Schluss.
"Ich möchte auf jeden Fall irgendwann mal in einem WM-Finale stehen. Und das werde ich 2023 in Budapest wieder in Angriff nehmen." Mit der Staffel holte Lückenkemper bei der vergangenen WM in Eugene/USA die Bronzemedaille "in einem Sensationsrennen". Auch deswegen sei Lückenkemper voller Vorfreude auf Budapest.

"Begeisterung für Sportgroßveranstaltungen ist da"

Währenddessen arbeitet der Deutsche Olympische Sportbund daran, die Olympischen Spiele nach Deutschland zu holen. "Olympische Spiele in Deutschland können eine tolle Sache sein, sofern das Konzept vernünftig durchdacht ist und auch nachhaltig durchgezogen wird", so Lückenkemper. Ich glaube, das gerade die European Championships in München gezeigt haben, wie sehr Deutschland Sportveranstaltungen kann und wie nachhaltig man so ein Olympiagelände nutzen kann. Und die Begeisterung im Land für solche Sportgroßveranstaltungen ist auf jeden Fall da."
In der Vergangenheit waren mögliche Olympia-Bewerbungen auch am Veto der Bürgerinnen und Bürger gescheitert. Deswegen glaube Lückenkemper, "dass es darauf ankommt, wie die Bürgerinnen und Bürger abgeholt werden, wie man das Ganze auch vernünfitg nach Außen transportiert. Ich denke schon, dass man 2022 durch diese wirklich erfolgreichen European Championships einen guten Grundstein gelegt hat, um Bürgerinnen und Bürger abzuholen, was Olympische Spiele in Deutschland betrifft."
2036 wäre die nächste Möglichkeit, Olympische Spiele in Deutschland auszutragen, 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin. Mitbewerber ist Katar, das aktuell durch die Fußball-WM aufgrund von Menschenrechtsverletzungen in die Kritik geraten ist und für Olympische Sommerspiele eher schwierige klimatische Bedingungen bietet.
"Am Ende sind wir Athleten, blöd gesprochen, in so einer Situation immer die gearschten, weil wir da kein Mitspracherecht haben. Wir sind nicht diejenigen, die entscheiden, wo ein Wettkampf stattfindet", sagte Lückenkemper. "Und wenn man sich sein Leben lang den Arsch dafür aufreißt und auch nur eine begrenzte Zeit hat, den Sport auf einem gewissen Level auszuüben, ist das eine sehr, sehr schwierige Situation, sich damit auseinanderzusetzen."

Schwierige Situation für Fußballer

Daher sei die Situation für die Fußball-Nationalspieler bei der WM schwierig gewesen, "weil sie einfach gefühlt, egal was sie gemacht haben, es niemandem recht machen konnten. Und das ist auch etwas, was nicht ohne ist für die Sportler und auch definitiv nicht spurlos an den Sportlern vorbeigeht."
Lückenkemper wolle generell ihre Meinung frei aussprechen, sagte aber auch: "Es gibt auch einfach Sachen, über die man vielleicht auch einfach an der Stelle gar nicht reden möchte, aber mehr oder weniger dazu gezwungen wird, eine Meinung zu äußern, obwohl man vielleicht auch einfach mal zu irgendetwas gar keine großartige öffentliche Meinung hat."

Sportlerin und keine Virologin

Lückenkemper kenne auch Situationen, "wo man auf Sachen angesprochen wird, zu denen man zum Beispiel auch gar nicht qualifiziert ist, dazu Aussagen zu tätigen. Während der Corona-Pandemie gab es viele Fragen dazu, was ich meine, wie sich das Ganze entwickelt, wo ich sage, ich bin keine Virologin." Zwar hätten Sportlerinnen und Sportler eine Vorbildfunktion, "aber nichtsdestotrotz müssen Sportlerinnen und Sportler sich deshalb nicht zu allen Thematiken äußern, die durch die Weltgeschichte kursieren."
Gerade in Deutschland sei es für Sportlerinnen und Sportler schwierig, ihre Vorbildfunktion zu nutzen, sagte Lückenkemper, "weil in Deutschland sich gerade medientechnisch alles auf die negativen Ereignisse stürzt und nicht auf die positiven. Es gibt mehr als genug Sportler, die sich auf positive Sachen konzentrieren oder über positive Sachen berichten. Aber das wird lange nicht so den Einschlag finden in Deutschland, und gerade in der Medienlandschaft, wie Negativschlagzeilen."