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"Gorleben muss zunächst erkundet werden"

Die für Atomaufsicht zuständige Umweltministerin von Baden-Württemberg, Tanja Gönner, hat eine Fortsetzung der Erkundungen für ein Atomendlager in Gorleben verlangt. Ansonsten stehe man mit leeren Händen da, sagte die CDU-Politikerin.

Tanja Gönner im Gespräch mit Jasper Barenberg | 28.08.2009
    Jasper Barenberg: Morgen will sie noch einmal loslegen, die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Eine grandiose Kundgebung versprechen die im Kampf erprobten Gegner von Gorleben. Sie wollen sich im Anschluss nach Berlin aufmachen, zur großen Anti-Atom-Demonstration in einer Woche. Selten waren die alten Recken der Bewegung so zuversichtlich auf dem Weg in die Hauptstadt, denn durch neue Informationen geraten die Pläne für Gorleben unter Druck.

    Am Telefon begrüße ich jetzt die CDU-Politikerin Tanja Gönner, als Umweltministerin von Baden-Württemberg auch zuständig für die dortige Atomaufsicht. Einen schönen guten Morgen.

    Tanja Gönner: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Frau Gönner, der Bundesumweltminister, Sigmar Gabriel, hat Gorleben für tot erklärt. Haben Sie ihm denn schon alternative Standorte für ein Endlager aus Baden-Württemberg angetragen?

    Gönner: Zunächst einmal war es im Laufe dieser Legislaturperiode, weil das innerhalb der Koalitionsvereinbarung ist, die Aufgabe des Bundesumweltministers, die Endlagersuche ergebnis- und zielorientiert anzugehen. Ich bin schon etwas verwundert, wenn er dann vier Wochen vor der Wahl ganz plötzlich neue Erkenntnisse hat, weil ich mich frage, was er in den vergangenen vier Jahren gemacht hat.

    Barenberg: Aber sie haben doch gemeinsam ein Moratorium beschlossen?

    Gönner: Nein. Wir haben nicht gemeinsam ein Moratorium beschlossen, sondern das Moratorium wurde im Jahre 2000 mit dem Atomausstieg von Rot-Grün besprochen wie entschieden. Wir wollten immer, dass die Erkundung - ich lege Wert darauf: die Erkundung - in Gorleben weitergeht, weil - und das ist das Entscheidende - genau die Fragen, die notwendig sind, um zu klären, ist Gorleben geeignet oder nicht, im Rahmen der Erkundung beantwortet werden sollen, also all die Dinge, die jetzt nach 25 Jahren angeblich wieder hochkommen, im Übrigen in den vergangenen Jahren in vielen Arbeitskreisen auch von Fachleuten nie diskutiert worden sind. Diese sollten damit dann auch entsprechend geklärt werden, und insofern bin ich schon verwundert, wie er im Übrigen die Erfüllung des Koalitionsvertrages angegangen ist.

    Barenberg: Das heißt aber auch, Frau Gönner, Sie nehmen die Zweifel, die an der Sicherheit Gorlebens wieder einmal geweckt wurden, sehr ernst?

    Gönner: Es geht ja darum, um nichts anderes geht es bei der Erkundung. Man muss überlegen: Ist der Salzstock dort geeignet. Es gibt genaue Voraussetzungen, die eingehalten werden müssen, damit man sagen kann, man kann einlagern. Das gilt im Übrigen auch für andere Gesteine, das gilt für Tongestein, das gilt für Salz. Deutschland hatte sich sehr, sehr frühzeitig zu einer Zeit, in der ich noch nicht lebte, schon entschieden, insbesondere Salz zu erkunden, und klar ist, dass dann die Sicherheitsfragen dort auch geklärt werden müssen, die aufkommen: Wie sieht es mit Wasser aus, wo sind Wasser führende Schichten, wo könnten entsprechende Einschlüsse vorhanden sein. Genau dies sind die Aufgaben der Erkundung. Nur wenn ich natürlich zehn Jahre eine Erkundung stoppe, bei der ich 25 Jahre Nutzungsrechte habe, dann weiß ich, dass ich natürlich immerhin knapp 40 Prozent dieser Zeit zunächst mal einfach so verstreichen lasse, und das halte ich für fahrlässig, was Rot-Grün, aber auch was Gabriel dort in den vergangenen neun Jahren bis jetzt gemacht hat.

    Barenberg: Aber das heißt auch, Frau Gönner, Sie sprechen sich aus für eine parallele Erkundung, weiter zu erkunden in Gorleben, den Zweifeln an der Sicherheit nachzugehen und parallel dazu andere Standorte ins Auge zu fassen?

    Gönner: Ich spreche nicht über eine Erkundung, sondern ich sage, wir müssen - im Übrigen gibt es genügend Untersuchungen; das Bundesamt für Geologie und Rohstoffe hat einmal einen Vergleich der unterschiedlichen Gesteinsschichten, aber auch der Standorte in Deutschland vorgenommen - und wir müssen uns überlegen, ob wir entlang dessen, was bereits vorliegt an Erkenntnissen, möglicherweise weitere Erkenntnisse sammeln, ohne jetzt von vornherein zu sagen, wir machen dasselbe, was wir in Gorleben mit Erkundungen ... Aber wir müssen wissen, was gäbe es im Zweifelsfall grundsätzlich - ich spreche ganz bewusst grundsätzlich - für weitere Möglichkeiten, um den Weg zu gehen. Wobei klar ist: Gorleben muss zunächst erkundet werden, ob es geeignet ist.

    Barenberg: Zunächst, das hieße erst noch 15 Jahre warten, denn 15 Jahre Zeit bedarf es nach Aussagen des Bundesamtes für Strahlenschutz, Gorleben weiter zu erkunden, und erst dann - da habe ich Sie richtig verstanden - sollten andere Standorte überhaupt ins Auge gefasst werden?

    Gönner: Noch einmal: Auch da gilt im Übrigen die Aufgabe des Bundesamts für Strahlenschutz genauso wie die des Bundesumweltministers, ein entsprechendes Endlagerkonzept zu erarbeiten. Das Einzige, was ich derzeit wahrnehme, ist, dass sie überall erklären, was nicht geht, also überhaupt nicht ihrer Aufgabe nachkommen.

    Zunächst einmal gilt: Die Erkundung in Gorleben muss fortgesetzt werden, weil wir ansonsten komplett mit leeren Händen dastehen. Das Zweite ist, wir müssen die Gutachten berücksichtigen, die heute vorhanden sind über die Frage, was käme eigentlich in Betracht. Da sage ich: Das Bundesamt für Geologie und Rohstoffe hat im Jahr 2007 einen Bericht vorgelegt, wie es aussieht. Wie sieht es dort aus? Dort müsste man die Geologie noch mal etwas näher untersuchen. Ich spreche aber ganz bewusst von der Geologie, ohne bereits zu sagen, wir werden dort, dort oder dort ... Aber man muss zumindest überlegen, was wäre denkbar. Im Übrigen als kleiner Hinweis: die mächtigsten Standorte auch bei Tongestein sind im Übrigen - ich weiß, das wird man dort nicht gerne hören -, aber liegen ebenfalls im Norden der Republik und ich kann, was die baden-württembergisch einmal genannten Möglichkeiten angeht, mit großer Gelassenheit reagieren, weil die weitere Untersuchung der Geologie durch unser Landesamt ergeben hat, dass sie von der Mächtigkeit her nicht gegeben sind und vor dem Hintergrund, dass wir viele Grundwasser führende Schichten haben, sich ebenfalls nicht anbieten.

    Barenberg: Da geht es um Standorte in der Nähe von Heilbronn und in der Nähe von Ulm. Das heißt aber auch, dass Sie da schon Alternativen zu Gorleben geprüft haben, gleichsam?

    Gönner: Auch da noch einmal: Die Prüfung geht darum, dass wir uns um die Geologie kümmern, dass wir sagen, wie mächtig sind sie, in welchem Umfang sind sie vorhanden, welche tektonischen Schwierigkeiten sind vorhanden. Gerade in Baden-Württemberg gibt es nicht unerhebliche Bereiche, die eben von der Tektonik her insofern schwierig sind, als auch Bebengefahren vorhanden sind. Diese Erkenntnisse haben wir, so weit es möglich ist, bisher zumindest überschlägig erhoben. Das heißt nicht, dass wir es zu 150 Prozent wissen, aber wir sind dort sehr gelassen in dieser Diskussion, die im Übrigen der Umweltminister ganz bewusst aus politischen Gründen jedes Mal wieder beginnt. Wir sind dort sehr gelassen.

    Barenberg: Die Asse, sie sollte ja auch ein Atomlager werden, ist auch ein Salzstock, sollte Hunderte von Jahren halten. Jetzt ist die Asse einsturzgefährdet, Wasser dringt ein. Woher nehmen Sie eigentlich die Gewissheit, dass das im Fall Gorleben anders ist?

    Gönner: Zum einen - und das halte ich im Übrigen auch für schwierig an dieser Situation -, der Bundesumweltminister hatte selbst bis vor Kurzem noch gesagt, man dürfe Asse und Gorleben nicht vergleichen, weil ein ganz zentraler Unterschied ist, dass die Asse ein bereits abgebautes Salzbergwerk war, was in Gorleben gerade nicht der Fall ist. Wir haben dort einen unberührten Salzstock, der nie abgebaut worden ist.

    Zum Zweiten: Die Asse wurde in einer Zeit eingerichtet, die vor meiner Geburt - und ich bin jetzt 40 Jahre alt - eingerichtet wurde. Dass der Stand der Technik dort natürlich ein völlig anderer war, als er heute ist, glaube ich, leuchtet jedem ein, der sich einmal mit Technik beschäftigt. Deswegen halte ich es für notwendig, dass man hier jetzt nicht unterschiedliche Dinge miteinander vergleicht. Asse ist etwas, was natürlich angegangen werden muss. Da besteht überhaupt keine Frage. Es ist höchst unerfreulich, was in der Asse vorgefallen ist, auch was es dort an Schwierigkeiten gibt. Und nun ist die Aufgabe im Übrigen auch - und da sage ich wieder, das Bundesamt für Strahlenschutz sollte nicht jeden Tag sagen, was ist jetzt gerade wieder für ein Riss entstanden, sondern sollte endlich auch dort der Aufgabe, die es übernommen hat, gerecht werden zu sagen, welche Möglichkeiten gibt es, um den Problemen dort gerecht zu werden, was müssen wir tun, um im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Menschen dort vor Ort dann auch tatsächlich das zu lösen. Aber ich lege Wert darauf, dass man Asse und Gorleben nicht miteinander vergleichen kann, weil Gorleben ein unberührter Salzstock ist, in dem jetzt für die Erkundung Dinge eingebaut worden sind, aber in dem nie Salz abgebaut worden ist.

    Barenberg: Sie bleiben also bei der bisherigen Position der Union, die sie immer schon eingenommen hat: Augen zu und durch, allen Zweifeln zum Trotz?

    Gönner: Nein. Es geht nicht um Augen zu und durch, sondern es geht um die Frage: Wir müssen erkunden, um zu wissen, ist es geeignet oder nicht. Ich halte es nicht für richtig zu sagen, wir waren schon immer dagegen, aber bisher den Beweis schuldig geblieben zu sein, dass es nicht geeignet ist, weil wir werden dieses Spiel dauerhaft nicht fortführen können. Das Entscheidende ist: Das ist eine ausgesprochen schwierige Entscheidung, die zu treffen ist. Sie muss aber getroffen werden, weil die Frage für die Endlagerung hat sich mit dem Zeitpunkt gestellt, in dem man damals im Übrigen in einem großen gesellschaftlichen Konsens entschieden hat, in die Atomenergienutzung einzusteigen. Diese Frage beschäftigt uns unabhängig von allen anderen Fragen, wie es weitergeht mit der Kernenergienutzung, und das ist eine Aufgabe, die diese Generation dann auch entsprechend zu lösen hat. Nachdem auch Herr Gabriel vom Alter her noch nicht so alt ist, würde ich ihm raten, nicht zu scharf zu sein. Es könnte ihm irgendwann wieder auf die Füße fallen.