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Glosse: Olympische Winterspiele
Siegerfaust und Hipstergebrüll

Von Bad Boy Bach, der den Südkoreanern "zwischen Kaviarkuchen und einem Halbliterpokal Champagner", die Spiele nach Pyeongchang vergeben hat, über "Bolle und Biene Maja" und "sehr kompakt konstruierten Norwegerinnen". Jürgen Roth nimmt den medialen Zirkus rund um die Olympischen Winterspiele 2018 auseinander.

Von Jürgen Roth | 11.02.2018
    ARD-Moderator Gerhard Delling und ARD-Moderatorin Jessy Wellmer.
    ARD-Moderator Gerhard Delling und ARD-Moderatorin Jessy Wellmer moderieren die Sendungen zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang. (pa/dpa/Kalaene)
    Was bisher geschehen ist:
    Am Morgen vor der Eröffnung der 23. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang, die laut einem geschichtlichen Gesetz, das IOC-Tycoon Thomas Bach zwischen einem Kaviarkuchen und einem Halbliterpokal Champagner erlassen hatte, neuerlich umfangreicher als sämtliche Veranstaltungen dieser Art zuvor ausgefallen sind, vernahmen wir in einem Podcast auf ZEIT Online verzückt, daß sich in Bad Boy Bachs knallintegrem IOC "die Probleme stapeln".
    Die Süddeutsche Zeitung vom selben Tag beklagte gleich die vollumfängliche "Entzauberung Olympias" - wegen, wir waren schockiert, "Gigantismus" und der Demütigung der Athleten. Und am Abend, nach einer, so die Tagesschau, "spektakulären" beziehungsweise einer, so nochmals präziser die Tagesthemen, "bombastischen" Eröffnungsfeier "mit beeindruckenden Effekten", die man sich an die Narrenkappe stecken konnte, moserte Klaus Zeyringer, der gerade eine Kulturgeschichte der Winterspiele veröffentlicht hat, auf 3sat in Kulturzeit herum, das nämliche Bohei sorge, Friedensgefasel hin, Friedensgefasel her, "immer für mehr Nationalismus", und er finde es "schrecklich, was der Sport aus unserer Gesellschaft macht".
    Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) spricht bei der Zeremonie zur Enthüllung der "Mauerwand des olympischen Friedens", die im Olympischen Dorf (Olympic village) aufgestellt sind. Zwei "Mauerwände des olympischen Friedens" sollen die Athleten bei den Winterspielen in Pyeongchang einladen, ihre Botschaften für eine friedlichere Welt mitzuteilen. 
05.02.2018, Südkorea, Pyeongchang
    Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    Der Fürst der Erleuchtung
    Nun zog zwar bereits am Samstag ein Beitrag im ZDF dem Fürsten der Erleuchtung, Dr. Thomas Bach, und dem ebenjenem dankbarst unterworfenen und aufs wunderbarste verworfenen Komitee zur Sammlung von Spenden und Spesenquittungen vorbildlich eine rüber, doch das focht unser alldeutsches Fernsehen insgesamt selbstverständlich nicht an. Nö, watt soll der Kappes mit dem Doping denn dauernd!
    Unsere liebste Katrin, die von Müller zu Hohenstein, freute sich wie eh und je über aber auch alles wie Bolle und Biene Maja, und sei's eben über ein erneut kuddeldaddelduknuddeliges Maskottchen, und wie vor vier Jahren rief unsere nationale Kindergärtnerin die smarten Erwachsenen vor den Bildschirmen dazu auf, dem "Tigerbären" einen Namen zu verpassen, denn wir leben, zumal zu Zeiten Olympischer Spiele, in einer, unsere eiserne Endloskanzlerin zu zitieren, "Bildungsrepublik".
    Die ganze Pracht des Sportfernsehens in a nutshell
    Das untermauerte anschließend einmal mehr der nicht minder standhaft eselige Norbert König, indem er vor dem Skiathlon die jüngst aufgetauchten Hinweise zu Hunderten von in den vergangenen Jahren aufgetürmten mutmaßlichen Dopingfällen im Langlauf mit einem läppischen Satz beiseite wischte, worauf er dem Prinzen der porösen Phrase, dem gebenedeiten Béla Réthy, das Feld überließ. Der ließ zuverlässig und Gott sei Dank nichts anbrennen, belehrte uns umgehend, "daß die Läuferinnen gleich volles Programm fahren", daß Marit Bjørgen eine "sehr kompakt konstruierte Norwegerin" sei und wir jetzt "eine sehr, sehr schöne Kameraeinstellung" sähen, "eine Vogelperspektive" – die ganze Pracht des Sportfernsehens in a nutshell.
    "Da hab' ich sofort ausgeschaltet", sagte unsere Cousine später. Wir indes rissen, voll auf Bierspeed, weiter Sekunde um Stunde runter, jubilierten angesichts der unerschütterlich infantilen Jessy Wellmer ("Bleibt locker, auch im Gesichtsbereich!" flötete sie Michael Antwerpes und Kati Wilhelm an), ächzten keineswegs, als die unverwüstliche Plappermaultasche Gerhard Delling die Mattscheibe enterte (Langlauf? "'n super, toller, schöner Sport"; Eiskunstlauf? "'n schönes dickes Ding im Programm") und hissten die Siegerfaust, derweil ein Jan Wiecken im Zuge von Snowboard-Slopestyle sein gänzlich glänzendes narrensprachliches Hipstergebrüll zelebrierte ("Geiler Rail!") und nicht vergaß, den Realitätsverlacher und GröSpaZ, den Größten Sportfunktionär aller Zeiten, "Dr. Dr. Thomas Bach" hochleben zu lassen.
    Denn wisset, im Buch Prediger 1,9 steht geschrieben: "Was ist's, das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird […]; und geschieht nichts Neues unter der Sonne."
    Amen.