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Globale Erwärmung ist gar nicht das größte Problem

Die komplexen Zusammenhänge der Umweltpolitik und ihre naturwissenschaftlichen Hintergründe sind nicht leicht zu durchschauen: Eine Bewertung der Diskussion setzt zuviel voraus. In solch einem Diskussionsklima entstehen leicht Verzerrungen und Manipulationen. Da ist es nützlich, die Stimme eines kundigen Beobachters zu vernehmen. Wie beispielsweise die von Edgar Gärtner, der Biologe und Wissenschaftsjournalist hat jetzt eine Kritik der politischen Ökologie vorgelegt.

Von Gunnar Sohn | 16.07.2007
    Energie- und Umweltexperten streiten weltweit über die richtigen Reaktionen auf die globale Erwärmung des Klimas. Der Frankfurter Biologe und Wissenschaftsjournalist Edgar Gärtner hat zum politischen Diskurs über die Kohlendioxid-Problematik ein wichtiges und streitbares Opus geschrieben. In seinem Buch "Öko-Nihilismus" warnt er Wissenschaftler, Wirtschaftsführer und Politiker vor Kurzschlussreaktionen, blindem Aktionismus und Maßnahmen mit Placebo-Effekten. In der Klimapolitik werde nach Ansicht von Gärtner zu monokausal gedacht und so getan, als ob Uno-Beschlüsse und wissenschaftliche Expertisen die komplexen Zusammenhänge der Klimaentwicklung beeinflussen können. Er geißelt die wirtschafts- und gesellschaftspolitisch fragwürdige Tendenz zur Wissensanmaßung so:

    "Ein buchhalterisches Herangehen an die Ressourcenfrage mit der mehr oder weniger klaren Absicht der Rationierung bringt gar nichts. Vielmehr benötigt die physische Umsetzung der Nachhaltigkeitsidee Dinge und Verhältnisse, die erst noch erfunden werden müssen. Diese Situation erfordert einen Politikansatz, der auf den Erfindungsreichtum freier Menschen baut. Die heutige Politik tut aber genau das Gegenteil, indem sie vordringlich solche Forschung fördert, die Zukunftsängste und den dadurch geförderten Aberglauben bestärken."

    Vehement wendet sich der Buchautor gegen eine Renaissance des jakobinischen Konformismus mit der Totschlagfloskel "Dazu gibt es keine Alternative", die von Politikern wie Kanzlerin Angela Merkel oder Umweltminister Sigmar Gabriel gern gebraucht würden:

    "Es gibt zur vorherrschenden Klimapolitik immer Alternativen. Anmaßende Politphrasen bringen keine Innovationen, sondern wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse, die Tüftlern, Spinnern und Ketzern Freiräume gewähren und jene belohnen, deren Erfindungen bekannte Probleme menschenwürdiger, effizienter und kostengünstiger lösen als herkömmliche Techniken und Systeme."

    Gärtner verweist auf das Prognosedesaster der selbsternannten Umweltexperten im Club of Rome. Top-Manager, Bürokraten und Wissenschaftler aus 25 Ländern unter Führung des Fiat- und Olivetti-Vorstandes Aurelio Peccei waren Ende der 1960er Jahre ähnlich ambitioniert gestartet wie die UN-Klimabehörde IPCC. Unter Leitung von Dennis L. Meadows vom Massachusetts Institut of Technology (MIT) bastelten Betriebswirtschaftler und Systemanalytiker an einem kybernetischen "Weltmodell" und schockierten die Weltöffentlichkeit mit Untergangsszenarien, die sich am Ende als heiße Luft herausstellten. Dazu bemerkt der Buchautor:

    "Die westlichen Volkswirtschaften mussten einen hohen politischen und wirtschaftlichen Preis für den ökologischen Alarmismus zahlen und sich mit dümmlichen Ideologen wie dem früheren EWG-Wirtschaftskommissar Sicco Mansholt herumschlagen, der den Meadows-Bericht 'Grenzen des Wachstums' aufgriff und für Europa eine strenge Planwirtschaft forderte, die jedermann das Existenzminimum sichern würde sowie den Aufbau eines umweltschonenden Produktionssystems mit systematischer Wiederverwertung. Dieses Ziel wollte Mansholt mit einer merklichen Senkung des Wohlstands und einer Beschränkung der freien Verfügung über Güter erreichen. Über einen Fünfjahresplan sollte ein sauberes Produktionssystem auf der Grundlage eines geschlossenen Wirtschaftskreislaufs geschaffen werden über die Einführung eines Systems von Produktionsbescheinigungen, das Mansholt auf europäischer Ebene kontrollieren wollte. Ähnlich klingt die Planungshybris des heutigen EU-Umweltkommissars Stavros Dimas, der den Aufbau einer 'Kriegswirtschaft' fordert zur Bekämpfung des Treibhauseffektes."

    Sogar Philosophen wie Jürgen Habermas, die fachlich nicht viel zur Erklärung des Klimas beitragen, fordern eine ökologische Weltinnenpolitik gegen den Unilateralismus der Bush-Regierung. Die faktenresistente Heilslehre der Politischen Ökologie könnte sich zu einem neuen Handelskrieg unter dem Deckmantel der Klimapolitik auswachsen. Die harten Auseinandersetzungen zwischen der EU und den USA um die Vermarktung gentechnisch veränderter Futter- und Nahrungsmittel wie Soja, Raps oder Mais vermitteln nach Einschätzung von Gärtner einen Vorgeschmack davon. Mittlerweile würden selbst Klimaforscher den brachialen Stil kritisieren, mit dem eine wissenschaftliche These kanonisiert und durchgepeitscht werden soll. Das führe zu einer Verdrängung aktueller Krisen. Wenn man alle Mittel in die Klimarettung pumpte, gerieten etwa Überfischung, Tropenwaldzerstörung, Luft- und Wasserverschmutzung in Entwicklungsländern aus dem Fokus. Schlimmer noch: Schon heute werde Regenwald gerodet, um Ölpalm- und Zuckerrohrplantagen für Bio-Treibstoffe anzupflanzen. Die 'Klima-über-alles'-Stimmung könnte sich zu einem massiven Umweltproblem auswachsen. Dazu meint Gärtner:

    "Das in der Klimarahmenkonvention festgelegte 'Vorsorgeprinzip' entspricht lediglich dem Anspruchsniveau hochentwickelter postindustrieller und postmoderner Wohlstandsgesellschaften. Kann die Mehrheit der Weltbevölkerung, die damit beschäftigt ist, einigermaßen ihre Elementarbedürfnisse wie Essen, Trinken, Kleidung und Wohnung zu befriedigen, doch höchstens davon träumen, sich auch einmal um ungelegte Eier sorgen zu dürfen."

    Die Öko-Politik stützt sich auf ein höchst brüchiges Prognoseinstrument und reduziert die Weltrettung auf das Verbrennungsgas Kohlendioxid. Gärtner weist eindrucksvoll nach, dass dieser Glaube ausschließlich auf numerischen und nicht analytischen Computersimulationen beruht. Dabei werden die Lebensbedingungen auf der Erde nicht in erster Linie vom Kreislauf des Kohlenstoffs, sondern von dem des Wassers bestimmt. Der Wasserkreislauf wiederum wird von der Energie der Sonne angetrieben und unterliegt wie deren Strahlkraft und Magnetfeld, natürlichen, zum Teil kosmischen Schwankungen. Die Klimapolitik könnte sich genauso gut mit der Planetentektonik zur Verhütung von Erdbeben beschäftigen. Nur würde hier sehr schnell klar, dass man trotz aller technischen Errungenschaften nicht steuernd in die Bewegungen der Erdkruste eingreifen könne. Das zeige, so Gärtner, wie abwegig die Behauptung ist, die globale Erwärmung sei die "größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts" und wie absurd der in Kioto abgeschlossene politische Kuhhandel ist.

    Das war eine Rezension von Gunnar Sohn zu dem Buch von Edgar Gärtner "Öko-Nihilismus. Eine Kritik der politischen Ökologie", erschienen im tvr-Verlag in Jena, 284 Seiten für 24 Euro 50.