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Glück hält Seehofers Führungsanspruch für legitim

Bayerns Landtagspräsident Alois Glück hält einen Konkurrenzkampf um das Amt des CSU-Chefs für unproblematisch. Zu Recht habe neben dem bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber auch Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer sein Interesse angemeldet, sagte CSU-Präsidiumsmitglied Glück. Bei der Nachfolge Edmund Stoibers im Amt des Ministerpräsidenten sieht Glück nach eigenen Worten keine Alternative zu Günther Beckstein.

Moderation: Christoph Heinemann | 19.01.2007
    Christoph Heinemann: Winterstürme wichen dem Wonnemond. Nicht ganz, aber "Kyrill" hat sich beruhigt. Das gilt meteorologisch ebenfalls für Bayern. Auch politisch ist aus dem Orkan in der CSU etwas Luft heraus, seit Edmund Stoiber gestern die erlösenden Worte gesprochen hat:

    "Ich werde mein Amt als bayerischer Ministerpräsident zum 30. September diesen Jahres abgeben. Ich werde auf dem CSU-Parteitag im September auch nicht mehr als CSU-Vorsitzender kandidieren."

    Heinemann: Die Nachricht des gestrigen Tages. Am Telefon ist jetzt Alois Glück, der Präsident des bayerischen Landtages. Guten Morgen!

    Alois Glück: Guten Morgen, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Glück, "Kyrill" hat schwere Schäden angerichtet. Wir haben es eben gehört. Wenn Sie dem Sturm in der CSU einen Vornamen geben sollten, für welchen würden Sie sich entscheiden: Edmund, Gabriele oder vielleicht Erwin?

    Glück: Wenn es ein Vorname sein muss, dann Edmund. Frau Pauli hat eigentlich nur eine Nebenrolle gespielt, eine Funktion in der ganzen Sache gehabt. Ansonsten würde ich Kreuther Sturm sagen.

    Heinemann: Kreuther Sturm. Edmund Stoiber hat einen Rücktritt in kleinen Schritten jetzt angekündigt. Kann sich Bayern bis zum Herbst eine politisch so genannte lahme Ente leisten?

    Glück: Es wird keinen Stillstand in der Politik in Bayern geben, da ja die Maßnahmen in der Politik, die Planungen für die folgende Zeit klar sind. Es wird weitergeführt. Und wer Edmund Stoiber kennt weiß sowieso, dass es deswegen jetzt keinen Stillstand geben wird.

    Heinemann: Droht nicht eine Münchner Pleite, eine Münchner Flaute nach dem Kreuther Sturm?

    Glück: Nein, es gibt bestimmt keine Münchner Flaute. Das ist das geringste Problem in der ganzen Konstellation. Das ist wirklich kein Stillstand. Es wird auch eine handlungsfähige CSU in der Koalition in Berlin geben, denn es gibt ja hier keine Richtungskämpfe. Das war ja nicht das Thema, und es wird auch nicht eine völlig neue Richtungsbestimmung, auch nur wesentlich veränderte geben durch den nächstfolgenden Ministerpräsidenten. Die CSU ist als Partei geschlossen, fest handlungsfähig. Und von daher gesehen haben wir da kein Problem und auch damit kein Problem für Bayern und für das Land.

    Heinemann: Richtungskämpfe vielleicht nicht, aber doch einen Machtkampf. Günther Beckstein soll offenbar Ministerpräsident werden. Für den Parteivorsitz interessieren sich mindestens zwei Spitzenpolitiker: Horst Seehofer und Erwin Huber. Wer hat denn die Nase vorn?

    Glück: Zunächst sind das entscheidende Organe, aber da ich die Situation doch hier relativ gut oder ganz gut kenne, sehe ich keinerlei Anzeichen dafür, dass es nochmals eine alternative Vorstellung im Hinblick auf den Ministerpräsidenten geben würde, also eine Alternative zu Günther Beckstein. Das ist eine klare Situation. Die parlamentarische Arbeit, die gesamte Arbeit der Staatsregierung wird insofern fortgeführt ohne jede Nebengeräusche.

    Was den Parteivorsitz betrifft, ist es natürlich auch denkbar, dass es zwei Kandidaten gibt. Zu Recht hat auch Horst Seehofer gestern sein Interesse angemeldet und vor allen Dingen die Erwartung, dass mit ihm gesprochen wird. Das ist selbstverständlich. Es ist auch klar, dass die Landesgruppe eine ganz wesentliche Rolle dabei spielen wird. Die Stellungnahme der Landesgruppe von gestern Abend ist sehr differenziert. Horst Seehofer selbst hat sich ja sehr, sehr differenziert geäußert. Er hat ja auch hinzugefügt, dass er sich auch einer einvernehmlichen Regelung nicht verschließt, wenn dies für die Partei gut sei. Also gut, jetzt muss man das miteinander bereden. Das wird erfolgen. Heute sind die ersten Gespräche. Am Montag ist der Parteivorstand. Da habe ich keine übermäßigen Sorgen.

    Heinemann: Unterstützen Sie als Chef des CSU-Bezirks Oberbayern den Oberbayern Seehofer?

    Glück: Wir reden miteinander. Das Dümmste wäre jetzt, für Regionalkonflikte zu sorgen und zu sagen, das kann nur der aus jener oder einer anderen Landsmannschaft sein. Das wäre eine ziemlich dümmliche Vorgehensweise. So wichtig das Ausbalancieren ist etwa innerhalb eines Kabinetts und bei der Kabinettsbildung, in den absoluten Spitzenfunktionen ist völlig egal, ob das ein Unterfranke oder ein Oberbayer ist oder aus welcher Region immer. Hier geht es darum, was für die Gesamtpartei das Richtige ist.

    Heinemann: Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt heute: "Glück ist stink sauer darüber, dass aus Fraktionskreisen die angebliche Einigung auf die Erbfolge hinausgeblasen worden ist". Ist diese Einigung zwischen Günther Beckstein und Erwin Huber hinter Ihrem Rücken vollzogen worden?

    Glück: Nicht wegen hinter meinem Rücken. Ich wusste schon. Ich habe sogar beiden empfohlen schon am vergangenen Wochenende, wenn es eine solche Entwicklung gibt, dann können wir uns eine erneute Kandidatur wie letztes Jahr, zwei Personen um das Amt des Ministerpräsidenten, innerparteilich nicht mehr leisten. Der Ärger war, dass das, was da sinnvoll an Gespräch war, dann weitergegeben wurde, Kollegen hinausgegeben haben und damit eine hoch gefährliche Situation für uns alle entstanden ist. Das hätte auch eine massive Selbstbeschädigung werden können, für Edmund Stoiber, für die Landtagsfraktion, für diejenigen, die für die Ämter in Frage kommen. Dem hat Edmund Stoiber dann Gott sei Dank souverän ein Ende bereitet. Ich war in der Tat wütend, weil ich so glücklich war über den Beschluss in Kreuth, dass wir eine gemeinsame Basis haben, und weil ich befürchtet habe, es kann jetzt wirklich ein gewaltiger Schaden entstehen. Das ist Gott sei Dank dann durch die Entscheidung von Edmund Stoiber gewendet worden.

    Heinemann: Herr Glück, dem Gekungel in den Gremien könnte man entkommen, wenn man die Mitglieder befragt.

    Glück: Ich sehe nicht, dass irgendwo in einem Landesverband oder in einer Partei, wo dieser Weg beschritten wurde, die Dinge besser waren. In Hessen gibt es jetzt eine schwere Belastung für die SPD, weil dann eine Mitgliederbefragung auch nicht bindend ist, wie es sich ja auch gezeigt hat und rechtlich klar ist. Dann hat die Delegiertenversammlung der SPD in Hessen anders entschieden wie die Mitgliederbefragung. Daraus ergibt sich ein neuer Konflikt. Also das ist in solchen Situationen nicht die sinnvolle Problemlösung.

    Heinemann: Wie beschädigt ist Horst Seehofer durch die Enthüllung über sein Privatleben?

    Glück: Zunächst ist es kein Ausschließungsgrund, dass er dafür von vornherein nicht in Frage käme. Er muss für sich selbst abwägen, was es bedeutet auch im Hinblick auf weitere Diskussionen. Die Partei wird sicher auch darüber ein Meinungsbild entwickeln. Aber jedenfalls ist das nicht von vornherein ein Ausschließungsgrund.

    Heinemann: Also es ist nicht mehr so wie damals bei Theo Waigel?

    Glück: Es war auch bei Theo Waigel kein Ausschließungsgrund für das Amt des Ministerpräsidenten, und er ist ja als Parteivorsitzender hoch geschätzt, weiter amtierend, zu einer der prägenden Persönlichkeiten der CSU geworden.

    Heinemann: Wer hat Ihrer Meinung nach über Horst Seehofers Privatleben geplaudert?

    Glück: Es spricht alles dafür, dass es aus irgendwelchen Berliner Quellen kam, aber ich habe keine Ahnung woher. Es kam sicher nicht aus der bayerischen Staatskanzlei, wie immer wieder auch vermutet wurde. Das wird auch nicht nur von der "Bild"-Zeitung selbst so bestätigt. Aber ich weiß es nicht.

    Heinemann: Wobei ein Motiv natürlich vor allem derjenige oder diejenigen hätten, die ihn als Parteichef verhindern wollten, allen voran Erwin Huber.

    Glück: Ganz sicher nicht! Der Zusammenhang ist absolut falsch. Da bin ich ganz sicher. Aus welchen Strömungen, Gruppierungen in Berlin das kam, da kann man spekulieren, aber dazu habe ich keine Meinung und auch keine klaren Erkenntnisse.

    Heinemann: Herr Glück, eine sehr hässliche CSU war in den vergangenen Wochen zu besichtigen. Das Büro des Ministerpräsidenten spionierte da im Privatleben einer Landrätin herum. Dann eben die Enthüllungen über Horst Seehofers Privatleben. Das war weder christlich noch sozial. Welcher Schaden ist für die CSU entstanden?

    Glück: Zunächst ist völlig offen, und es ist überhaupt nicht gesagt, dass die Informationen über das Privatleben von Horst Seehofer aus der CSU kommen. Das will ich mal klarstellen. Natürlich sind die anderen Vorgänge auch ein Stück Belastung. Jetzt könnte ich natürlich auch hinzufügen, gerade das christliche Menschenbild ist davon geprägt, dass eben der Mensch nicht perfekt ist, dass es Brüche gibt im Leben. Das gilt im Übrigen auch mit Blick auf Horst Seehofer und sonst und nicht dieser Perfektionsanspruch gegeben ist. Von daher gesehen müssen wir aber immer wieder lernen, mit solchen Situationen umzugehen.

    Heinemann: Sie würden Seehofer die Absolution erteilen?

    Glück: Ich bin nicht für Absolutionen zuständig. Ich bin kein Priester oder Bischof.

    Heinemann: Edmund Stoiber war und ist es noch ein ausgesprochen erfolgreicher Ministerpräsident. Wieso hat er wie so viele den richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst?

    Glück: Es ist nicht meine Sache und schon gar nicht jetzt die Stunde, darüber zu philosophieren oder zu spekulieren. Wie Sie schon sagen, ist es sehr häufig so und es gibt immer unterschiedliche Entwicklungslinien in einer solchen Situation und bei den Menschen. Von daher gesehen glaube ich, muss man dort zunächst einmal Abstand gewinnen, vor allen Dingen auch er selbst.

    Heinemann: Herr Glück, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt heute, ein Generationenwechsel käme nicht zustande in der CSU. Die Älteren kommen zum Zuge, die Jüngeren müssen weiterhin warten. Besteht nicht die Gefahr, dass die CSU in ein paar Jahren vor der gleichen Situation wieder steht?

    Glück: Es ist eben jetzt wichtig, dass weiter jüngere Kräfte in Verantwortung hineinwachsen, sei das im Kabinett, in Ministerämtern oder in anderer Weise. Und das wird sich sehr organisch entwickeln. Es war eben halt so, dass jetzt unsere Altersgruppe der jetzt 60-Jährigen und darüber fast über zehn Jahre hinweg und noch mehr die Politik der CSU sehr stark geprägt hat. Damals war auch ein starker Generationenwechsel gleichzeitig, und letztlich muss das Ziel sein, dass wir zu einer stärkeren Durchmischung der Altersstruktur kommen. Alter allein ist natürlich kein Argument. Nur Jugend ist nicht gut, nur Alter kann nicht gut sein. In einer eher älter werdenden Gesellschaft, in der wir über die Verlängerung der Lebensarbeitszeiten sprechen, ist Altern nicht von vornherein ein Ausschließungsgrund. In anderen Ländern, Kulturen ist das sowieso eine Debatte, die sie als absurd empfinden. Aber die Durchmischung, das muss gefördert werden!

    Heinemann: Haben Sie irgendwelche Ambitionen?

    Glück: Nein, ich habe schon im letzten Jahr erklärt, dass ich damals schon für das Amt des Ministerpräsidenten nicht zur Verfügung stehe. Ich habe erklärt, dass ich zum Ende dieser Legislaturperiode aufhöre. Ich sehe auch keinen Grund und habe keinerlei Absicht, meine Lebensplanung zu ändern.

    Heinemann: Alois Glück, der Präsident des bayerischen Landtages. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Glück: Auf Wiederhören.