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Gleichberechtigung
Auch 2020 bleibt einiges zu tun

Eine Frau steht an der Spitze der EU-Kommission, es gibt erstmals eine Dax-Chefin - und auch die Europäische Zentralbank wird von einer Frau geführt. Und trotzdem: Auf dem Weg zu diverseren Führungsetagen bleibt auch 2020 noch einiges zu tun.

Von Brigitte Scholtes | 06.01.2020
Das Foto zeigt eine Menge von Demonstrantinnen und ein Plakat mit der Aufschrift "Plakat The Future Is Equal" auf dem Internationalen Frauentag unter dem Motto Feiern Streiken Weiterkaempfen am 8. Maerz in Berlin.
In zwei von drei Vorständen börsennotierter Unternehmen sitzt keine Frau (www.imago-images.de / IPON)
Von der Leyen, Morgan, Lagarde - Top-Frauen stehen im Rampenlicht. Doch die Statistik spricht noch eine andere Sprache. In zwei von drei Vorständen der 160 Unternehmen des DAX, des MDAX und SDAX sitzt keine einzige Frau. Die Unternehmensberatung EY zählte im Sommer 61 Frauen unter den insgesamt gut 700 Vorstandsmitgliedern dieser Firmen. Gehe es so weiter wie bisher, dann werde es bis zum Jahr 2048 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt sei, rechnete EY damals vor. Ein Grund für die schleppende Entwicklung: Es gibt – anders als für die Aufsichtsräte – keine gesetzliche Frauenquote. Das wollen Justizministerin Christine Lambrecht und Frauen- und Familienministerin Franziska Giffey, beide SPD, ändern. Der Zuspruch aus der Union ist bisher eher zurückhaltend.
Führen Frauen überhaupt anders?
In den Kontrollgremien sind inzwischen immerhin knapp ein Drittel aller Mitglieder Frauen. Zumindest gibt es jetzt eine Frau an der Spitze eines DAX-Unternehmens und seit November mit Christine Lagarde auch die erste EZB-Präsidentin. Vergleiche mit ihren männlichen Vorgängern drängen sich auf. Das aber, so machte Christine Lagarde klar, bringe wenig. Sie werde ihren eigenen Stil haben, sie selbst sein und deshalb anders als ihr Vorgänger.
Christine Lagarde ist schon so lange mit den Spielregeln der Macht vertraut, dass Beobachter ihr das zutrauen. Ob Frauen, sobald sie einmal in einer Topposition sind, tatsächlich anders führen, darüber gehen die Ansichten jedoch auseinander. Studien helfen da nur bedingt weiter. So sagt die Ökonomin Alexandra Niessen-Ruenzi, die sich an der Universität Mannheim mit Geschlechterforschung befasst:
"Man sagt grundsätzlich schon, dass Frauen einen anderen, einen partizipativeren Führungsstil haben als Männer, was dafür sprechen würde, dass sie wirklich auch einen anderen Führungsstil verfolgen. Aber es gibt auch in der Literatur das sogenannte ‚queen bee‘-Phänomen. Das besagt, dass Frauen, die es in eine Führungsposition schaffen, es Frauen, die nachkommen, besonders schwer machen."
Das Verhalten einer Bienenkönigin legt wohl nicht jede Frau an den Tag. Allerdings ziehen Frauen nicht unbedingt andere Frauen nach, sondern entscheiden vorrangig nach sachlichen Kriterien, mit wem sie zusammenarbeiten möchten. Ohnehin agierten sie sehr viel rationaler, als ihnen gemeinhin nachgesagt werde, sagt Angelka Huber-Strasser. Sie ist bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG für den "Global female leader outlook" verantwortlich, eine jährliche Studie zu weiblichen Führungskräften weltweit:
"Die Mehrheit der Frauen sagt, sie entscheiden aufgrund von Analysen, sie setzen Technologie ein, um ihre Entscheidungsfindung zu unterstützen. Und Männer sagen, sie verlassen sich bei Entscheidungen hauptsächlich auf Ihre Intuition."
Doppelbelastung für Frauen
Die Erwartungen gerade von Frauen an weibliche Führungskräfte belaste diese jedoch, hat Wirtschaftscoach Christine Bauer-Jelinek festgestellt:
"Männer müssen mit einem Rucksack auf den Gipfel eines Berges steigen, nämlich Erfolg zu haben, und Frauen haben immer noch einen Rucksack umgehängt, nämlich dass sie es anders machen, menschlicher machen und dass sie Frauensolidarität pflegen. Das ist leider eine Doppelbelastung, mit der Frauen erst auch mal fertig werden müssen."
Im Ergebnis würden manche Frauen dann resignieren und ihren Job aufgeben - auch weil sie die Spielregeln der Macht noch nicht durchschaut hätten. Andere gehen, weil die Unternehmenskultur für sie offenbar nicht mehr passt, so etwa Siemens-Personalvorstand Janina Kugel und Lufthansa-Personalvorstand Bettina Volkens. Dass Frauen ein Unternehmen verlassen, so wie das Männer auch tun, wenn sie nicht mehr klarkommen, das geschehe inzwischen immer häufiger, hat KPMG-Partnerin Huber-Strasser festgestellt:
"Dass jetzt auch Frauen dieses Potenzial erkennen, das sie selber tragen, und die Möglichkeiten am Markt, ihre Chancen wahrzunehmen, ist für mich eigentlich ein positives Zeichen, weil es setzt natürlich dann auch die Unternehmen unter Druck, dass sie selber sagen, wir müssen etwas verändern, um unsere Talente zu halten."
Eine diverse Zusammensetzung der Mitarbeiter, das haben inzwischen viele Unternehmen erkannt, ist jedenfalls maßgeblich für den Erfolg. Und der ist es auch, der den Frauen am Herzen liegt – da unterscheiden sie sich nicht von den Männern.