Donnerstag, 25. April 2024

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Glückauf Chor in Walsum

Eigentlich backt Christoph Segerath Brötchen. Das ist sein Job. Doch der 39jährige Bäckermeister verdient sich mit der Leitung von Chören etwas Geld hinzu. In Duisburg dirigiert er den Glückauf-Chor der letzten Zeche in Duisburg, dem Bergwerk Walsum.

Von Kai Toss | 05.06.2004
    Erstmal ein Pils unter Kumpels trinken, klönen, bevor es losgeht. Seit zweieinhalb Jahren leitet Christoph Segerath den Männerchor. Einfach hat er es bei der Übernahme des Chores nicht gehabt. Das habe am Vorgänger gelegen.

    Der hat das vielleicht, weil er ja wusste, er hört irgendwann auf, etwas schleifen lassen. Die Aufnahmefähigkeit und Konzentration war nicht mehr so da innerhalb der Chorproben. Das wurde so spaßig gemacht. Da musste ich jetzt doch wieder schleifen!

    Heute sitzen 38 Männer im Saal der evangelischen Gemeinde. Kaum einer ist unter 50 Jahren, etliche sind über 60, einige über 70. Chorleiter Segerath ist mit seinen 39 Jahren geradezu ein junger Hüpfer.

    Nächste Woche bringen wir ein Geburtsatagsständchen im Altenheim. Und zwar wird der Schwiegervater von einem Ersten Tenor 85 Jahre. Der Alfred Elter! Der war früher hier selber aktiver Sänger.

    Im Halbrund sitzen die Männer nach Stimmlagen geordnet, schauen nach vorne.

    So, wir gehen auch frisch ans Werk. Die Noten werden jetzt verteilt. Die Noten sind für das nächste Ständchen am Dienstag. Und wir steigen mal ein mit dem Sängergruß, damit wir uns warm singen: Wir grüßen euch mit frohem Klang. Spielt es am Klavier an - Chor steigt ein: Wir grüßen Euch mit frohem Klang/ Ihr lieben Freunde all/ Willkommen bei Musik und Sang/ in diesem schönen Saal - Mehrstimmig: Seid gegrüßt, seid gegrüßt, seid gegrüßt, seid gegrüßt/ ihr lieben Freunde all/ Seid gegrüßt, seid gegrüßt, seid gegrüßt, seid gegrüßt am schönen Niederrhein.

    Als Kind hat Segerath bereits Klavier gelernt, mit 16 Jahren hat er in der Kirche Orgel gespielt. Es folgte dann eine dreijährige Ausbildung an der Kirchenmusikschule in Xanten - Seit seinem Examen hat er die Befähigung, Chöre zu leiten

    Ich hab gesacht, wir sprechen rhythmisch, damit wir's gleich besser umsetzen können. Noch einmal. Und: Ja auch nahm er Schuhe aus Lindengeflecht, das war Paraschka gerade so recht. Komm heute zu mir und dann geh ich mit diiiiir, wo der Jascha spielt uns auf...

    Wenn Christoph Segerath dirigiert und Anweisungen gibt, dann macht er ausladende Gesten mit seinen Händen, er holt weit aus und hüpft im Takt in die Luft. Die hohe Stirn errötet bald, Schweißperlen bilden sich

    Seit 1935 gibt es den Bergwerkschor Glück-Auf in Walsum. Seit knapp 70 Jahren - eine reine Männergesellschaft. Bei den Sängern sowieso, aber auch die Chorleitung ist eine männliche Domäne. Eine Chorleiterin - wäre das denkbar?

    Ja, mit Sicherheit. Da wären die Kameraden mit Sicherheit nicht abgeneigt, diesem Vorhaben da bereitwillig entgegen zu treten. Aber - auch solche Damen müssen sich natürlich gegen diese Männerdomäne durchsetzen. Und das ist - denke ich - mit Sicherheit nicht ganz einfach." "Gibt es überhaupt einen Bergwerkschor, der von einer Frau geleitet wird?" "Nicht dass ich wüsste."

    Frauen in einem Bergwerkchor... Nur Außenstehende können so komische Fragen stellen. Das wird schnell deutlich. Wichtig ist für den Chor, berichtet der zweite Vorsitzende, Andreas Klimaschka, der Überalterung des Chores entgegen zu treten.

    Wir haben Probleme wie jeder Männerchor, nicht nur wir Bergwerkschöre, dass wir sehr stark überaltert sind. Wir versuchen auch Nachwuchs zu bekommen. Aber das ist sehr schwierig." "Gibt es überhaupt junge Männer bei ihnen?" "Ja, ich bin zum Beispiel mit einer der Jüngsten." "Wie alt sind sie?" "Tja, ich werd bald 48. Wir haben aber auch noch welche, die sind 45 und 42."

    Dort wo der Rhein seine Wellen ergießt/ Über den flachen grünen Strand/ Und wo die Ruhr stolz den Rheinstrom begrüßt/ Liegt mein Heimatland/ Heimat, du Land der Fabriken/ stolzer Kamine mit wehenden Fahnen/ Heimat, du Land meiner Väter und Ahnen/ Heimat Ruhrland/ Mein Bergammsland.

    Falsche Töne werden nicht geduldet, Chorleiter Segerath ist da streng mit seinen Männern. Trotzdem:

    Der is schon in Ordnung. Der achtet jedenfalls auch auf die Noten. Das haben Sie ja mitbekommen. Also nicht das, was jeder möchte, sondern das, was da steht. Und dat is richtig!

    Er ist ja noch ein junger Chorleiter, der ist glaub ich fünf Jahre jünger als ich. Am Anfang hab ich auch gedacht: Son junger Bursche, wollnwa ma gucken, ob dat klappt, ne. Abba, doch, muss sagen n ganz sympathischer Mensch, n lieber Kerl und wenn wir auf Reisen sind, dann gehört der zu uns. Wenn wir einen Auftritt aber haben, dann ist das unser Chef und dann haben wir zu spuren. Ob der jetzt 34 ist oder 60. Das is uninteressant. Ich bin froh, dass wir son jungen Burschen haben.

    Nach eineinhalb Stunden neigt sich die Probe dem Ende entgegen. Chorleiter und Bäckermeister Segerath - wie gewohnt, kritisch!

    Etwas schwerfällig fand ich es heute, selber für mich. Sonst geht es leichter von der Hand.

    Das könne daran gelegen haben, weil das Radio zu Besuch war, vermutet er. Nächsten Dienstag, beim Konzert im Altenheim wird es dann schon klappen! Zum Schluss - ein Lied, das sitzt. Die Herren stehen auf und singen aus voller Kehle.

    Das Lied beherrscht die ganze Welt/ Weil Es die Menschheit aufrecht hält/ Wenn Freunde auseinander gehen/ Dann sagen sie/ Auf Wiedersehen!