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Google geht ans Telefon

IT-Wirtschaft.- Google kauft die Mobilfunksparte von Motorola. Was das für die Smartphone-Branche bedeuten könnte, erklärt Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler im Interview mit Manfred Kloiber.

20.08.2011
    Manfred Kloiber: Schon das ganze Szenario erinnert ein wenig an den Kalten Krieg: Apple, Microsoft und Google, sie versuchen sich gegenseitig mit Patenten und mit Zukäufen in Schach zu halten. Vorläufiger Höhepunkt war der Einstieg des kalifornischen Suchmaschinenkonzerns Google beim Handyhersteller Motorola. 12 Milliarden US-Dollar, umgerechnet 8,8 Milliarden Euro wollen die Kalifornier für Motorola bezahlen. Anfang der Woche wurde der Deal bekannt, Marcus Schuler, auch für Google sind ja zwölf Milliarden Dollar nicht unbedingt ein Pappenstiel, oder?

    Marcus Schuler: Im Gegenteil – so viel hat Google ungefähr in den vergangenen zwei Jahren als Gewinn erwirtschaftet. Und dieses Geld, so die Kartellbehörden der Übernahme schlussendlich zustimmen, muss erst mal verdient sein.

    Kloiber: Will Google jetzt mit diesem Deal in das Handygeschäft selbst einsteigen, Handys also selbst bauen? Das Unternehmen bringt ja das kostenlose Smartphone-Betriebssystem Android heraus, hat aber bislang von Hardware ja seine Finger gelassen.

    Schuler: Auf den ersten Blick würde das natürlich auch Sinn machen. Google äußert sich da im Moment noch etwas schwammig. Motorola soll als eigenständiges Unternehmen fortbestehen hieß es diese Woche, das auch weiterhin Smartphones mit Android herausbringen wird. Google muss hier allerdings sehr aufpassen. Denn Android gibt es, Sie haben es gesagt, kostenlos. Jeder Gerätehersteller auf der Welt darf es ohne Gebühren einsetzen.

    Kloiber: Samsung, HTC und LG gehören zu den großen Herstellern, die auf Android setzen - in den vergangenen Monaten auch mit großem Erfolg. Was sagen die denn dazu, dass Google jetzt plötzlich in das Hardware-Geschäft einsteigt und ihnen dann möglicherweise Konkurrenz macht?

    Schuler: Die halten sich im Moment noch zurück. Das amerikanische Mobilfunkunternehmen Motorola hat seine besten Zeiten nämlich längst hinter sich. Es war einmal ein Gigant, hat Mitte der 30er- Jahre des vorigen Jahrhunderts das erste funktionierende Autoradio auf den Markt gebracht. Es war in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein großer Hersteller von Fernsehgeräten in den USA und stellte bereits 1973 das erste Handy vor. Der letzte große Erfolg bestand im Klapphandy Razor – das ist aber auch schon fast zehn Jahre her. Es kam 2003 auf den Markt. In den USA ist der Marktanteil von Motorola längst einstellig. Man setzte voll und ganz auf Android – mit leidlichem Erfolg. Groß fürchten müssen sich die Asiaten im Augenblick wohl nicht. Auch Google wird stark darauf achten, alle Marktteilnehmer gerecht zu behandeln.

    Kloiber: Das könnte ja auch daran liegen, dass es dem Suchmaschinenkonzern im Grund wahrscheinlich um etwas ganz anderes gegangen ist, nämlich um die Patente von Motorola.

    Schuler: Genauso ist es. Motorola besitzt rund 17.000 Patente, die für Google höchst wertvoll sind. Denn für fast jede Funktionalität bei den Mobiltelefonen gibt es heutzutage ein Patent – vom Chip über den Codec, der den Ton komprimiert, bis hin zum berührungsempfindlichen Bildschirm. Sie haben es ja eingangs gesagt: das Ganze erinnert etwas an den Kalten Krieg. Patente sind wie eine Art ein Faustpfand, wie Versicherungspolicen. Damit können sich die drei großen Smartphone-Spieler – Apple, Microsoft und Google - gegenseitig in Schach halten. Motto: Tust Du mir nichts, tu‘ ich Dir nichts. Apple und Microsoft haben schon ausreichend Patente, Google sah sich dadurch als relativer Neuling in diesem Markt bedroht, sah sein Android-System bedroht, micht zu Unrecht: Microsoft und Apple haben natürlich etwas gegen Android. Das ist für sie so eine Art Dorn im Auge.

    Kloiber: Welche Auswirkungen hat denn jetzt diese Schlacht um die Patente für uns als Nutzer?

    Schuler: Wenn sich die großen streiten, dann bezahlen wir als Nutzer dies früher oder später natürlich mit: Denn die Kosten für die Patente müssen die Konzerne ja wieder erwirtschaften. Zum anderen fehlt den Unternehmen möglicherweise das Geld, um Innovationen voranzutreiben. Sie können nicht mehr so viel Geld in die Forschung und Entwicklung künftiger Geräte stecken.

    Kloiber: Herr Schuler, Apple baut ja selbst Smartphones, Google jetzt in gewisser Weise auch indirekt, nur Microsoft steht ja eigentlich noch als Produzent eines Betriebssystems mit Windows Phone 7 alleine da.

    Schuler: Ja, und das vielleicht nicht mehr lange. Es wird nämlich gemunkelt, dass Microsoft seine Partnerschaft mit Nokia ausdehnt und den finnischen Konzern eventuell ganz schlucken könnte. Aber auch der schwankende kanadische Businessphone-Hersteller RIM, der den einstmals erfolgreichen Blackberry herausbringt, könnte auch zum Übernahmekandidaten werden.