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Glykol und ein bisschen mehr

Dauerfrost heißt Dauerstress für das Bodenpersonal an den deutschen Flughäfen. Am laufenden Band müssen Flugzeuge enteist werden. Damit die Tragflächen eisfrei bleiben, kommt nicht nur warmes Wasser, sondern auch Chemie zum Einsatz.

Von Dieter Nürnberger | 23.01.2013
    Winterzeit ist Enteisungszeit - an den deutschen Flughäfen. Kurz vor dem Start müssen vor allem die beweglichen Außenteile und auch die Fenster der Flugzeuge vom Eis befreit werden. Hierbei wird in der Regel über Sprühpistolen ein Gemisch aus heißem Wasser und Glykol versprüht. Die Mischungen variieren je nach Anforderung und klimatischen Verhältnissen. Bis zu 6000 Liter je Vorgang können bei einer Enteisung verbraucht werden, sagt Holger Kraft vom deutschen Flughafenverband ADV:

    "Die Mittel müssen von den Behörden zugelassen sein und sie werden aufgefangen. Am Münchner Flughafen beispielsweise werden diese Mittel zu einem großen Teil auch wieder recycelt und später wiederverwertet. Über Ablaufrinnen wird es in Tanks gelagert und somit einer Wiederverwendung zugeführt. Der Rest wird dann auch Kläranlagen zugeführt und dort entsprechend wieder gereinigt."

    Somit sei sichergestellt, dass ein Großteil der eingesetzten Chemikalien zur Enteisung von Flugzeugen nicht in das Grundwasser gelange. Zwar gilt diese Methode nicht als besonders umweltfreundlich, doch eben auch nicht als besonders umweltgefährdend. Rüdiger Wolter ist Experte für Grundwasser und Böden beim Umweltbundesamt in Dessau. Er hält den Einsatz von Enteisungsmitteln an deutschen Flughäfen für verlässlich geregelt:

    "Bei den Glykolverbindungen geht es darum, dass die Stoffe einen hohen Sauerstoffverbrauch haben. Wenn sie also in Oberflächengewässer gelangen, wird sehr viel Sauerstoff verbraucht. Damit kann es natürlich auch zu Schädigungen von Organismen kommen. Die Flughäfen begegnen dem dadurch, dass sie das gesamte Abwasser dann sammeln und in Kläranlagen leiten. Um eben zu vermeiden, dass solche Belastungen von Oberflächengewässern auftreten."

    Die Zusammensetzung der Enteisungsmittel kann unterschiedlich ausfallen - Wasser und Glykol sind aber stets die Grundbestandteile. Hinzu kommen auch noch andere Chemikalien. Rüdiger Wolter:

    "Das sind Stoffe, die beispielsweise verhindern sollen, dass Korrosionen eintreten. Da sind auch Haftstoffe drin, die dazu beitragen sollen, dass die Enteisungsmittel länger an den Flugzeug-Oberflächen anhaften. Das sind Stoffe, die durchaus etwas kritischer zu betrachten sind. Deshalb muss auch hier darauf geachtet werden, dass diese nicht in einem größeren Umfang in die Umwelt gelangen. Sie müssen vorher abgefangen werden."

    Allerdings ist das Abfangen dieser Stoffe stets aufwendig. Deshalb gibt es Bestrebungen, diesen chemischen Enteisungsvorgang durch andere Verfahren zu ersetzen. Vor allem in den Vereinigten Staaten wird seit rund 15 Jahren eine andere Methode eingesetzt. Die Enteisung erfolgt hier per Infrarotstrahlung, eine Methode, die allerdings in Europa bisher nicht funktioniert hat. Ein groß angelegter Pilotversuch am Flughafen in Oslo wurde wieder eingestellt. Holger Kraft vom deutschen Flughafenverband ADV:

    "Der Schnee ist anders. Wir haben in Deutschland anderen Schnee, als etwa in Kanada oder auch in Nordeuropa. Dort ist der Schnee oft eher pulverartig, sehr leichter Schnee also. Hier haben wir den oft feuchten und nassen Schnee. In Oslo hat man das eingesetzte Infrarot-Gerät wieder außer Betrieb genommen, weil sich eben an den Unterseiten der Tragflächen immer wieder Eis gebildet hat. Deshalb konnte von einer vollständigen Enteisung keine Rede sein. Somit musste trotzdem wieder Enteisungsmittel eingesetzt werden."

    Und wie bei jeder Chemikalie kommt es auch bei Glykol auf die Konzentration an. Es kann Einzelfälle geben, in denen Rückstände des Stoffes auch in das Innere eines Flugzeugs eindringen. Etwa durch die Triebwerke, die die Außenluft einsaugen. Holger Kraft vom ADV:

    "Man achtet schon darauf, dass eben die Triebwerke nicht mit Enteisungsmittel besprüht werden. Es wird überwiegend auf den Tragflächen und den hinteren Leitwerken eingesetzt - bei den beweglichen Teilen. Die Triebwerke werden dann meist mit heißer Luft entsprechend vom Eis befreit, um das Eindringen von Enteisungsmitteln in die Triebwerke und Entlüftungskanäle zu verhindern."