Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Glosse zur Burka-Debatte
Das wird man doch wohl noch malen dürfen in Deutschland

Wir machen eine kleine Lernzielkontrolle. Wenn Sie in unseren Sendungen gut aufgepasst haben, können Sie Burka, Nikab und Abaya zeichnen. Aber wissen Sie auch, wie Sie eine befreite Frau aufs Papier bringen? Emanzipationskavaliere helfen gern.

Von Christiane Florin | 01.09.2016
    Buntstifte
    Buntstifte (picture-alliance / dpa / Horazny Josef)
    Liebe Hörerinnen und Hörer,
    wir wollen einmal kurz überprüfen, ob Sie in den vergangenen Wochen gut aufgepasst haben. Sie brauchen nur ein Blatt Papier und ein paar Stifte. Als erstes zeichnen Sie bitte eine Burka. Keine Sorge, das dürfen Sie, ohne gleich als Sicherheitsrisiko eingestuft zu werden. Sind Sie fertig? Wenn Sie es richtig gemacht haben, haben Sie viel schwarz auf dem Blatt und oben ein paar kleine weiße Quadrate gelassen für das Gitter. Falls Sie auch Kultur-, Religions- und Genderwissenschaftlerinnen zufrieden stellen wollen, dann müssen Sie noch zum lila Stift greifen, denn eine afghanische Burka kann auch schon mal die Farbe der deutschen Frauenbewegung haben.
    Und weiter. Jetzt ist der Nikab dran. Kleiner Tipp: Sollten Sie außerhalb von Neukölln oder Bonn-Bad Godesberg wohnen und nicht mal eben draußen auf der Straße nachgucken können, wie so ein Kleidungsstück aussieht: Im Grunde können Sie die Burka von vorhin fast abpausen. Aber nur fast, nicht ganz. Haben Sie einen Schlitz frei gelassen für die Augen? Gut gemacht. Beim Faltenwurf müssen Sie es nicht so genau nehmen. Zu viel Differenzierung verwirrt nur.
    Jetzt wird es diffizil. Haben Sie gestern um Viertel vor Zehn hier gut zugehört? Dann nehmen Sie bitte wieder den Stift zur Hand und zeichnen eine Abaja. So etwas tragen Frauen in Saudi-Arabien. Ja, das zu zeichnen dauert etwas länger als so eine Standard-Vollverschleierung nach CSU-Schnittmuster. Wir warten noch etwas. Aber jetzt sind Sie sicher so weit, oder? Okay. Sie haben mehrere elegante Mäntel gezeichnet, die meisten schwarz, einen in rosa, einen in beige. Dazu ein farblich passendes Tuch, das um den Kopf geschlungen wird? Respekt! Ach, Sie da vor dem Radiogerät in der südlichen Uckermark haben auch noch einen Gesichtsschleier gemalt. Keine Sorge, deshalb stehen Sie noch lange nicht in der rechten Ecke. Es ist zwar nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch.
    So, Lernzielkontrolle bestanden. Jetzt wissen Sie, wie man unterdrückte Frauen malt. Im Großen und Ganzen reichen Schwarz und Weiß dafür aus. Grautöne haben Sie gar nicht gebraucht, oder?
    Und jetzt zum Schluss bringen Sie doch einmal bitte das Bild einer befreiten Frau aufs Papier. Immer dran denken: Lila Latzhose war gestern. Ach, Sie meinen, wie das heute aussieht, das können Sie nicht einfach so aus dem Handgelenk schütteln? Am besten, Sie lassen sich die Hand von einem Emanzipationskavalier führen. Deutschland ist gerade voll davon. Männer, die noch vor wenigen Monaten davon überzeugt waren, dass die gottgegebene weibliche Rolle die der Gebärerin und Betreuungsgeldanstragstellerin ist, die sind jetzt Frauenbefreier geworden. Haben Sie einen gefunden, der Ihnen die Hand führt? Dann lassen Sie mal sehen, was Ihrem Emanzipationskavalier eingefallen ist: Eine deutsche Mutter hat er gemalt, die in Hot Pants kocht, putzt und bügelt, sehen wir da. Eine Hockey Mom, die ihre Jungs zum Training fährt, in einem Rock, der nicht länger ist als die Hockeyhose.
    Sie finden, liebe Hörerinnen und Hörer, das sind Klischees, Abziehbilder. Freie Frauen seien viel zu kompliziert für ein paar Pinselstriche? Zicken Sie nicht rum. Das wird man doch wohl noch malen dürfen in Deutschland.