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"Gizmodrome" von Ex-Police-Schlagzeuger Stewart Copeland
Punk-Progressive aus Italien

Ex-Police-Schlagzeuger Stewart Copeland jammt seit Jahren immer wieder mit dem italienischen Keyboarder Vittorio Cosma - ein Spaßprojekt bei Pasta und Wein. Das haben sie jetzt in eine Band namens Gizmodrome verwandelt und ein erstes Album vorgelegt: Punkige Attitüde trifft auf technische Finesse.

Von Marcel Anders | 16.09.2017
    Stewart Copeland in seinem Studio in Chicago im Februar 2017 inmitten seiner Instrumente
    Stewart Copeland betätigt sich bei Gizmodrome nicht nur als Drummer, sondern auch als Sänger. (imago stock&people / Chris Walker)
    "Zu Hause bin ich ein braver Familienvater: Ich fahre die Kinder zur Schule, passe mich der Herde an und bin eigentlich ganz glücklich. Doch das ändert sich, wenn ich reise und auf einem Bahnhof rumsitze, im Taxi durch eine fremde Stadt fahre oder am Flughafen warte. Das ist der Moment, wenn mein Geist an seltsame Orte vorstößt. Und über den Zeitraum von 16 Jahren ist da eine nette Sammlung von Songs entstanden."
    Kleine Fluchten aus dem Alltag als Rock-Pensionär und Komponist von klassischen Stücken, die in Hollywood-Soundtracks und renommierten Kulturtempeln zu hören sind: Einmal im Jahr gönnt sich Stewart Copeland eine Pause, um mit befreundeten Musikern in Italien zu jammen - bei Wein und Pasta. So ist Gizmodrome entstanden, ein Quartett, das neben dem ehemaligen Police-Drummer aus Mark King von Level 42, Adrian Belew von King Crimson und dem italienischen Keyboarder Vittorio Cosma besteht - mit einem Sound zwischen Reggae, New Wave, Jazz und Prog-Rock.
    "Lasst uns ein Gebäude abfackeln"
    "Das erste, was man uns bei Interviews in Frankreich gesagt hat, war: 'Das ist Progressive, aber die Stücke sind nicht 15 Minuten lang, und es hat etwas von Punk. Je suis confusée.' So kamen wir auf Punk-Progressive. Denn die Musik ist allein deshalb progressiv, weil sie sehr technisch und komplex ist. Aber die Attitüde ist halt: 'Lasst uns ein Gebäude abfackeln.' Das ist das punkige Element."
    Laut Lexikon ist Gizmo ein Wort für "technischen Schnickschnack", der keinen wahren Zweck erfüllt.
    Doch im Zusammenhang mit vier virtuosen Altstars wirkt es dann doch sehr ironisch. Das gilt auch für die Inhalte der Songs, in denen es um Frauen, Sex und das süße Rockstar-Leben geht. Klischees, die Copeland, dem sechsfachen Vater, keineswegs peinlich sind. Seine Frau, so sagt er, traue ihm das eh nicht mehr zu. Nur mit einem Stück sei sie nicht glücklich:
    "Da ist ein Song, den ich meinen Töchtern nie vorspielen werde. Nämlich 'Angels Rule The World'. Er entstand, als ich mit meinem Kumpel Pat McDonald in einem Café in Rom saß und wir den jungen Mädchen auf ihren Vespa-Rollern nachschauten. Sie sind der Hammer! Wir Männer denken, wir wären die Herrscher des Universums, aber im Grunde gehören wir den Frauen. Sie haben mehr Macht über uns als sie sich bewusst sind."
    Klischeehafte Männer-Fantasien
    So klischeehaft solche Männer-Fantasien klingen, so gelungen ist die musikalische Umsetzung. Transparent produziert, verspielt und von vornherein nicht auf kommerziellen Erfolg angelegt. Damit erfüllt sich Copeland einen lang gehegten Traum. Schließlich beschränkt er sich hier nicht auf seine angestammte Position als Schlagzeuger, sondern schlüpft erstmals seit seinem Klark-Kent-Projekt der 70er Jahre wieder in die Rolle des Sängers. Auf die sei er bestens vorbereitet.
    "Ich habe fünf Opern geschrieben und meine neueste wird gerade in Chicago aufgeführt. Daran habe ich drei Jahre gearbeitet. Und in der Zeit musste ich viel singen, um die Texte für die Charaktere zu entwickeln. In der Rockmusik heißt es: 'Ich liebe dich, Baby, und wir machen dies oder das', wozu man nur zwei Noten braucht. Aber in der Oper benötigen die Sänger etliche davon. Was bedeutet: Man muss viel komplexere Melodien entwickeln. So lerne ich zu singen und Noten zu treffen."
    Regeln für Rockstars
    Nächstes Jahr will Copeland beweisen, wie gut er auf der Bühne singt - und dass er als Schlagzeuger nichts verlernt hat. Eine Doppelfunktion, auf die er sich genauso freut, wie auf das Touren mit der Band. Als Altherren-Gang, die ihre Jugend neu erlebt und noch einmal den Rockstar-Lifestyle zelebriert. Darüber schreibt Copeland aktuell sein zweites Buch - er muss es ja wissen.
    "Es heißt: 'The Complete Rockstar - Ein Ratgeber für den musikalischen Nachwuchs'. Darin erkläre ich, wie man sich verhält, wenn man U2 hinter der Bühne trifft. Wie betrunken man sein darf. Oder was man macht, wenn Madonna dein Konzert besucht. Mit essenziellen Tipps wie: Vergiss nie, deinen Hosenschlitz zu schließen, ehe du aus der Limousine steigst. Das sind wichtige Regeln für junge Rockstars."
    Das Debütalbum von Gizmodrome heißt ebenfalls "Gizmodrome" und ist am 15.09. erschienen.