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Gold, Gier und Globalisierung

Seit der Bankenkrise wird Gold wieder zum gefragten Anlageobjekt. Und so drängen Bergbauunternehmen darauf, weitere Goldvorkommen zu erschließen, wie beispielsweise in Guatemala. Ohne Rücksicht auf die Bevölkerung oder die Umwelt beuten die Unternehmen dort die Goldminen des Landes aus.

Von Andreas Boueke | 18.10.2008
    Die Weltwirtschaft rutscht immer weiter in die Krise. Viele Menschen suchen nach sicheren Geldanlagen. Die Nachfrage nach Gold nimmt zu, so dass der Preis für das glänzende Metal steigt. Doch woher kommt das Gold? Wo wird es abgebaut.

    Gerade die Regierungen vieler Entwicklungsländer setzen zunehmend auf die Ausbeutung ihrer Bodenschätze, ohne zu berücksichtigen, dass die sozialen und ökologischen Schäden des Bergbaus häufig die möglichen Profite übertreffen. In Guatemala organisieren sich zahlreiche Mayagemeinden in ihrer Opposition zu den Minenkonzernen, die in ihren Provinzen Gold abbauen. Sie sehen ihre Kultur bedroht und empfinden den Tagebau als eine Verletzung ihrer erdverbundenen Spiritualität. Andreas Boueke berichtet:

    "Das Gold hat die Natur zerstört. Die Bäume sterben. Die Maschinen machen Lärm. Die Tunnel der Mine verletzen Mutter Erde und damit unsere Spiritualität, die Kosmovision der Maya. Die Berge müssen respektiert werden. Das Herz der Erde ist uns heilig."

    Der Mayapriester Rigoberto Juarez ist einer der schärfsten Kritiker des Bergbaus in dem mittelamerikanischen Land Guatemala. Besonders kontrovers wird über den Goldabbau im Hochland diskutiert. Das weiß auch der US-amerikanische Geologe Robert Moran.

    "Die Rede ist von Bergbauunternehmen, deren Job es ist, Gold aus dem Gestein zu holen und Profit zu machen. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Arbeit sind für die meisten Minenfirmen nur von zweitrangiger Bedeutung."

    Befürworter der Minenprojekte argumentieren, der Bergbau könne eine Stütze sein für die schwache guatemaltekische Volkswirtschaft. Ramon Parellada von dem konservativen Studienzentrum CEES:

    "Gott sei Dank hat Guatemala noch viele natürliche Reichtümer, die bis vor kurzem nicht so ausgebeutet wurden, wie sich das gehört. Es ist gut, dass diese Mineralien jetzt gefördert werden. Guatemala ist noch immer so arm, weil wir die Bodenschätze bisher nicht angemessen genutzt haben."

    Aus einer Statistik der Vereinten Nationen geht hervor, dass die meisten Menschen, die als "extrem arm" gelten, in Ländern leben, die "reich" an Mineralien sind.

    Armut der Bevölkerung - Profite der Bergbauunternehmen. Eine Umverteilung des Reichtums gelingt nur selten. Schlimmer noch: Die Regierungen können oder wollen meist nicht verhindern, dass die Goldindustrie die Umwelt zerstört und die Gesundheit der Menschen gefährdet.

    Die guatemaltekische Ökoaktivistin Magalí Rey Rosa sitzt in einem kleinen Szenecafé im Süden der guatemaltekischen Hauptstadt, Guatemala-Stadt. Die wohl bekannteste Umweltschützerin Guatemalas gilt als "radikal". In den Medien wird sie nicht selten als "Ökohysterikerin" beschimpft.

    "Einige Leute sagen, ich sei grundsätzlich gegen den Bergbau. Aber das stimmt nicht. Ich bin dagegen, dass Lebensräume unwiederbringlich zerstört werden. Ich bin dagegen, dass diese riesigen Löcher gegraben werden, um wenige Partikel von Metallen herauszuholen, die für nichts Nützliches gebraucht werden."

    Etwa drei Viertel des jährlichen Goldverbrauchs wird für Schmuck und Dekorationszwecke genutzt. Nur etwa 13 Prozent werden zu Barren oder Münzen geschmolzen. Ein geringer Rest wird im Maschinenbau, bei Zahnbehandlungen und für Elektrogeräte verwendet.

    Im Jahr 2004 hat die Minenfirma Montana, ein Subunternehmen des kanadischen Metallgiganten Goldcorps, in Guatemala mit dem Bau der Mine Marlin begonnen. Im Laufe von zehn Jahren sollen über zwei Million Unzen Gold gefördert werden. Die Betreiber rechnen mit einem jährlichen Gewinn von 125 Millionen US-Dollar. Die ursprüngliche Investition zum Bau der Mine lag bei 261 Millionen US-Dollar.

    Das Unternehmen Goldcorps bezeichnet sich in seinem Internetauftritt als das Bergbauunternehmen mit den weltweit niedrigsten Produktionskosten. Besonders nachhaltig ist die Kostenreduktion in Ländern wie Guatemala, wo Umweltauflagen und Arbeitnehmerrechte sehr lax gehandhabt werden. In Guatemala kann die Firma Montana ungestört ganze Berge abtragen. Der Bergbaubeamte Oscar Rosal vom Energieministerium hält das nicht für bedenklich.

    "Die Minen haben hier dasselbe Problem wie überall auf der Welt, aber insbesondere in Lateinamerika. Es gibt eine starke Opposition. Deshalb müssen die Unternehmer lernen, einen verantwortungsvollen Bergbau zu betreiben. Ihr Geschäft ist es, Mineralien zu fördern und zu verkaufen. Um das zu erreichen, bemühen sie sich um eine Verständigung mit den Einheimischen. Sie können nicht einfach irgendwo anders hingehen, denn sie treffen überall auf dasselbe Problem, in Guatemala, in El Salvador, in Honduras, in Costa Rica."

    Die Stimmen der Gegner des Goldbergbaus werden auch deshalb lauter, weil die Unternehmen immer größere Flächen benötigen. In vielen Ländern der Welt haben Goldminen ganze Landstriche zerstört und riesige Wasserreservoire vergiftet. Solche Verschmutzung befürchtet der Linguist Mario Tema auch für die Umgebung seines Heimatdorfes Sipacapa. Er gehört dem kleinen Mayavolk der Sipacapenser an - rund achttausend Menschen, die vor dem Bau der Mine nie nach ihrer Meinung gefragt wurden.

    "Wir erwarten, dass die Auswirkungen des Goldbergbaus hier in zwanzig, dreißig oder gar erst fünfzig Jahren zu spüren sein werden. Heute noch nicht so sehr. Die Leute verstehen das. Doch die Sprecher der Firma sagen, es gebe keine Umweltverschmutzung. Sie zeigen auf die Kühe, die auf den Feldern grasen. Aber die Umweltschäden werden erst in zwanzig oder dreißig Jahren offensichtlich sein."

    Die Bergbauunternehmen sind sehr darum bemüht, sich ein umweltfreundliches Image zu geben. Kritik kann kostspielige Konsequenzen haben, denn zurzeit ist das Geschäft mit dem Gold so profitabel wie nie zuvor. Der Preis hat sich innerhalb von nur drei Jahren mehr als verdoppelt.

    In der kleinen Ortschaft Agel erinnert das Rumpeln vorbeifahrender Lastwagen alle paar Minuten daran, dass die Bewohner keine zwei Kilometer entfernt leben von der Mine Marlin.

    Immer wieder erzittert der Boden. Die Hütten werden eingehüllt in Wolken aus Staub und Abgasen. Die vorbeifahrenden Lastwagen transportieren Schutt aus der Mine, in der das Gold mit Sprengstoff, großen Maschinen, Chemikalien und Hochtechnologie aus der Erde geholt wird. Seit Beginn der Sprengungen tauchen Risse in den Adobewänden der ärmlichen Hütten auf. In dem Dorf Agel sind heute sechzig Hütten einsturzgefährdet.

    In einer der Hütten legt eine junge Mutter schützend ihren Arm um das Baby an ihrer Seite. Die Beiden liegen auf einem alten Bett aus Metall. Das Mädchen ist vor sieben Tage zur Welt gekommen.

    Die junge Familie hat ihre Hütte erst vor vier Jahren gebaut. Trotzdem denkt sie darüber nach, die Gegend zu verlassen. Über dem Bett, direkt neben dem Kopf des Babys: ein großer Riss in der Wand.

    Sie liegen hier in der Hütte neben der beschädigten Wand. Macht ihnen das keine Angst?

    "Natürlich haben wir Angst. Das ist nicht nur hier so, sondern im ganzen Haus. Ein kleines Erdbeben und alles könnte über uns zusammenstürzen."