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Gordon-Parks-Ausstellung in Berlin
Die Kamera als Waffe

Gordon Parks war Klavierspieler in einem Bordell und Zugbegleiter, bevor er als Autodidakt zu fotografieren begann. Seine Themen waren Armut, Rassismus und soziale Missstände. Als Fotograf deckte er die Schattenseiten des American Way of Life auf. In Berlin sind in der Ausstellung "Gordon Parks. I am you. Selected Works 1942 – 1978" nun seine Arbeiten zu sehen.

Von Carsten Probst | 10.09.2016
    Ein Foto des US-Fotografen Gordon Parks: Untitled, Washington, D.C., 1963
    Ein Foto des US-Fotografen Gordon Parks: Untitled, Washington, D.C., 1963 (Photograph by Gordon Parks)
    Gordon Parks wusste sehr genau, worauf er sich einließ; wie sich das Leben in der Armutszone anfühlt, weshalb er denen, die in Harlem lebten, auf einzigartige Weise nahekommen konnte. Seine Bilder berühren, ohne zu moralisieren oder sich mit Klischees zu begnügen.
    So Peter W. Kunhardt Jr, Executive Director der Gordon Parks Foundation, die den Nachlass des Fotografen wissenschaftlich aufgearbeitet hat und in Ausstellungen vermittelt. Beides, das Blutrot von Harlem und das Rot der Pariser Haute Couture seien sein Metier, soll Parks einmal über sich selbst gesagt haben.
    Eine schwierige emotionale Geschichte sei das für ihn gewesen, mit solch extremen Sujets umzugehen: den Drogen und der Gangszene in Harlem auf der einen und dem Glamour der Modewelt auf der anderen Seite. Beides sei ihm aber gleich wichtig gewesen und habe ihn viel gelehrt über Selbstwertgefühl und darüber, was dokumentarische Fotografie zeigen muss, so Kunhardt.
    Fundraising für Portraitierte
    Zu Beginn fragt man sich bisweilen tatsächlich in dieser breit angelegten Ausstellung, ob es ein und derselbe Fotograf sein kann, dessen Bilder man da sieht: Ein obdachloses Paar in Harlem in einer Serie von 1948: der Mann schlafend, fast aus der Bodenperspektive; ausgestreckt auf der Bordsteinkante, die Hände über der Brust zusammengelegt, der Kopf zur Seite gesunken. Hinter ihm sitzt seine Gefährtin mit vornüber geneigtem Gesicht und gefalteten Händen. Oder die Harlemer Familie Fontenelle, deren Leben Parks 1967 begleitet: wie sie müde und desillusioniert vor dem Sachbearbeiter der Armutsbehörde sitzen oder wie die Mutter das ärmliche Badezimmer reinigt, von dessen grauen Wänden der Putz abblättert. Die Rhetorik dieser Bilder ist immer sachlich, fast nüchtern, ohne moralische Aufhübschungen. Aber sie fokussiert das menschliche Leiden unverstellt, in den Haltungen und Gesichtern, mit einer Selbstverständlichkeit, als sei die Kamera gar nicht da.
    Es war seine Humanität, die es seinen Portraitierten erlaubte, ihm so nahe zu kommen, sagt Peter Kunhardt. Diese Humanität ging nicht selten so weit, dass Parks mit dem Verkauf einiger Bilder eine Art Fundraising-System betrieb, damit die Portraitierten zum Beispiel medizinische Behandlungen bezahlen konnten, die sie sich sonst niemals hätten leisten können. Den Grund für dieses Engagement sieht Kunhardt ganz wesentlich in Parks Kindheit:
    "Gordon hatte keinen High School-Abschluss. Er war das jüngste von vierzehn Kindern seiner Familie in Port Scott/Kansas. Seine Mutter starb früh. Er hat auch nie Kunst studiert. Was er konnte, hatte er sich selbst beigebracht, nur durch Beobachten und Zuschauen. Alles, was er tat, war nicht so einfach, wie Sie es sich vielleicht vorstellen."
    Auch die Modefotografie hatte es ihm früh angetan, schon als Jugendlicher hatte er Schaufensterauslagen fotografiert. Die Arbeit für Modemagazine brachte ihm später das nötige Geld, um auch seine dokumentarische Arbeit fortführen zu können. Wer will, kann in seinen Modeaufnahmen denselben auf Natürlichkeit und Einfachheit des Bildaufbaus gerichteten Stil entdecken wie in seinen dokumentarischen Arbeiten. Doch während Parks durch den Verzicht auf übersteigerte Posen in Modefotografien das Kleidungsstück interessanter machte, machte er mit derselben Einstellung in den Bildern aus Harlem die Beklommenheit über die Situation der Menschen nur noch fühlbarer.
    Beide Welten in einer Haltung
    Bei C/O Berlin bemüht man sich, die beiden Welten des Gordon Parks in einer Haltung zusammenzufügen, den Wechsel von Schwarz-Weiß zu Farbfotografie, die Fortsetzung von Bildreportagen in Filmprojekten und eigenen Texten. So bewahrt die Ausstellung den Eindruck eines großen, foto-ästhetischen Faszinosums, das zu keiner Zeit seine Glaubwürdigkeit verliert.