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Glimmstängel und Konzentration

Medizin. - Rauchen während der Schwangerschaft ist die häufigste, eigentlich vermeidbare Ursache für den Tod von Mutter und Kind. Unter welchen Schädigungen allerdings die zunächst gesund erscheinenden Kinder von rauchenden Müttern leiden, hat nun eine amerikanische Forscherin untersucht.

Von Kristin Raabe | 22.03.2007
    Um die Aufmerksamkeit ihrer Versuchspersonen zu testen, taten die Forscher von der Yale Universität alles, um die Teenager von der eigentlichen Aufgabenstellung abzulenken. Auf dem Monitor zeigten sie ihnen Wörter, mal ergaben die Wörter einen Sinn, mal waren es einfach völlig unsinnige Buchstabenfolgen. Gleichzeitig hörten die Teenager über Kopfhörer in loser Folge Töne oder Stimmen, die unsinnige und sinnvolle Wörter sprachen. Wollten die Forscher die auditive Aufmerksamkeit ihrer Versuchspersonen testen, mussten die Jungen und Mädchen immer dann einen Knopf betätigen, wenn sie ein echtes Wort hörten. Bei Tests zur visuellen Aufmerksamkeit sollten sie den Knopf drücken, wenn sie ein sinnvolles Wort auf dem Monitor sahen. Leslie Jacobsen von der amerikanischen Yale Universität hat diese Studie durchgeführt, weil sie wissen wollte, wie sich der Nikotinkonsum auf Jungen und Mädchen auswirkt.

    "”Bei den Mädchen war entscheidend, in welchem Ausmaß sie während ihrer Entwicklung dem Nikotin ausgesetzt waren. Da konnten wir einen regelrechten Dosis-Wirkung-Effekt beobachten. Mädchen, die bereits als Fötus im Mutterleib unter dem Einfluss von Nikotin standen und als Teenager selbst anfingen zu rauchen, hatten die schlechtesten Testergebnisse. Mädchen, die noch nie mit Nikotin zu tun hatten, schnitten dagegen in den Tests zur visuellen und auditiven Aufmerksamkeit am besten ab.""

    Bei den Jungs war die auditive Aufmerksamkeit dramatisch eingeschränkt, wenn sie bereits vor ihrer Geburt dem Nikotin ausgesetzt waren und später selbst anfingen zu rauchen. Das auditive System scheint bei Jungen also besonders empfindlich gegenüber dem Nikotin zu sein. Jacobsen:

    "”Wenn es um den Einfluss des Nikotins auf die Aufmerksamkeit geht, dann ist bei den Mädchen die Schädigung, die sie vor ihrer Geburt durch die rauchende Mutter erfahren, ähnlich groß, wie der schädigende Einfluss ihres eigenen Nikotinkonsums während der Pubertät. Bei den Jungen scheint eher eine Kombination aus beidem zu den Aufmerksamkeitsdefiziten zu führen, vor allem bei der auditiven Aufmerksamkeit.""

    Es gilt als relativ sicher, dass das Nikotin in den Zigaretten - und nicht etwa die Teerstoffe - für die Schädigung verantwortlich ist. Nikotin bindet an die so genannten Acetylcholinrezeptoren im Gehirn. Während der Entwicklung des Gehirns kann es so falsche Signale senden. Nervenzellen verschalten sich dann nicht so, wie sie sollen. Auch bei Teenagern ist die Reifung des Gehirns noch nicht abgeschlossen. Jacobsen:

    "Wir haben einige der Jungen auch mit bildgebenden Verfahren untersucht. Dabei haben wir gesehen, dass sie die Aktivität ihres Hörsystems im Gehirn erhöht war, wenn sie den Test absolvieren. Das zeigt ganz klar, dass sie offensichtlich mehr Aufwand betreiben müssen, um die Aufgabe zu lösen. Möglicherweise ist dieser Teil ihres Gehirns durch den Einfluss des Nikotins falsch verschaltet oder es fehlen Rezeptoren, die für die Verarbeitung von auditiven Reizen wichtig sind. Das könnte erklären, warum sich ihr Gehirn bei dem Test stärker anstrengen muss."

    Leslie Jacobsen ist sich sicher, dass sich die Aufmerksamkeitsdefizite der Jugendlichen auch im Alltag bemerkbar machen:

    "”Das bedeutet, dass Jungen, die bereits im Mutterleib dem Nikotin ausgesetzt waren und die jetzt selbst rauchen, im Klassenzimmer Probleme haben, den Anweisungen ihres Lehrers zu folgen. Jeder visuelle Reiz, ein Vogel vor dem Fenster oder der Straßenverkehr, einfach alles kann ihre Aufmerksamkeit mehr vom Unterricht ablenken, als es sein sollte.""

    Die Forschungen der amerikanischen Wissenschaftlerin unterstützen eine alte Forderung von Gegnern der Tabakindustrie: Zigarettenwerbung sollte sich nicht an Frauen wenden, die im gebärfähigen Alter sind, und natürlich auch nicht an Jugendliche.